Der Aufschrei war gross, als 2015 der Abgas-Skandal aufgedeckt wurde. Damals ging es um den Ausstoss von Stickoxiden bei Dieselfahrzeugen. Der Autohersteller VW umging mit illegalen Systemen die Abgasnormen verschiedener Länder. Doch auch in Bezug aufs Treibhausgas CO2 wird getrickst – allerdings auf absolut legale Art und Weise.
Die Emissionsvorschriften in der Schweiz sind klar definiert: Neuwagen dürfen durchschnittlich 130 Gramm CO2 pro Kilometer ausstossen. Das gilt für die gesamte Flotte eines Importeurs (die Schweiz hat keine eigenen Autohersteller), der Ausstoss von «Benzinschluckern» kann also mit verbrauchsärmeren Fahrzeugen kompensiert werden. Oder mit anderen Worten: Wer einen Ferrari importiert, sollte auch noch ein Elektroauto im Angebot haben – sonst wird es teuer.
Gemäss Bundesamt für Energie (BFE) wurden die Autoimporteure 2016 mit Sanktionen in der Höhe von 2,4 Millionen Franken gebüsst. Denn der erforderliche Mittelwert von 130 Gramm CO2/km wurde um vier Gramm überschritten (ein Gramm weniger als 2015).
Um die Bussgelder möglichst tief zu halten, haben die Importeure natürlich ein Interesse, die Emissionsvorschriften einzuhalten oder zumindest so nahe wie möglich an sie heranzukommen. Ein beliebter, völlig legaler «Trick» sind sogenannte Tageszulassungen: Neuwagen werden dabei für einen oder wenige Tage ein- und sogleich wieder ausgelöst. Danach wird das Auto als Occasion verkauft.
Das macht zum Beispiel dann Sinn, wenn ein Importeur im Dezember feststellt, dass er fürs laufende Jahr über dem Soll ist. Also löst er noch schnell ein paar verbrauchsarme Fahrzeuge ein, senkt damit den Mittelwert und bezahlt keine oder nur eine geringe Strafgebühr. Im Gegenzug nehmen die Importeure eine kleinere Marge in Kauf und laufen Gefahr, auf den Occasionen «sitzenzubleiben». Beim BFE ist man sich der Thematik der Tageszulassungen bewusst, hält das Ausmass aber nicht für problematisch. «Es gab bis jetzt keinen Anlass, dagegen vorzugehen», sagt Sprecherin Marianne Zünd.
In einem Communiqué, das heute veröffentlicht wird, geht der Verkehrs-Club der Schweiz (VCS) weiter und greift das CO2-Testverfahren selbst an: Die auf dem Prüfstand ermittelten Werte würden stark vom realen Treibstoffverbrauch abweichen.
Das bestätigt auch Christian Bach von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa. «Wenn man das Gewicht und die Fahrwiderstände der Autos aufs Minimum reduziert und alle Nebenverbraucher wie Klimaanlage und Licht ausschaltet, kann man 30 bis 40 Prozent der CO2-Emissionen einsparen», so der Abteilungsleiter für Fahrzeugantriebssysteme.
In diesem Ausmass ist das allerdings nicht mehr lange möglich: Noch diesen Herbst will die EU ein neues Testverfahren namens WLTP einführen. Auch damit wird das CO2-Prüfergebnis noch nicht «echten» Werten entsprechen, gemäss Bach dürfte die Abweichung dannzumal aber nur noch ungefähr der Hälfte von heute entsprechen – weil zum Beispiel Fahrzeuggewicht oder Roll- und Luftwiderstand realistischer einbezogen werden.
«Auto-Schweiz», die Vereinigung der Schweizer Automobil-Generalimporteure, stellt sich nicht grundsätzlich gegen das neue Verfahren. Aber sie fordert, dass entsprechend auch die Emissionsvorschriften nach oben gesetzt werden – weil die neuen, realistischeren CO2-Werte höher ausfallen werden. «Man kann nicht mitten im Spiel die Regeln ändern», sagt Präsident François Launaz. Ziel müsse sein, die realen Emissionen zu senken und nicht einfach mehr Bussgeld einzutreiben.
Wie es die Bevölkerung mit dem Energiegesetz soeben abgesegnet hat, dürfen Neuwagen ab 2021 (mit einer Übergangsphase) gar nur noch 95 Gramm CO2 pro Kilometer ausstossen.
«Auto-Schweiz» hält dies für die Schweiz alleine nicht für realistisch – und fordert, dass der Schweizer Mittelwert bei demjenigen der EU mitgerechnet wird. Denn auf europäischer Ebene kompensieren verbrauchsarme Länder wie Italien «Dreckschleudern» wie Deutschland. Gegen eine solche Andockung an die EU wehrt sich der VCS, der heute seine «Umweltliste» mit den verbrauchseffizientesten Neuwagen aufdatieren wird, mit Händen und Füssen.
Präsidentin und SP-Nationalrätin Evi Allemann: «Eine EU-weite Anrechnung würde die Schweiz von allen CO2-Zielen befreien. Das geht nicht an – auch wir müssen unseren Beitrag an den Klimaschutz leisten.»