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Der Kurssturz: Erklärbär Löpfe beantwortet die naiven Fragen von Wirtschafts-Muffel Toggweiler so, dass es alle verstehen

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Klare Antworten

Der Kurssturz: Erklärbär Löpfe beantwortet die naiven Fragen von Wirtschafts-Muffel Toggweiler so, dass es alle verstehen

16.01.2015, 15:3717.01.2015, 13:13
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Patrick Toggweiler: Was ist passiert? Weshalb die riesige Aufregung? 
Philipp Löpfe: Ein Haufen Leute haben sehr viel Geld verloren.

Wer? Gehöre ich auch dazu?
Vielleicht. Wenn du Aktien hattest, zum Beispiel von Swatch, dann sind diese nun rund 20 Prozent weniger wert.

Zurück zu den Anfängen: Es gibt in der Schweiz eine Nationalbank und die bestimmt den Euro-Kurs ... 
Die Nationalbank hat die Lizenz, Schweizer Franken zu «drucken». Real, also auf dem Papier, oder virtuell, indem sie quasi einfach die Zahl auf dem eigenen Konto erhöht.

Die Nationalbank kann Geld «erfinden»?
Genau.

watson-Wirtschaftsjournalist Philipp Löpfe. Hier kann man ihm folgen.  
watson-Wirtschaftsjournalist Philipp Löpfe. Hier kann man ihm folgen.  Bild: Karl-Heinz Hug

Und wann «erfindet» die Nationalbank Geld?
Sobald sie das Gefühl hat, der Schweizer Franken sei zu stark.

Von wie viel Geld reden wir da?
Im Dezember druckte die Nationalbank ca. 30 Milliarden Franken.

Und was kauft sie damit?
In diesem Fall wurden Euros oder Wertpapiere, welche stark an den Euro gebunden sind, gekauft. Damit wird der Franken geschwächt, der Euro gestärkt und ein Mindestkurs gehalten. Der lag bis gestern bei 1.20 Franken für einen Euro.

Und jetzt hat man den Mindestkurs aufgegeben ...
Genau: Die Nationalbank hat entschieden, dass auch wenn der Kurs unter 1.20 Euro fällt, keine Franken mehr «erfunden» und keine Euros mehr gekauft werden.

Wieso dieser Entscheid? 
Es ist, wie wenn ein Millionär Häuser kauft und realisiert, dass der Wert der Häuser sinkt. Dann kauft er auch keine weiteren Häuser mehr. Das Verlustrisiko wird ihm zu gross.  

Aha Verlustrisiko ... hat die Nationalbank denn schon Geld verloren?
Ja, gestern zum Beispiel 60 Milliarden.

Oha. Und was sind die Auswirkungen der Aufhebung des Mindestkurses auf die Schweiz?
Die Schweiz wurde über Nacht auf einen Schlag 20 Prozent teurer.

Aber nicht, wenn ich in die Migros gehe ... 
Nein, aber im Vergleich zum Ausland.

Also wurde das Ausland für uns auf einen Schlag 20 Prozent billiger.
Der Euroraum, ja.

Tönt ja gar nicht schlecht!
Als Tourist oder als Einkäufer im Grenzgebiet hast du Vorteile. Schlecht ist einfach, wenn du entlassen wirst. Einige Branchen leiden unter dem Entscheid.

Welche Branchen sind das?
Sämtliche Exportbranchen. Die Top-3 davon sind: Die Pharmabranche, die Maschinen- und Uhrenindustrie.

Was ist mit dem Tourismus?
Nochmals: Für alle Touristen aus dem Euro-Raum wurde die Schweiz 20 Prozent teurer – bei derselben Leistung. Das Preis-Leistungsverhältnis wurde also massiv verschlechtert. Besucher werden es sich nun noch genauer überlegen, in die Schweiz zu kommen.

Wie stark wird die Arbeitslosigkeit ansteigen?
Ich glaube, die Nationalbank hat nicht mit einem so grossen Schock gerechnet. Deshalb habe ich schon eine gewisse Angst, dass die Folgen massiv sein könnten.

Deine Prognosen in Zahlen?
Eine Zahl wäre unseriös. Das kann man nicht sagen.

Was ist mit Lehrstellen?
Es besteht die Gefahr, dass, wenn Firmen sparen müssen, sie dann – obwohl es dumm ist – auch weniger Lehrlinge ausbilden.

Wie geht es weiter?
Im Moment herrscht ein riesiges Durcheinander. Es braucht jetzt etwas Zeit, bis sich aus diesem Durcheinander eine neue Ordnung herausschält.

Aber wie diese Ordnung aussieht, ist unklar?
Ein absolutes Horrorszenario wäre, wenn dieses Erdbeben diverse Folgebeben nach sich ziehen würde. Manchmal braucht es nur noch einen Tropfen, um die Weltwirtschaft zu erschüttern – und vielleicht war das gestern dieser Tropfen.

Und wie würde das bestmögliche Szenario aussehen?
Die Hoffnung ist, dass die Halbierung des Ölpreises sich als gigantischer Turbo für die Weltwirtschaft herausstellt – vor allem für Europa. Und dass das dazu führt, dass sich der Euro gegenüber dem Franken erholen würde – und unsere Exportwirtschaft und der Tourismus am Ende mit einem blauen Auge davonkommen.  

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16 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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klugundweise
16.01.2015 16:16registriert Februar 2014
Etwas Gelassenheit ist gefragt es bleibt die Hoffnung auf die Erkenntnis, dass der exponentielle Wachstum auf dem unser Wirtschaftssystem basiert ein trügerischer Irrglaube ist.
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Jol Bear
16.01.2015 15:58registriert Februar 2014
Gut erklärt. Bei der Exportindustrie könnte es so laufen, dass die grossen Pharmakonzerne wie Novartis und Roche oder andere Grosse wie Swatch oder Nestle weniger darunter leiden, weil sie weltweit tätig sind und deshalb viel im Dollar-Raum verkaufen (sofern der $ nicht gleichermassen absackt). Für viele kleinere Unternehmen mit Aufträgen hauptsächlich in den Euroländern könnte es in den nächsten Monaten aber ziemlich unangenehm werden, dann besonders auch betreffend Erhaltung von Arbeitsplätzen.
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