Er finde es «ziemlich grauenhaft, wie die FDP ihre eigene Kandidatin abgeschossen hat»: Jean Christophe Schwaab, SP-Nationalrat aus der Waadt, liess seinem Ärger nach dem entscheidenden zweiten Wahlgang freien Lauf. Isabelle Moret hatte als einzige weibliche Kandidatin nur gerade 28 von 246 Stimmen erhalten. Die FDP, so Schwaabs These, habe Moret fallen gelassen, ja gezielt demontiert.
Schwaab glaubt nicht als einziger an eine Intrige: Die FDP habe nie ein Interesse an einer Bundesrätin Moret gehabt, grollten mehrere Politiker in der Wandelhalle. Die Kandidatur sei für die Partei ein reines Feigenblatt gewesen. In der Folge hätten FDP-Exponenten aktiv versucht, eine Wahl Morets zu verhindern.
Ihren Verdacht begründen die Verfechter der These etwa mit einem Mail-Versand, der zahleiche Parlamentarier kurz vor der Wahl erreichte. Die Nachricht, mit dem Logo der FDP Frauen versehen, rief dazu auf, im Interesse der «Diversität» Ignazio Cassis zu wählen. Doch die Frauensektion der Freisinnigen hatte damit nichts zu tun – sie unterstützt Moret.
Verantwortlich für die «Last-Minute-Attacke» auf Moret war laut «Tages-Anzeiger» Béatrice Acklin, eine Vertraute des ehemaligen FDP-Präsidenten Fulvio Pelli aus dem Tessin.
Weiter sollen auch Parteikollegen dafür verantwortlich gewesen sein, dass Details zum Sorgerechtsstreit des Ehepaars Moret an die Öffentlichkeit gelangten.
Moret selber äussert sich im Gespräch mit watson nur knapp zu den Spekulationen: «Das müssen sie die FDP-Spitze selber fragen», antwortet sie auf die Frage, ob die Parteileitung sie fallen gelassen habe.
FDP-Vizepräsident Andrea Caroni dementiert. «Es ist klar, dass Ignazio Cassis als Tessiner und Fraktionschef für mich und viele andere in der Partei der Favorit war.» Dennoch sei Morets Kandidatur für die Partei kein Feigenblatt gewesen, man habe der Bundesversammlung eine echte Auswahl geboten. Ausgerechnet die Linken, die am lautesten nach einer Frauenkandidatur gerufen hätten, hätten Moret nun aber die Unterstützung verweigert.
«Man könnte sagen: Die Sozialdemokraten haben die Frauen-Kandidatur bestellt und dann weggeworfen», so Caroni. Die FDP habe in jüngster Zeit vier Mal eine Frau nominiert. «Doch die Bundesversammlung wählte sie alle nicht – auch das linke Lager nicht. Da muss man sich schon fragen, wer hier ein Frauenproblem hat.» Tatsächlich kommt allein die SP auf 55 Sitze im Parlament – und damit auf rund doppelt so viele Stimmen, wie Moret Stimmen erhielt.
Auch Doris Fiala, Chefin der FDP-Frauen, sagt: «Anstatt die Jusos BHs verbrennen zu lassen und feministische Parolen zu propagieren, würde ich mir von der SP wünschen, dass sie künftig den Tatbeweis erbringt, wenn man effektiv eine bürgerliche Frau wählen kann.»
Fiala betont, mit ihrer Kandidatur habe Isabelle Moret gesellschaftspolitisch Geschichte geschrieben: «Erstmals hat eine getrennt lebende Frau mit schulpflichtigen Kindern für den Bundesrat kandidiert.» Das Wahlresultat habe man sich so sicher nicht gewünscht. Wenn man sich einem Wettbewerb stelle, sei jedoch klar, «dass von drei Kandidaten zwei auf der Strecke bleiben».
Für andere Freisinnige, die nicht namentlich genannt werden wollen, liegt die Ursache für Morets krachende Niederlage allerdings auf der Hand. Mit ihrer schwachen Kampagne sei sie selber dafür verantwortlich gewesen: «Es musste sie gar niemand demontieren, das hat sie gleich selber gemacht», bemerkt ein Parteikollege hämisch.
Die FDP Frauen haben bereits angekündigt, bei der nächsten Vakanz – also bei einem Rücktritt von Johann Schneider-Ammann – ein reines Frauenticket zu verlangen. So soll es endlich klappen mit der ersten freisinnigen Bundesrätin nach bald 30 Jahren. Fiala räumt jedoch ein, dass dafür bei den männlichen Kollegen wohl noch einiges an Überzeugungsarbeit nötig sein werde. Zudem müssten sich auch genügend Frauen zur Verfügung stellen.
Als potenzielle Nachfolgerinnen von Schneider-Ammann sehen die FDP Frauen etwa Ständerätin Karin Keller-Sutter, Parteipräsidentin Petra Gössi oder Nationalrätin Christa Markwalder.
Fiala appelliert an die anderen Parteien, die Frauenförderung ebenfalls an die Hand zu nehmen. «Es wäre für viele Frauen der Schweiz unverständlich, wenn nach dem Rücktritt von Doris Leuthard nur noch eine Frau in der Landesregierung verbliebe.» CVP-Präsident Gerhard Pfister ist sich dieser Problematik offensichtlich bewusst. Im Interview mit SRF signalisierte er, dass eine Frau auf dem Ticket aus seiner Sicht heutzutage eine Selbstverständlichkeit sei.