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Guy Parmelin: Der SVP-Bundesrat will keine Gegengeschäfte beim Kampfjetkauf

ZUR HERBSTSESSION DER EIDGENOESSISCHEN RAETE VOM MONTAG, 12. SEPTEMBER, BIS FREITAG, 30. SEPTEMBER 2016, STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG - F/A 18 Flugzeuge der Schweizer Luftwa ...
Soll ersetzt werden: F/A-18-Kampfjet der Schweizer Luftwaffe.Bild: KEYSTONE

Keine Gegengeschäfte beim Kampfjet-Kauf? Parmelin sticht in ein Wespennest

Bundesrat und Verteidigungsminister Guy Parmelin überlegt sich, beim Rüstungskauf auf teure Gegengeschäfte zu verzichten. Mit dieser Idee stösst er allerdings auf heftigen Widerstand.
09.12.2016, 06:3509.12.2016, 06:53
Henry Habegger / Aargauer Zeitung
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Verteidigungsminister Guy Parmelin mischt das althergebrachte helvetische Rüstungsprozedere samt dessen Hauptdarsteller tüchtig auf. Nicht nur, indem er das aus dem Ruder laufende Luftabwehrprojekt Bodluv im Frühling kurzerhand sistierte.

Bundesrat Guy Parmelin, an der Wintersession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 6. Dezember 2016 im Staenderat in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
VBS-Chef Parmelin hat mit den Offset-Geschäften ein heisses Eisen angesprochen.Bild: KEYSTONE

Der Waadtländer scheint bereit, auch andere Tabubrüche zu begehen. So denkt er laut darüber nach, beim nächsten Kampfjetkauf auf Gegengeschäfte zu verzichten. Im Interview mit der «Nordwestschweiz» sagte Parmelin letzte Woche: «Deutschland etwa macht das nicht mehr. Es kann interessant sein für unsere Unternehmen: Aufträge, Technologietransfer. Aber es kostet mehr. Und man muss sehr aufpassen: In Österreich kam es zu Korruption bei Gegengeschäften.»

«Offsetgeschäfte sind ein absoluter Blödsinn.»
Oscar Schwenk, Chef des Flugzeugherstellers Pilatus

Damit sticht Parmelin jedoch ins nächste Wespennest. CVP-Nationalrat Jakob Büchler (SG), führender bürgerlicher Sicherheitspolitiker, macht klar: «Ein Verzicht auf Gegengeschäfte kommt nicht infrage. Die Schweizer Rüstung erlebt ohnehin schon schwierige Zeiten. Sie braucht diese Aufträge, die gegenseitige Synergien ergeben.»

Strafzahlungen

Gegen- oder Kompensationsgeschäfte: Wenn die Schweiz Rüstungsgüter kauft, verlangt sie vom Verkäufer in der Regel, dass er die Vertragssumme zu 100 Prozent «kompensiert». Direkt, durch Beteiligung der Schweizer Industrie an der Produktion – beispielsweise der Kampfjets. Oder indirekt (Offset), indem der ausländische Hersteller Schweizer Firmen Aufträge verschafft. Tut er das nicht, wird eine hohe Strafzahlung fällig.

Aber Gegengeschäfte kosten die Steuerzahler viel Geld. Je nach Untersuchung treiben sie die Beschaffungskosten um 7 bis 15 Prozent in die Höhe. Im Fall des geplanten neuen Kampfjet-Kaufs kann das rasch mal eine Milliarde Franken ausmachen.

Oscar Schwenk, Chef des Flugzeugherstellers Pilatus, sagte 2014 am Radio: «Offsetgeschäfte sind ein absoluter Blödsinn.» Er bezifferte die Mehrkosten, die den Unternehmen entstehen, sogar auf 20 Prozent.

«Schlag das auf den Preis drauf»

Als die Schweiz in den 90er-Jahren die F/A-18 kaufte, sollen sich die Amerikaner über die hohen Offset-Forderungen beklagt haben. «Dann schlagt das auf den Preis drauf», soll der damalige Rüstungschef gesagt haben.

