Mit einer Medienkonferenz eröffnete Sozialminister Alain Berset am Dienstag die heisse Phase des Abstimmungskampfs. Die wichtigsten Parteien, Verbände und Gewerkschaften haben ihre Parolen zur Rentenreform bereits gefasst. Auf den ersten Blick scheinen Befürworter aus einer Allianz von Mitte-links-Parteien und Gewerkschaften einer Gegnerschaft aus rechtsbürgerlichen Parteien und Wirtschaftsverbänden gegenüberzustehen.
Bei genauerem Hinsehen zeigt sich: die Rentenreform wirbelt die politischen Lager kräftig durcheinander. So kämpft etwa die FDP an der Seite der kommunistischen Partei der Arbeit. Wir präsentieren die fünf interessantesten Konfliktlinien.
In einer Urabstimmung sprachen sich neun von zehn SP-Mitgliedern für ein Ja zur Reform aus – 39 Prozent der Genossen hatten daran teilgenommen. Die Juso lehnt die Vorlage trotz des klaren Votums ab. Sie stört sich an der Erhöhung des Rentenalters der Frauen und der Senkung des Umwandlungssatzes in der zweiten Säule. Doch nicht einmal die Jungsozialisten sind geschlossen – die Sektion Basel-Land hat sich für ein Ja ausgesprochen. Störfeuer gegen die Reform kommt auch von den kleinen Linksaussen-Parteien SolidaritéS und PdA (Partei der Arbeit).
Die grossen Dachverbände der Wirtschaft sind in ihrer Ablehnung der Reform geeint: Economiesuisse, Gewerbe- und Arbeitgeberverband haben die Nein-Parole beschlossen. Doch in der Romandie stossen Alain Bersets Pläne auch in Wirtschaftskreisen auf Sympathie. Die «Fédération des Entreprises Romandes», mit 27'000 Firmen und 80 Fachverbänden der grösste Arbeitgeberverband der Westschweiz, sagt Ja, ebenso der einflussreiche Waadtländer Unternehmerverband «Centre patronal».
Das Projekt «Altersvorsorge 2020» spaltet auch die beiden Grossverteiler. Die Migros ist laut Blick der Meinung, dass die Lösung verschiedene «sozialpolitische Anliegen aufnimmt, welche in der Migros-Gemeinschaft seit vielen Jahren gelebt werden». Coop hingegen schliesst sich der Nein-Parole des Arbeitgeberverbands an, dem der Detailhändler als Mitglied angehört.
Trotz aus Arbeitnehmersicht umstrittener Kompromisse wie der Erhöhung des Rentenalters für Frauen und der Senkung des Umwandlungssatzes befürworten die grossen Gewerkschaften wie Unia und VPOD gemeinsam mit dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund die Reform. Doch auch bei den Arbeitnehmern gibt es Abweichler: Die Dachverbände der Gewerkschaften in Genf und der Waadt, CGAS und USV*, sowie mehrere VPOD-Sektionen in der Romandie bekämpfen die Reform.
Die SVP gibt sich gerne als engste politische Verbündete der Landwirtschaft. Doch während die Partei die Rentenreform im Parlament heftig bekämpfte, gab der Bauernverband die Ja-Parole heraus: Die Reform berücksichtige «gesamthaft betrachtet die Interessen der Bauernfamilien».
* In einer früheren Version des Artikels wurde die CGAS fälschlicherweise als Einzelgewerkschaft beschrieben. Es handelt sich dabei aber um den kantonalen Dachverband der Genfer Gewerkschaften.