Neuste Befragungen haben ergeben, dass 60 Prozent der US-Bürger das Recht auf gleichgeschlechtliche Heirat befürworten. So hoch lag dieser Wert noch nie. Fast zeitgleich löst eine deutsche Journalistin einen Shitstorm aus, weil sie in ihrer Kolumne homophobe Züge mehr als durchschimmern lässt. Und in der Schweiz hat das Bundesgericht heute beschlossen, dass ein Kind keine zwei Väter haben darf.
Die Rechte von homosexuellen Paaren sind aktuell heiss umstritten. Soziologin Michaela Thönnes erklärt, wie die grossen Unterschiede zwischen den Ländern zustande kommen.
Eine deutsche Journalistin hat diese Woche mit einer homophoben Äusserung für Aufruhr gesorgt. Sollten nicht gerade einflussreiche Länder wie Deutschland eine Vorbildfunktion einnehmen?
Michaela Thönnes: Das wäre absolut wünschenswert. Deutschland ist so weit entwickelt und durch die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe hätte das Land keinerlei Nachteile. In vielen Kreisen wäre die Akzeptanz wahrscheinlich sogar sehr gross. Aber es ist eben immer davon abhängig, welche Interessenverbände sich durchsetzen. Ich verstehe einfach nicht, warum man sich immer noch so schwer damit tut. Das klassische Bild von Mutter-Vater-Kind ist doch ohnehin längst überholt, auch dank Patchworkfamilien.
Warum sind manche Gesellschaften beim Thema Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe so viel weiter als andere?
Weil es davon abhängt, inwieweit die Menschen in der Lage sind, von einem fixen Schema abzukommen. Die Offenheit spielt eine grosse Rolle.
Was meinen Sie mit Schema?
Wir Menschen handeln nach gewissen Regeln und überprüfen anhand der Reaktionen von Personen, die wir schätzen, ob das, was wir tun, richtig oder falsch ist. Wir wollen uns immer definieren und positionieren. Damit uns das gelingt, orientieren wir uns an bestehenden Schemata. Und ein solches ist beispielsweise die Ehe zwischen Mann und Frau. Das ist historisch bedingt. Obwohl es Homosexualität schon immer gab, so ist es trotzdem die heterosexuelle Partnerschaft, welche von den Staaten anerkannt und damit auch gefördert wurde.
Und darum ist es so schwer, das Schema aufzulösen?
Ganz genau. Menschen wollen immer eine gewisse Regelmässigkeit schaffen. Und wenn etwas anders ist, dann sorgt das erst einmal für Irritation und Verunsicherung. Reagieren kann man dann entweder mit Akzeptanz oder im anderen Extrem mit dem Versuch, dafür zu sorgen, dass der Grund für die Irritation nicht mehr auftritt. Darum wurden und werden Homosexuelle bis heute teilweise noch immer verfolgt.
Der Einfluss der Kirche erscheint im ersten Moment naheliegend. Spanien ist jedoch ein Paradebeispiel für das Gegenteil. Es handelt sich zwar um ein sehr katholisches Land, die gleichgeschlechtliche Ehe ist aber anerkannt.
Ja, das politische System ist dort stark säkularisiert, also entkirchlicht. Entscheidend ist aber vor allem, dass die Homosexuellen dort eine grosse Lobby haben, die sich stark engagiert. Möglicherweise spielt dort aber auch die jüngere politische Vergangenheit eine Rolle.
Die Finanzkrise?
Nein. Die Zeit der Franco-Diktatur reichte noch bis in die 1970er-Jahre. Dass die Spanier eine Verfassung begründet haben, die sich zu Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichheit und politischem Pluralismus bekennt, scheint der Bevölkerung allgemein bewusster. Entsprechend besteht bei den Spaniern möglicherweise bis heute ein grösserer Drang nach Demokratisierung und Gleichberechtigung.
Warum wollen die Homosexuellen überhaupt eine so erzkatholische Konstitution wie die Ehe übernehmen, statt für zeitgemässe, gleichberechtigte und staatlich anerkannte Beziehungsformen zu kämpfen?
Weil die Gesellschaft nun mal so funktioniert wie sie funktioniert. Die Ehe schafft juristische Grundvoraussetzungen, von denen Unverheiratete ausgeschlossen sind – im finanziellen Bereich, oder wenn es zum Beispiel um das Adoptieren von Kindern geht. Auch wenn es in der Subkultur sicher Diskussionen darüber gibt, besser gleich ein ganz anderes System zu schaffen, so geht es Homosexuellen im Wesentlichen darum, dieselben Möglichkeiten wie alle anderen zu bekommen. Die Anerkennung der Ehe wäre sozusagen der einfachste Weg, um überhaupt etwas erreichen zu können.
