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So viel sacken Schweizer Parlamentarier wirklich an Spesen ein

Parlamentarier und Lobbyisten diskutieren auf dem Balkon vor der Wandelhalle, am Donnerstag, 19. Maerz 2015, waehrend der Fruehlingssession der Eidgenoessischen Raete in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer ...
Parlamentarier und Lobbyisten diskutieren auf dem Balkon vor der Wandelhalle.Bild: KEYSTONE

So viel sacken Schweizer Parlamentarier wirklich an Spesen ein

Ein Facebook-Streit lancierte die Debatte um Parlamentarier-Entschädigungen neu. Ausgerechnet jetzt liefern Genfer Forscher neue Zahlen zum Thema. Diese zeigen: Oft verwenden die Politiker die Essens- und Übernachtungspauschalen nicht, wofür sie eigentlich vorgesehen wären.
23.05.2017, 10:3923.05.2017, 19:52
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Ist es richtig, dass Parlamentarier eine Übernachtungspauschale beziehen, selbst wenn sie zu Hause schlafen? Ein Facebook-Streit zwischen Jonas Fricker (Grüne) und Andreas Glarner (SVP) hat eine alte Debatte neu entfacht.

Zusätzlichen Zündstoff liefert nun eine Studie von Forschern der Universität Genf. Diese haben das Portemonnaie unserer Bundesparlamentarier im Auftrag des Bundes durchleuchtet. Am Dienstagmorgen haben die Autoren die Resultate zusammen mit einem Vertreter der Parlamentsdienste in Bern präsentiert. Das sind die spannendsten Zahlen.

9599 Franken

bezieht ein Parlamentarier pro Jahr im Mittel* für Übernachtungen im Inland. Wie das Autorenteam um Professor Pascal Sciarini ermittelt hat, übernachtet allerdings nur die Hälfte der Ratsmitglieder während der Session «immer» auswärts. In der anderen Hälfte gibt es solche, die «nie» oder höchstens einmal pro Woche in Bern schlafen. Wie viele von ihnen dennoch eine Übernachtungspauschale von 180 Franken pro Nacht beziehen, geht aus der Studie nicht hervor. Die Autoren schreiben jedoch, die meisten Ratsmitglieder erhielten «mehr Übernachtungsentschädigungen, als sie effektiv ausgeben». Sie erwirtschafteten mit der Pauschale also ein «indirektes Einkommen». 

Während der Session schlafen die Politiker häufiger in Bern als zwischen zwei Kommissionssitzungen. 
Während der Session schlafen die Politiker häufiger in Bern als zwischen zwei Kommissionssitzungen. quelle: universität genf

115 Franken

Verpflegungsgeld haben die Parlamentarier für jeden Sitzungstag zugute. Unter den Volksvertretern scheinen sich anspruchslose Esser zu befinden, aber auch echte Gourmets: Während manche mit 40 Franken pro Tag durchkommen, geben andere nach eigenen Angaben pro Tag bis zu 210 Franken für Mahlzeiten aus. Wie bei den Übernachtungen bleibt den meisten Parlamentariern am Ende des Tages etwas übrig von der Pauschale – vor allem während der Session, weil dann zahlreiche Apéros und Einladungen winken. 43 Franken kann das durchschnittliche Ratsmitglied dann quasi als Sackgeld einstreichen, hat das Autorenteam errechnet. Total bezieht ein durchschnittlicher Bundesparlamentarier 10’218 Franken an Mahlzeitenentschädigungen pro Jahr.

Sandwiches in the cafeteria of the "Galerie des Alpes" in the Swiss federal parliament building in Berne, Switzerland, pictured on February 24, 2009. (KEYSTONE/Gaetan Bally)

Broetchen in de ...
Sandwiches im Restaurant Galerie des Alpes im Bundeshaus.Bild: KEYSTONE

4640 Franken

ist das SBB-Generalabonnement der 1. Klasse wert, das jeder Bundesparlamentarier zugute hat. Alternativ können sich die Politiker den Betrag auch auszahlen lassen. Darauf verzichten will offensichtlich praktisch niemand: Im Schnitt veranschlagen die Autoren 4572 Franken Reisekosten pro Bundespolitiker. Wer für die Reise vom Wohnort nach Bundesbern mehr als eineinhalb Stunden benötigt, bekommt zudem eine Distanzentschädigung von 7.50 Franken für jede weitere Viertelstunde. Auslandreisen schlagen jährlich mit 6286 Franken pro Ratsmitglied zu Buche. Wie aus der Aufstellung in der Studie hervorgeht, lässt sich jedes Ratsmitglied jährlich zudem 147 Franken für Parkgebühren zurückerstatten – auch Kleinvieh macht Mist.

