Rund 300 Wahlzettel für die Stapi-Wahl in Bern sind ungültig: Alle wurden von derselben unbekannten Person ausgefüllt, die leere Listen verwendet, alle der SVP-Liste zugeordnet und auf alle Listen neben zwei, drei SVP-Kandidaten Erich Hess gesetzt hatte.
Der Nationalrat ist erbost ob der Schindluderei, wie er gegenüber watson sagt. «Das ist jenseits von Gut und Böse, ich verurteile das aufs Schärfste», ärgert sich Hess, der aus der Zeitung vom Vorfall erfuhr. Er könne sich nicht vorstellen, wie jemand so dumm sein könne, mit gleicher Schrift die Namen auf die Zettel zu setzen.
Wer es gewesen sein könnte, darüber will der Politiker nicht mutmassen. Da müsse auf jeden Fall jemand «vom Aff gebissen» worden sein, sagt Hess. «Positiv ist, dass den Stimmenzählern der Betrug aufgefallen ist. Das ist ein Zeichen, dass die Kontrollmechanismen gut funktionieren», sagt Hess.
Nun wird Anzeige gegen unbekannt eingereicht, der Fall wird untersucht. In einem Interview mit dem Bund sagte der Berner Stadtschreiber Jürg Wichtermann, auf den nötigen Stimmrechtsausweisen seien keine Unregelmässigkeiten entdeckt worden. Ob es sich um Stimmenfang oder Stimmfälschung handelt, ist unklar. Auch die SVP reicht Anzeige gegen unbekannt ein.
Die Chancen, dass die Täterin oder der Täter gefunden wird, sind intakt. In diesen früheren Fällen von Stimmenfang und Wahlbetrug sind die Schuldigen früher oder später gefunden (oder die zu Unrecht Verdächtigten freigesprochen) worden:
Der Unverbesserliche: Der Basler Störenfried Erich Weber wurde bereits mehrmals wegen Wahlfälschung und Stimmenfang verurteilt, zuletzt im Juni dieses Jahres zu 280 Stunden gemeinnütziger Arbeit. Der Noch-Grossrat ist damit bereits zweifach wegen Manipulationen bei Wahlen vorbestraft. 2008 war er wegen mehrfacher Wahlbestechung, Wahlfälschung und Drohung zu 180 Tagessätzen bedingt auf drei Jahre verurteilt worden.
Bei den Nationalratswahlen 2007 wurde dem Bieler Politiker Ricardo Lumengo die Fälschung von 47 Wahlzetteln vorgeworfen, drei Jahre später musste er sich zudem vor Gericht verantworten für den Verdacht, 2006 bei den Grossratswahlen 44 Wahlzettel selbst ausgefüllt zu haben. Lumengo bestritt die Fälschung, gab aber zu, Neuwählern beim Ausfüllen geholfen zu haben. Er wurde in letzter Instanz vom Bundesgericht freigesprochen.
Kein geringerer als Christoph Blocher wurde nach einer doppelten Stimmabgabe im Nationalrat 1994 wegen Wahlfälschung gerügt. Nur weil das Parlament seine Immunität nicht aufhob, musste er sich nicht vor dem Richter verantworten.
Mit reiner Weste kam der Glarner SVP-Landrat Siegfried Noser davon. Er wurde beschuldigt, bei seiner Wiederwahl im Jahr 2010 Wahlzettel manipuliert zu haben. Ein grafologisches Gutachten des Forensischen Instituts Zürich konnte den Verdacht nicht erhärten, das Verfahren wurde eingestellt.
Dem früheren Aargauer SVP-Kantonalpräsidenten Hans Ulrich Mathys wurde vorgeworfen, vor den Eidgenössischen Wahlen 2001 in seinem Wohnort fremde Wahlzettel ausgefüllt zu haben. Die Bundesanwaltschaft stellte das Verfahren jedoch ein, weil die Tatbestände des Stimmenfangs und der Wahlfälschung nicht erfüllt waren.
Nicht freigesprochen wurde der SVP-Politiker Armin Meier in Obersiggenthal AG. Er wurde mit vier Monaten Gefängnis bedingt und einer Busse von 3500 Franken bestraft, weil er bei den Gemeindewahlen im September 2005 nachweislich 130 Stimmzettel gefälscht hatte.
In Basel wurde Ex-FDP-Grossrat Walter Hammel wegen Wahlfälschung und weiterer Delikte zu sieben Monaten Gefängnis bedingt verurteilt. Er hatte bei den Grossratswahlen im Herbst 2004 insgesamt 126 Wahlcouverts eingesammelt und teilweise ausgefüllt. Davon verschickte er 20 ans Wahlbüro.
Im Jahr 2002 verurteilte das Amtsgericht Olten-Gösgen den Ex-CVP-Gemeinderat Linus Dobler zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 10 Monaten. Dobler hatte gestanden, vor den Wahlen in den Gemeinderat im April 2001 von verschiedenen Seiten über hundert Wahlkuverts entgegengenommen, diese ausgefüllt und Unterschriften gefälscht zu haben.
Wahlfälschung kostete auch SP-Politiker Aldo Berva in Grenchen das Amt. Er hatte 1997 bei den Kantonsratswahlen mit Helfern mehrere Dutzend Wahlzettel planmässig eingesammelt und zum Teil auch selbst ausgefüllt.
1995 wurde der Steffisburger SVP-Politiker Hans Jürg Graf wegen mehrfachen Stimmenfangs zu einer Busse verurteilt. Graf hatte bei den Gemeindewahlen rund 100 Wahlzettel für Bekannte und Verwandte eigenhändig ausgefüllt. Das Wahlergebnis wurde nachträglich korrigiert, und Graf verlor seinen Sitz im Gemeindeparlament.
Ebenfalls auf 1995 geht der Fall des Leiters eines Altersheims zurück, der wegen Wahlfälschung zu einer Busse von 1000 Franken verurteilt worden war. Der Mann hatte bei den Nationalratswahlen im Kanton Basel-Stadt die Listen von 16 nicht mehr urteilsfähigen Heimbewohnern selbst ausgefüllt und per Post eingereicht.
(Mit Material der Nachrichtenagentur sda)