Das Wasserkraftwerk Gösgen liegt direkt neben dem Atomkraftwerk (AKW). Sollte es im AKW zu einem Unfall kommen, könnte dieses mit Strom aus dem nahegelegenen Wasserkraftwerk versorgt und so beispielsweise auch die Kühlung der Brennstäbe sichergestellt werden.
Ob die Noteinspeisung auch funktionieren würde, testeten die Verantwortlichen des AKW in diesem Sommer. So kommunizierte das AKW Gösgen zur beginnenden Jahresrevision per Medienmitteilung:
Danach fand dieser Versuch keine Erwähnung mehr. Das hat einen Grund: Wie Recherchen von watson zeigen, ist der Test, der diesen Juni durchgeführt wurde, fehlgeschlagen.
Konstantin Bachmann, Sprecher des Kernkraftwerks Gösgen, bestätigt auf Anfrage, dass eine zusätzliche Stromversorgung ab dem Wasserkraftwerk Gösgen getestet worden sei. Dabei sei jedoch festgestellt worden, dass diese technisch nicht machbar sei. Weitere Tests seien keine mehr geplant, die Variante damit endgültig vom Tisch.
Für Bachmann ist dies allerdings nicht mit Abstrichen bei der Sicherheit gleichzustellen. «Das KKG erfüllt mit den vor Ort installierten Notstromanlagen sämtliche sicherheitstechnischen Anforderungen.»
Die Noteinspeisung über das Wasserkraftwerk fand indes bereits 1999 in einem Dokument über die periodische Sicherheitsüberprüfung Erwähnung als Bestandteil der gesamten Notstandstromversorgung des AKW:
Aufgrund der Bedeutung dieser zusätzlichen Sicherheitslösung veranlasste die Aufsichtsbehörde im selben Dokument, dass die dafür notwendigen Massnahmen «direkt in das Notfallhandbuch übernommen werden» sollten.
Zwischen 1997 und 2000 wurde das Wasserkraftwerk Gösgen erneuert. Bis dahin muss die Stromeinspeisung zum AKW gemäss diesem Bericht funktioniert haben. War das System nun also schon seit 16 Jahren nicht mehr funktionsfähig? Und warum wurde noch nicht kommuniziert, dass neu auf diese Variante verzichtet wird?
Auf Nachfrage geht die Aufsichtsbehörde ENSI nicht auf diese und weitere Fragen ein. «Dieses Geschäft ist zurzeit noch in Bearbeitung», so die schriftliche Antwort. Und weiter: «Das ENSI hat diesbezüglich noch nichts entschieden. Wir können uns daher nicht weiter äussern.»
Bei einer Katastrophe ist die Notstromversorgung eines Atomkraftwerkes von enormer Wichtigkeit. Um eine Havarie vermeiden zu können, müssen die Kühlung der Brennstäbe und die Steuerung der Anlagen zu jeder Zeit möglich sein.
Um dies zu garantieren, müssen AKW-Betreiber mehrere Szenarien zur Notstromversorgung vorweisen. Alle Werke sind daher mit mehreren Notstromgeneratoren ausgerüstet. Auch das AKW Gösgen verfügt über vier Dieselgeneratoren.
Im Wasserkraftwerk Gösgen könnten die vier zur Verfügung stehenden Turbinen im Bedarfsfall zirka 40 Megawatt Strom erzeugen, womit das AKW versorgt werden könnte.
Dass mit dem Fehlschlag des Versuchs nun eine zusätzliche Absicherung abgebaut wird, verärgert die Kritiker der Kernenergie bei Greenpeace.
Stefan Füglister, Atomspezialist bei Greenpeace, kann sich diesen Verzicht auf mehr Sicherheit nur mit den finanziellen Interessen der Betreiber erklären. «Offenbar wird aufgrund des Spardrucks auf zusätzliche sinnvolle Sicherheitsmassnahmen verzichtet», sagt Füglister. Dies sei ein schlechtes Zeichen.