Schweiz
Gesellschaft & Politik

Weil sie sparen muss: Jeden Tag kann die Luzerner Polizei 7 Mal nicht ausrücken

Buchrain LU, 3. Oktober 2016, 15:45 Uhr: Die Polizei hat auf der Autobahn A 14 in Buchrain eine entlaufene Ziege eingefangen. Das Tier konnte von seinem Besitzer auf dem Polizeiposten Ebikon abgeholt  ...
Die Luzerner Polizei bei einem Einsatz auf der Autobahn.Bild: Luzerner Polizei

Sparzwang und seine Folgen – wenn die Polizei 7 Mal am Tag nicht ausrücken kann

Zwischen Juli bis Anfang September konnte die Luzerner Polizei 500 Mal nicht ausrücken. Grund: zu wenig Ressourcen. 
14.09.2017, 08:4014.09.2017, 18:10
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«Schnell – Kompetent – Hilfsbereit». So lautet der Slogan der Luzerner Polizei. Das Adjektiv «schnell» trifft aber nicht mehr bei allen Einsätzen zu – ja vielleicht taucht die Polizei gar nicht erst auf, wenn du sie um Hilfe rufst.

Die Luzerner Regierung hat die Polizei zum Sparen verdonnert. 1,5 Millionen Franken sollen die Sicherheitskräfte noch in diesem Jahr einsparen. Dazu bleiben elf Polizeiposten am Wochenende ausserordentlich geschlossen und täglich sind ein bis zwei Patrouillen weniger unterwegs. 

Die Folgen dieser Sparübung hat die Luzerner Regierung nun offengelegt, indem sie eine Anfrage der SP-Kantonsrätin Ylfete Fanaj beantwortete. Sie wollte wissen, in wie vielen Fällen die Polizei nicht mehr ausrückt. Die Antwort der Regierung: Jeden Tag kann die Polizei in durchschnittlich 7,3 Fällen nicht reagieren.

«Es wäre erstrebenswert, wenn bei jeder Meldung Einsatzkräfte ausrücken könnten.»
Urs Wigger, Mediensprecher Luzerner Polizei

Dies zeigte eine Analyse, die zwischen dem 1. Juli bis und mit 8. September durchgeführt wurde. Insgesamt musste die Polizei in dieser Zeit in 505 Fällen aus Ressourcen-Gründen auf einen Einsatz verzichten. In einem Fünftel der Fälle waren dies Meldungen wegen Ruhestörungen, wie die detailliertere Auswertung zeigt.

Bei diesen Meldungen rückte die Luzerner Polizei nicht aus:

1. Juni bis 8. September
Ruhestörung: 108 Mal
Strassenverkehr: 61 Mal
Personenkontrolle: 53 Mal
Verdächtige Wahrnehmung: 46 Mal
Tiere: 33 Mal
Diebstahl: 20 Mal
Einbruch: 16 Mal
Streitigkeiten: 14 Mal
Verkehrsunfall: 12 Mal
Sachbeschädigungen: 10 Mal
Anderes: 132 Mal

«Es wäre erstrebenswert, wenn bei jeder Meldung Einsatzkräfte ausrücken könnten», sagt Urs Wigger, Mediensprecher der Luzerner Polizei, der versucht die hohen Fallzahlen zu relativieren: «Wenn wir mehrere Patrouillen bei einem schweren Verkehrsunfall haben, kann es sein, dass wir keine Einsatzkräfte für eine gemeldete Ruhestörung entbehren können», sagt Wigger. «Fälle in denen Leib und Leben bedroht sind, gehen immer vor.»

«Der Beamte, der den Anruf entgegen nimmt, hat eine grosse Verantwortung. Er muss fähig sein, die Lage sofort richtig einzuschätzen.»
Max Hofmann, Generalsekretär Verband Schweizerischer Polizei-Beamter

Also alles einigermassen in Butter? Kantonsrätin Ylfete Fanaj bezweifelt dies: «Wenn die Polizei teilweise auch bei Streitigkeiten und Drohungen nicht mehr ausrücken kann, ist dies erschreckend. In solchen Fällen könnte es zu lebensbedrohlichen Situationen kommen.» 

Auch Max Hofmann, Generalsekretär Verband Schweizerischer Polizei-Beamter (VSPB), macht sich Sorgen. Vor allem, weil auch bei Personen, die als verdächtig gemeldet wurden, nicht immer eine Abklärung vor Ort vorgenommen werden kann. Die Folge: «Der Beamte, der den Entscheid ‹gehen oder nicht gehen› treffen muss, hat eine grosse Verantwortung», sagt Hofmann. «Ob dies der Bürger dann versteht oder akzeptiert, dahinter setze ich ein Fragezeichen.» Dass die Polizei in so vielen Fällen nicht ausrückt, davon hat der Generalsekretär zuvor noch nie gehört.

So handhaben es andere Korps

«Wir rücken immer aus», sagt beispielsweise ein Mediensprecher der Kantonspolizei Zürich. Auch mit dem Sollbestand an Polizisten sei man zufrieden. Und die Kantonspolizei St.Gallen meldet: 2016 sei man höchstens zwei Mal nicht ausgerückt.

Die Kantonspolizei Basel-Landschaft schickt nicht bei jeder Meldung eine Patrouille aus. Es könne vorkommen, dass Anrufer gebeten werden, sich beim Polizeiposten zu melden, gibt Adrian Gaugler Auskunft. «Dies betrifft vor allem Fälle, wo die Täterschaft unbekannt respektive nicht mehr vor Ort ist und kein zeitlicher Druck vorhanden ist.» Eine Statistik darüber wird aber keine geführt. Wie auch in den anderen angefragten Kantonen nicht.

Luzern ist nicht der einzige Kanton, bei dem die Polizei Teil der Sparübung ist. So beschloss der Zuger Kantonsrat Polizeiposten zu schliessen und im Kanton Basel-Landschaft wurde über einen Abbau des Personals diskutiert. Nach grossem Widerstand wurde die Idee wieder fallen gelassen.

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123 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Posersalami
14.09.2017 09:04registriert September 2016
Tja das kommt halt davon, wenn man ums Verrecken die Steuern der Unternehmen senken muss! Dann fehlt halt das Geld..

Gott sei Dank haben wir die USR 3 gebodigt!
11012
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LU90
14.09.2017 08:58registriert März 2016
Tja, und das ist nur eine Folge der Sparpolitik, welche durch die Tiefsteuer-Strategie entsteht. Viele Leute müssen die Prämienverbilligungen zurückbezahlen, die Kultur wird nicht mehr richtig unterstützt, die Polizei hat Ressourcenmangel und und und...
Die Strategie der tiefsten Unternehmenssteuern in der Schweiz ist gescheitert (fast keine neuen Unternehmen sind gekommen) und muss dringend rückgängig gemacht werden, sonst bezahlt die Bevölkerung dafür und die Unternehmen können auf deren Rücken Ihre Kassen füllen.
995
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pun
14.09.2017 08:52registriert Februar 2014
Lustig, dass die bürgerlichen "Law&Ordner"-Parteien mit ihrer desaströsen Tiefsteuerpolitik dafür verantwortlich sind. Unternehmen sind im Zweifelsfall eben doch wichtiger, als die Bürgerinnen und Bürger.
10210
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