ZUM PROGRAMMPUNKT REGIONALER PERSONENVERKEHR IN DER SONDERSESSION DES NATIONALRATS VOM 2. - 4. MAI 2017, STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG -Eine Frau steigt in einen Zug am Zueri ...
Bild: KEYSTONE

152’094 Franken

kostet ein Durchschnitts-Parlamentarier den Bund total jährlich. Im Betrag enthalten sind

  • ein fixes Jahreseinkommen von 26’000 Franken
  • Taggelder von 41’101 Franken
  • Entschädigungen für Sonderfunktionen (z.B. Kommissionspräsidium) in der Höhe von 2827 Franken
  • Betrag zur Anstellung eines persönlichen Mitarbeiters: 33'000 Franken
  • Mahlzeitenentschädigungen von 10'218 Franken
  • Übernachtungsentschädigungen für 9599 Franken
  • Reisen im In- und Ausland sowie weitere Zulagen für 11'180 Franken
  • Familienzulagen und andere Entgelte für 1542 Franken
  • Vorsorge- und Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von 13'858 Franken

Im Ständerat liegen die Gesamtkosten dabei leicht höher als im Nationalrat – hauptsächlich, weil die Mitglieder in mehr Kommissionen sitzen.

Nationalraete stimmen ab an der Fruehlingssession der Eidgenoessischen Raete, am Montag, 6. Maerz 2017 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Nationalräte während der Frühlingssession 2017.Bild: KEYSTONE

500 Stunden

wendet das durchschnittliche Ratsmitglied jährlich für die parlamentarische Arbeit auf. Wird die Zeit für die Sitzungsvorbereitung hinzugerechnet, sind es über 1000 Stunden pro Jahr. Umgerechnet auf einen normalen Job entspricht dies übers Jahr gesehen einem Pensum von 50 Prozent, wie die Studienautoren schreiben. Dazu kommt allerdings noch die Zeit, die für den Kontakt mit der Wählerschaft, den Medien oder für Parteisitzungen aufgewendet wird. Solche Aktivitäten einberechnet, kommen die Ständeräte auf ein Pensum von 71 Prozent – und die Nationalräte sogar auf 87 Prozent.

Matthias Aebischer (SP-BE) telefoniert in der Wandelhalle waehrend der Sondersession im Nationalrat, am Dienstag, 2. Mai 2017 in Bern. (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Vorbereitung, Interviews, Voten im Rat: Parlamentarier haben nicht nur während der Session alle Hände voll zu tun. Im Bild: Matthias Aebischer (SP)Bild: KEYSTONE

93 Franken

beträgt der Stundenlohn eines Nationalrats laut den Forschern umgerechnet – vor Steuern und ohne Berücksichtigung des Arbeitsaufwands für die oben genannten Tätigkeiten wie Wählerkontakt oder Parteisitzungen. Bei Parlamentariern, die einen persönlichen Mitarbeiter beschäftigen, sinkt dieser Betrag allerdings deutlich – auf 65 Franken pro Stunde. Im Ständerat liegt der Betrag wiederum leicht höher als im Nationalrat. Damit verdienen die Bundespolitiker etwas mehr als ein durchschnittliches Kadermitglied in der Privatwirtschaft. Am ehesten ist ihr Stundenlohn mit dem eines Geschäftsführers eines Kleinunternehmens im IT-Bereich vergleichbar, wie die Autoren berechnet haben.

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quelle: universität genf

73 Prozent

der Politiker halten ihre Bezüge im Allgemeinen für angebracht. Jeder Fünfte ist der Meinung, die Entschädigungen für Ratsmitglieder seien zu niedrig. Fünf Prozent halten sie für zu hoch. Werden die einzelnen Entschädigungen im Detail angeschaut, sind die National- und Ständeräte vor allem mit dem Vorsorgebeitrag unzufrieden: Fast sechs von zehn halten diesen für zu niedrig. Auch die 33’000 Franken, die jedem Ratsmitglied zur Beschäftigung eines persönlichen Mitarbeiters zur Verfügung stehen («Beitrag zur Deckung der Personal- und Sachausgaben»), erscheint vielen als ungenügend. Das grösste Sparpotenzial orten die Politiker noch bei den Mahlzeiten- und Distanzentschädigungen.

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quelle: universität bern

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30 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Chris.
23.05.2017 11:02registriert Februar 2017
Wo kriegt man ein 1. Klasse-GA für 4640 Franken? Will auch so eines... Für mich kostet das gemäss SBB Homepage 6300 Franken :-(
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bcZcity
23.05.2017 15:02registriert November 2016
Man würde besser mal die Verwaltungsratsmandate beleuchten welche mancher Parlamentarier noch in der Tasche hat.

Da wird oft abkassiert ohne eine wirkliche Leistung zu erbringen. Martin Bäumle von der GLP ist z.b so ein Fall, da er in diversen Verwaltungsräten drin ist.

Nicht dass die alle nur den Finger im A haben und den Zahltag kassieren, aber man sollte es schon ansprechen wie es ein Politiker neben seiner "Arbeit" noch schafft sich dort produktiv einzubringen.

Aber "Schoggi-Jobs" gibt es ja nicht nur in der Politik......von daher.....
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walsi
23.05.2017 12:03registriert Februar 2016
Dazu kommen noch die Honorare für die verschiedenen Mandate, welche sie ohne ihren Sitz im Parlament nicht erhalten hätten.
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