Ist es richtig, dass Parlamentarier eine Übernachtungspauschale beziehen, selbst wenn sie zu Hause schlafen? Ein Facebook-Streit zwischen Jonas Fricker (Grüne) und Andreas Glarner (SVP) hat eine alte Debatte neu entfacht.
Zusätzlichen Zündstoff liefert nun eine Studie von Forschern der Universität Genf. Diese haben das Portemonnaie unserer Bundesparlamentarier im Auftrag des Bundes durchleuchtet. Am Dienstagmorgen haben die Autoren die Resultate zusammen mit einem Vertreter der Parlamentsdienste in Bern präsentiert. Das sind die spannendsten Zahlen.
bezieht ein Parlamentarier pro Jahr im Mittel* für Übernachtungen im Inland. Wie das Autorenteam um Professor Pascal Sciarini ermittelt hat, übernachtet allerdings nur die Hälfte der Ratsmitglieder während der Session «immer» auswärts. In der anderen Hälfte gibt es solche, die «nie» oder höchstens einmal pro Woche in Bern schlafen. Wie viele von ihnen dennoch eine Übernachtungspauschale von 180 Franken pro Nacht beziehen, geht aus der Studie nicht hervor. Die Autoren schreiben jedoch, die meisten Ratsmitglieder erhielten «mehr Übernachtungsentschädigungen, als sie effektiv ausgeben». Sie erwirtschafteten mit der Pauschale also ein «indirektes Einkommen».
Verpflegungsgeld haben die Parlamentarier für jeden Sitzungstag zugute. Unter den Volksvertretern scheinen sich anspruchslose Esser zu befinden, aber auch echte Gourmets: Während manche mit 40 Franken pro Tag durchkommen, geben andere nach eigenen Angaben pro Tag bis zu 210 Franken für Mahlzeiten aus. Wie bei den Übernachtungen bleibt den meisten Parlamentariern am Ende des Tages etwas übrig von der Pauschale – vor allem während der Session, weil dann zahlreiche Apéros und Einladungen winken. 43 Franken kann das durchschnittliche Ratsmitglied dann quasi als Sackgeld einstreichen, hat das Autorenteam errechnet. Total bezieht ein durchschnittlicher Bundesparlamentarier 10’218 Franken an Mahlzeitenentschädigungen pro Jahr.
ist das SBB-Generalabonnement der 1. Klasse wert, das jeder Bundesparlamentarier zugute hat. Alternativ können sich die Politiker den Betrag auch auszahlen lassen. Darauf verzichten will offensichtlich praktisch niemand: Im Schnitt veranschlagen die Autoren 4572 Franken Reisekosten pro Bundespolitiker. Wer für die Reise vom Wohnort nach Bundesbern mehr als eineinhalb Stunden benötigt, bekommt zudem eine Distanzentschädigung von 7.50 Franken für jede weitere Viertelstunde. Auslandreisen schlagen jährlich mit 6286 Franken pro Ratsmitglied zu Buche. Wie aus der Aufstellung in der Studie hervorgeht, lässt sich jedes Ratsmitglied jährlich zudem 147 Franken für Parkgebühren zurückerstatten – auch Kleinvieh macht Mist.
kostet ein Durchschnitts-Parlamentarier den Bund total jährlich. Im Betrag enthalten sind
Im Ständerat liegen die Gesamtkosten dabei leicht höher als im Nationalrat – hauptsächlich, weil die Mitglieder in mehr Kommissionen sitzen.
wendet das durchschnittliche Ratsmitglied jährlich für die parlamentarische Arbeit auf. Wird die Zeit für die Sitzungsvorbereitung hinzugerechnet, sind es über 1000 Stunden pro Jahr. Umgerechnet auf einen normalen Job entspricht dies übers Jahr gesehen einem Pensum von 50 Prozent, wie die Studienautoren schreiben. Dazu kommt allerdings noch die Zeit, die für den Kontakt mit der Wählerschaft, den Medien oder für Parteisitzungen aufgewendet wird. Solche Aktivitäten einberechnet, kommen die Ständeräte auf ein Pensum von 71 Prozent – und die Nationalräte sogar auf 87 Prozent.
beträgt der Stundenlohn eines Nationalrats laut den Forschern umgerechnet – vor Steuern und ohne Berücksichtigung des Arbeitsaufwands für die oben genannten Tätigkeiten wie Wählerkontakt oder Parteisitzungen. Bei Parlamentariern, die einen persönlichen Mitarbeiter beschäftigen, sinkt dieser Betrag allerdings deutlich – auf 65 Franken pro Stunde. Im Ständerat liegt der Betrag wiederum leicht höher als im Nationalrat. Damit verdienen die Bundespolitiker etwas mehr als ein durchschnittliches Kadermitglied in der Privatwirtschaft. Am ehesten ist ihr Stundenlohn mit dem eines Geschäftsführers eines Kleinunternehmens im IT-Bereich vergleichbar, wie die Autoren berechnet haben.
der Politiker halten ihre Bezüge im Allgemeinen für angebracht. Jeder Fünfte ist der Meinung, die Entschädigungen für Ratsmitglieder seien zu niedrig. Fünf Prozent halten sie für zu hoch. Werden die einzelnen Entschädigungen im Detail angeschaut, sind die National- und Ständeräte vor allem mit dem Vorsorgebeitrag unzufrieden: Fast sechs von zehn halten diesen für zu niedrig. Auch die 33’000 Franken, die jedem Ratsmitglied zur Beschäftigung eines persönlichen Mitarbeiters zur Verfügung stehen («Beitrag zur Deckung der Personal- und Sachausgaben»), erscheint vielen als ungenügend. Das grösste Sparpotenzial orten die Politiker noch bei den Mahlzeiten- und Distanzentschädigungen.