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Fahrende: Rassismus-Anzeigen gegen SVP-Gemeinderat aus Lyss BE

«Sie hinterlassen einfach immer eine Sauerei» – so sieht Jürg Michel die Fahrenden.
«Sie hinterlassen einfach immer eine Sauerei» – so sieht Jürg Michel die Fahrenden.Bild: KEYSTONE

«Zigeuner erkennt man mit der Nase» – jetzt hagelt's Rassismus-Anzeigen gegen SVP-Gemeinderat

Die Juso sowie weitere Organisationen werfen dem Lysser Gemeinderat Jürg Michel (SVP) vor, die Rassismus-Strafnorm verletzt zu haben. Dieser ist sich keiner Schuld bewusst.
01.07.2016, 05:2201.07.2016, 07:55
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Jürg Michel wird sich in Zukunft wohl zweimal überlegen, was er sagt. Zumindest öffentlich. Am Montag nahm der SVP-Gemeinderat an der Versammlung des Lysser Gemeindeparlaments in Lyss kein Blatt vor den Mund und machte seinem Ärger über «Zigeuner» (sic!) Luft. Dafür hagelt es jetzt Anzeigen. Gleich drei Organisationen gaben in den letzten Tagen bekannt, Strafanzeige wegen öffentlicher rassistischer Diskriminierung eingereicht zu haben: die JUSO Bielingue, die transnationale jenische Organisation Schäft Qwant und die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV).

Gemeinderat Jürg Michel ist sich keiner Schuld bewusst.
Gemeinderat Jürg Michel ist sich keiner Schuld bewusst.tanja lander/bieler tagblatt

Und so kam es dazu

Spät abends an der Versammlung kam es zur Debatte über Fahrende in Lyss. SVP-Gemeinderätin Sandra Brauen wollte wissen, was es mit den Fahrenden beim Freizeitzentrum Kolibri auf sich habe. «Einer fischte sogar im Lyssbach», zitierte das «Bieler Tagblatt» Brauens Empörung.

Wie sie denn aus der Distanz erkannt habe, dass es sich beim Fischer um einen Fahrenden handle, wollte ein SP-Mitglied wissen.

Für Jürg Michel war klar: «Wenn man die Zigeuner nicht vom Sehen her erkennt, dann spätestens mit der Nase.» Bäm. Das sass, die Empörung im Raum war gross.

«Sie hinterlassen einfach jedes Mal eine Sauerei.»
SVP-Gemeinderat Jürg Michel

Brauen versuchte ihren Parteikollegen daraufhin rauszuhauen – er habe das nicht so gemeint, meinte sie.

Genau, meinte auch Michel selbst. Ja, was meinte er denn? Er habe die Aussage auf die Kopfform bezogen und nicht auf den Geruch. «Ich habe an und für sich nichts gegen diese Menschen. Aber sie hinterlassen einfach jedes Mal eine Sauerei», sagte er in den Tagen darauf gegenüber dem BT.

«Abwertung von Fahrenden»

Damit war genug gesagt. Für die Schäft Qwant war es das offensichtliche Ziel Michels, die Anliegen der gemeinten «Fahrenden» herabzuwerten und Stimmung zu machen mit dem Ziel, dass die ausführenden Behörden härter durchgreifen gegen die Personengruppe.

«Die Aussage von Lysser Gemeinderat Jürg Michel hat ein neues, erschreckendes Ausmass erreicht.»
Angela Mattli, Kampagnenleiterin der GfbV

Die GfbV stösst sich unter anderem daran, dass die Aussage von Michel in der pauschalen, abwertenden Annahme gründe, dass die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe/Ethnie («Zigeuner») Gestank zur Folge habe, wie sie in ihrer Strafanzeige schreibt. «Pauschalisierende und diskriminierende Aussagen gegenüber Jenischen, Sinti und Roma durch Politikerinnen und Politiker haben in den letzten Jahren zugenommen», sagt Angela Mattli, Kampagnenleiterin der GfbV. «Die Aussage von Lysser Gemeinderat Jürg Michel hat jedoch ein neues, erschreckendes Ausmass erreicht, welches die Rassismus-Strafnorm klar verletzt. Deshalb erstatten wir Anzeige.»

Auch die JUSO Bielingue äussert sich deutlich zum Fall. (rwy)

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98 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Homelander
01.07.2016 07:28registriert Oktober 2014
Weil «auf die Kopfform bezogen» weniger rassistisch ist... 🙄
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Fabio74
01.07.2016 06:26registriert März 2016
So mancher SVPler hätte sich vor 80 Jahren wohler gefühlt
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Ich-meins-doch-nicht-so
01.07.2016 07:41registriert Januar 2014
Wer Ausländer draussen haben will, muss sich einfach bewusst sein, dass dann drinnen mehrheitlich solche Typen wie der Herr Michel zurückbleiben.
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