«Ich bin jetzt klar im Kopf und will nicht mehr solchen Scheissdreck machen. Ich will etwas Soziales machen und den Leuten helfen», erklärte der 40-jährige Mann gestern im Basler Strafgericht. «Wo haben Sie denn überall gebettelt?», fragte Gerichtspräsidentin Felicitas Lenzinger. «In der ganzen Stadt», meinte er schulterzuckend.
Das Problem war allerdings weniger das Betteln, sondern die Aggressivität: Wer dem Mann kein Geld gab, erhielt Schläge, Tritte oder Ohrfeigen. Vor allem zwischen Sommer und Herbst 2016 war der Mann zwischen dem Claraplatz und dem Bahnhof SBB aktiv. Dazu kamen Drohungen auf dem Amt für Beistandschaften, weil er seiner Meinung nach zuwenig Geld erhielt.
Seit über zehn Jahren ist der Mann drogenabhängig, nach einer gescheiterten Beziehung psychisch vollends abgestürzt und nach Ärger in seiner Wohngruppe wurde er im Jahr 2016 obdachlos. Bereits seit längerer Zeit diagnostizierte man bei ihm eine Schizophrenie, er erhält eine Invalidenrente. Wegen seiner Aggressivität hat er sogar in der Clarakirche Hausverbot, hielt sich aber auch daran nicht. Die Bettlerei mit Nachdruck funktionierte ansonsten durchaus: Wie er gestern vor Gericht erzählte, kam er jeden Tag auf Einnahmen zwischen 300 und 400 Franken. Immer mal wieder verbrachte der Mann eine Nacht im Gefängnis, wenn Passanten die Polizei riefen, machte daraufhin aber mit derselben Methode weiter. Im Februar dieses Jahres wurde er von Polizisten in Zivil dabei beobachtet, wie er beim Bahnhof SBB von einer Passantin erneut mit Gewalt Geld forderte. Seither sitzt er wegen Wiederholungsgefahr in Haft.
Wie er selber sagte, war er über die Verhaftung gar nicht so unglücklich. «Mein Mandant ist kein böser Mensch, kein notorischer Delinquent. Wenn jemand den ganzen Tag betteln muss, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, dann ist er ganz weit unten. Die Verhaftung hat ihm wohl das Leben gerettet», betonte Verteidiger Thomas Zajac. Er wolle das Verhalten nicht rechtfertigen, indes sei sein Mandant als Bettler auch oft beschimpft worden.
Juristisch war der Fall schnell abgearbeitet: Es gab Schuldsprüche wegen versuchter Erpressung, Drohungen, Tätlichkeiten und weiterer Delikte. Das Dreiergericht beriet allerdings länger darüber, was mit dem Mann geschehen solle. Die Liste seiner Medikamente ist derzeit lang: Ein Heroin-Ersatzmittel, dazu ein Neuroleptikum, Valium zur Beruhigung, Antidepressiva, ein weiteres Neuroleptikum sowie ein Mittel gegen Blutarmut. Wie viele Drogenentzüge er schon hinter sich hat, wusste er selber nicht mehr so genau.
Auch ein Gutachter äusserte sich vor Gericht nicht eindeutig, empfahl aber eine ambulante Massnahme. Das Gericht ging weiter: Es ordnete eine stationäre Massnahme an «Wir sehen bei dieser schweren Persönlichkeitsstörung keinen anderen Weg, sowohl für ihn persönlich wie auch im Interesse des Schutzes der Öffentlichkeit», sagte Felicitas Lenzinger dazu. Formell muss der Mann eine Freiheitsstrafe von zwölf Monaten absitzen, diese wird aber aufgeschoben zugunsten der Massnahme von unbestimmter Dauer. Das Urteil kann er noch weiterziehen, etwa um eine mildere ambulante Massnahme zu verlangen. (bzbasel.ch)