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Bundesrat empfiehlt ein «Nein» zur Durchsetzungs-Initiative: «Sie isch uf guet Bärndütsch es Gschtürm»

Simonetta Sommaruga spricht sich am Dienstagmorgen gegen die Durchsetzungsinitiative aus.
Simonetta Sommaruga spricht sich am Dienstagmorgen gegen die Durchsetzungsinitiative aus.
Bild: KEYSTONE

Bundesrat empfiehlt ein «Nein» zur Durchsetzungs-Initiative: «Sie isch uf guet Bärndütsch es Gschtürm»

22.12.2015, 09:5604.01.2016, 16:43
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Nach Ansicht des Bundesrats bricht die Durchsetzungsinitiative der SVP die Grundregeln der Demokratie. Sie umgehe das Parlament und schränke die Gerichte ein, sagte Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga am Dienstag vor den Bundeshausmedien.

Es sei Aufgabe des Gesetzgebers, angenommene Initiativen umzusetzen. Diesen Auftrag habe das Parlament inzwischen erfüllt, sagte Sommaruga. Schon zwei Jahre nach Annahme ihrer Ausschaffungsinitiative hatte die SVP jedoch die Durchsetzungsinitiative eingereicht, weil es ihrer Meinung nach mit der Umsetzung nicht rasch genug voranging.

«Diese Initiative ist unmenschlich, sie behandelt Ausländer als Menschen zweiter Klasse», so Sommaruga. Auf Mundart fügt die Justizministerin an: «Die Initiative isch uf guet Bärndütsch es Gschtürm.»

Über diese wird nun am 28. Februar 2016 abgestimmt. Bei einer Annahme wäre das Volksbegehren direkt anwendbar, brauchte also nicht mehr in ein Gesetz gefasst werden. Mit dem Ausschaffungs-Automatismus entfällt auch die zentrale Aufgabe der Gerichte, ein dem Einzelfall angemessenes Urteil zu fällen.

Ueli Maurers Zähneknirschen
Das Parlament empfiehlt die Durchsetzungsinitiative zur Ablehnung. Der Bundesrat muss diesen Entscheid öffentlich vertreten – und zwar geschlossen. Im Fall der SVP-Initiative scheint es Bundesrat Ueli Maurer aber nicht leicht zu fallen, sich an die Kollegialität zu halten. Er habe Mühe, wenn man die Bevölkerung kritisiere wegen Initiativen, die nicht auf der eigenen Linie lägen, sagte der Verteidigungsminister. Nun müsse das Volk über die Durchsetzungsinitiative entscheiden. Diese Volksrechte seien wichtig. (sda)
Die Ausschaffungsinitiative sei bereits umgesetzt, sagt der Bundesrat.
Die Ausschaffungsinitiative sei bereits umgesetzt, sagt der Bundesrat.
Bild: KEYSTONE

Damit setze sich die Durchsetzungsinitiative über bewährte Abläufe der Demokratie hinweg und stelle den Rechtsstaat in Frage, sagte Sommaruga. Das Volk werde so zum Gesetzgeber und auch gleich zum Gericht, was einen Bruch der Gewaltenteilung darstelle.

Unsicherheit belastet Wirtschaft

Die Bundespräsidentin warnte auch vor zusätzlichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Sie erinnerte daran, dass die Durchsetzungsinitiative im Konflikt steht mit dem Freizügigkeitsabkommen mit der EU. Das werde das ohnehin angespannte Verhältnis mit Brüssel weiter erschweren.

Das ist allerdings auch bei der vom Parlament verabschiedeten Umsetzung der Ausschaffungsinitiative nicht ganz ausgeschlossen. Vorgesehen sind automatische Ausschaffungen bei schweren Delikten, wobei die Gerichte dank einer Härtefallklausel die besondere Situation jener Ausländerinnen und Ausländer berücksichtigen können, die in der Schweiz geboren sind.

Die Initianten der Durchsetzungsinitiative wollen auch mit diesen rigoros verfahren. Im Wiederholungsfall würden schon Bagatelldelikte für eine Ausschaffung ausreichen. Gemäss Berechnungen des Bundesamts für Statistik würden mit der Umsetzungsvarianten des Parlaments jährlich knapp 4000 Personen des Landes verwiesen, bei Annahme der Durchsetzungsinitiative wären es rüber 10'000.

Diese Zahlen seien jedoch mit grossen Unsicherheiten behaftet, sagte Martin Dumermuth, Direktor des Bundesamts für Justiz. «Was die Gerichte entscheiden, kann heute nicht prognostiziert werden». Das Bundesgericht hatte schon 2012 angekündigt, sich unter Umständen über einen Automatismus hinwegzusetzen. (sda/cma)

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84 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Durrutti
22.12.2015 10:45registriert November 2014
Die Politik sollte ndlich mit dem SVP Kuschelkurs aufhören und die Dinge beim Namen nennen. Die SVP will ein Volksfaschismus einführen und die Demokratie beerdigen. Wehret den Anfängen!
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Caprice
22.12.2015 10:18registriert April 2014
"Gschtürm" wäre ja noch harmlos. Sie ist eine Demontage unseres Rechtsstaates!
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RichtigerSchweizer
22.12.2015 11:21registriert Dezember 2015
Die Durchsetzungsinitative ist wieder nur so eine Weichei-Aktion von Warmduschern! Ich werde bald eine richtige Initiaive starten: "Echte Sicherheit vor Pädos, Ausländern und Schwulen". Dort wird dann verbindlich festgeschrieben, das kriminelle Ausländer direkt von der Polizei standesrechtlich erschossen werden müssen, wenn ihre Kinder straftaten begehen, wie z.B. bei Rot über die Ampel zu gehen. Das gleiche gillt dann natürlich auch für alle andern nicht echten Schweizer (=nicht SVP Wähler)
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Eklat in der SVP: Christian Imark stellt pikante Forderung an Magdalena Martullo-Blocher
Das ist höchst ungewöhnlich. Energiespezialist Imark greift SVP-Vizepräsidentin Martullo-Blocher offen an. Sein Vorwurf: Mit ihrem Nein zum Stromgesetz gefährde sie langfristige Parteiinteressen.

Auf der einen Seite steht Christian Imark. Der SVP-Nationalrat aus Solothurn brachte am 2021 das CO₂-Gesetz praktisch im Alleingang zum Absturz. Im Februar 2024 reichte er als Mitglied des Initiativkomitees die Blackoutinitiative ein, die neue AKW wieder erlauben will. Und 2023 war er als Vertreter der Energiekommission (Urek) verantwortlich dafür, dass die SVP-Fraktion das Stromgesetz von SVP-Bundesrat Albert Rösti mit 36:18 Stimmen absegnete. Die Volksabstimmung findet am 9. Juni statt.

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