Also geht es ihnen nicht einfach nur ums Prinzip.
Manchen vielleicht schon. Sie wollen einfach «echte» Gleichberechtigung. Denn bei heterosexuellen Paaren hat die Ehe ja auch eine gewisse Bedeutung, einen anderen Status. Und diese «Anerkennung» oder «Bestätigung» wollen homosexuelle Paare auch geniessen können.
In den USA werden es immer mehr Staaten, die die gleichgeschlechtliche Ehe anerkennen. Glauben Sie, dass dies bald für die gesamten USA gelten wird?
Wenn ich mir die Bewegung und die Subkultur dort anschaue, dann glaube ich schon daran. Sie haben begriffen, dass man nicht aufgeben darf. Die Olympischen Spiele in Sotschi haben gezeigt, wie Putin mit den Homosexuellen umgeht. Und das hat die Leute nochmal wachgerüttelt. Nur weil die Zeiten der Diskriminierung, wie sie bis in den 1980er-Jahren stattgefunden hat, vorbei sind, ist die Gleichberechtigung noch lange nicht erreicht. Es kann auch sein, dass das Gegenteil passiert.
Ein Gegentrend? Eine Abkehr von der Homo-Ehe?
Ja. Wann immer eine Bewegung erfolgreich ist, ruft das auch wieder die Gegner verstärkt auf den Plan. Es könnte also sein, dass das Durchsetzen der gleichgeschlechtlichen Ehe in vielen US-Bundesstaaten irgendwann eine Welle in die andere Richtung auslöst. Es ist schwer, eine Prognose aufzustellen. Aber eigentlich bin ich optimistisch. In den USA entstehen immer mehr Bilder, die vom gewohnten Klischee abweichen. Die zahlreichen Coming-Outs wichtiger Persönlichkeiten Hollywoods spielen da auch eine wichtige Rolle.
Und wie steht es um die flächendeckende Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe in Europa?
Eigentlich wäre der Entwicklungsbedarf in anderen Teilschritten viel wichtiger. Gleichberechtigung im Bereich des Adoptions-, Steuer- und Erbrechts wäre beispielsweise wünschenswert. Ob und wann ganz Europa in diesen Bereichen so weit sein wird, ist schwer zu sagen. Wenn die Entwicklung so voranschreitet wie in den letzten 10 bis 15 Jahren, dann sind wir wiederum in 10 Jahren vielleicht schon so weit. Im Moment sind die Unterschiede aber wirklich noch immens – wenn man auf der einen Seite Länder wie Spanien und auf der anderen solche wie Polen hat.
Warum gerade Polen?
Die Gruppe derer, die sich für die Gleichberechtigung einsetzen, wächst zwar auch dort stetig, Homosexuelle werden in Polen aber dennoch bis heute stark unterdrückt.
Warum gibt es in der Schweiz nur die «anerkannte Partnerschaft»?
Weil die anerkannte Ehe hier bisweilen wohl nicht als notwendig angesehen wurde. Und weil es offenbar noch nicht genug Leute gab, die sich dafür einsetzen wollten.
Was muss sich hier ändern?
Es müssen noch mehr Menschen in die Öffentlichkeit gehen und Bilder schaffen, damit die alten Schemata endlich aufgelöst werden können. Und es braucht auch die Medien – denn auch da wird sich noch immer gerne alter Klischees bedient.
Haben Sie da konkrete Erfahrungen gemacht?
Ja, ich habe mal einen Artikel gelesen, in dem es um die Eröffnung eines Altenheims für Homosexuelle ging. Der Text war eigentlich okay, aber gleich im Einstieg des Artikels ging es erstmal um die Vorliebe des vorgestellten Seniorenpaars für Fetisch. Und das ist einfach eine Übersexualisierung der Thematik und da rutscht das Ganze dann auch schnell mal unter die Gürtellinie.
-Was sind denn die grossen Unterschiede ausser dass Heteros wie ich uns ohne Hilfe reproduzieren können?
Ich meine das was ich oben geschrieben habe nicht als Provokation, sondern als Frage um anderstdenkende Menschen besser zu verstehen.
Es werden ja nicht mehr sondern nur die gleichen Rechte verlangt. Dadurch rennen ja nicht bald genmanipulierte schwangere Männer rum sondern höchstens 2 Männer die ein Kind adoptieren (mit den selben harten Adoptionsbedingungen wie bei einem Heterosex. Paar).
Über die Leihmutterschaft kann und sollte man diskutieren - ich selbst bin dagegen weil ich darin eine Ausbeutung der Frau sehe - dass heisst jedoch trotzdem nicht das ich es verboten sehen möchte. Es sollte jeder selbst entscheiden können ob und wie er sein Leben führen möchte.