Und Gegengeschäfte sind korruptionsanfällig. Sie öffnen Tür und Tor für Geschäftemacher und Vermittler, die sich über Provisionen ein Stück vom Kuchen sichern wollen. Denn Rüstungsfirmen haben oft Mühe, auf die verlangte Offset-Summe zu kommen. Beim Kampfjet Gripen etwa soll das dazu geführt haben, dass Gegengeschäfte angerechnet wurden, die keine waren.

«Gegengeschäftsbasar»

Noch klarer trat das Problem 2002 zutage, als Österreich den Eurofighter kaufte und 200 Prozent Kompensation verlangte. Der Wiener Grüne und Korruptionsbekämpfer Peter Pilz hielt später fest: «Im Schatten der Rüstungskonzerne existiert in Europa ein Gegengeschäftsbasar.»

Parmelin über die Beschaffung neuer Kampfjets
Am Montagabend stellt Bundesrat Guy Parmelin einen Zwischenbericht für die Beschaffung von neuen Kampfjets vor. Die Schweizer Luftwaffe soll ab 2025 neue Kampfflugzeuge erhalten. Damit aber die Sicherung des Luftraums gewährleistet ist, sollen alte Jets wie die F/A 18 oder die Tiger weiter genutzt werden. Die Sicherheit sei dabei nicht gefährdet, sagt Bundesrat Guy Parmelin.
THEMENBILD ZU DEN EIDG. ABSTIMMUNGEN VOM 18. MAI 2014 ---Ein fertig gebautes, neues Gripen E-Kampfflugzeug, welches nach dem Testflug mit dem Piloten nun auch flugbereit ist, aufgenommen am 25. Maerz  ...
Nach dem Nein zum Kampfjet Gripen kommt der Flugzeugkauf wieder auf die Agenda.Bild: KEYSTONE

Es gebe Broker, die einen Handel mit Gegengeschäften betrieben. Alle möglichen Geschäfte würden nachträglich gegen Bezahlung von Provisionen als Offset deklariert. Im Fall Österreichs von der WC-Papiermaschine bis zu einer ganzen Modekette.

Auch die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) setzte 2007 in einer Untersuchung ein dickes Fragezeichen hinter die Kompensationsgeschäfte: Die Beschäftigungswirksamkeit sei geringer, als in den Rüstungsprogrammen angenommen werde. Statt 100 flössen nur rund 40 Prozent des Offsetvolumens in die Schweizer Industrie.

Jetzt auf

Zudem profitiert nur eine kleine Gruppe von Firmen, nämlich die «grossen Player», nachhaltig. Offset sei «eine wenig zukunftsgerichtete Option», so die EFK. Das ändert nichts daran: Die meisten Rüstungspolitiker wollen nicht auf Gegengeschäfte verzichten. Das weiss offensichtlich auch Parmelin: «Das wird eine sehr heikle und politische Entscheidung», sagte er im Interview.

Die Top 10 der Kriegsmaterial-Exporteure

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Die Top 10 der Kriegsmaterial-Exporteure
Platz 1: USA. 33 Prozent des weltweiten Waffenhandels zwischen 2011 und 2015 entfielen auf die Vereinigten Staaten. Hauptabnehmer: Saudi-Arabien. Im Bild: F-35 Kampfjet. Hier geht's zur Studie.
quelle: x00866 / â© yuri gripas / reuters
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15 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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trio
09.12.2016 07:57registriert Juli 2014
Das mit den Gegengeschäften tönt gut und lässt sich auch gut verkaufen. Allerdings ist es überhaupt nicht transparent. Besser wäre, wir kaufen Eure Flieger und Ihr kauft dafür unseren Duro (etwa 1'000'000 Stk. 😂), fix abgemacht. Nur als Beispiel 😉
Die Rüstungsindustrie ist ja sehr anfällig für Vetterliwirtschaft und Korruption, daher begrüsse ich den Vorstoss von Bundesrat Parmelin auf Gegengeschäfte zu verzichten.
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Martin1961
09.12.2016 07:50registriert Juni 2014
der Parmelin hat mehr drauf als man vom Weinbauern erwarten durfte!
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Töfflifahrer
09.12.2016 07:03registriert August 2015
Wenn es so teuer ist und für uns nicht wirklich was bringt, dann weg damit. Wichtig ist aber, dass ein Technologietransfer stattfindet, dass wir die Geräte/Maschinen selber warten können!
Die Wirkung soll durchaus mal ntersucht werden.
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