Schweiz
Literatur

Günter Struchens bescheuerte Briefe an Politiker und Behörden

Die neuste Ausgeburt vom Briefe schreibenden Meeresbiologen Günter Struchen.
bild: facebook/günterstruchen

«Herr Blocher, zeichnen Sie mir ein Schnäggli?» Das neue Buch von Struchen ist da – randvoll mit bescheuerten Briefen

Der Lead ist leider zu kurz, um dieses Phantasie-Monster Günter Struchen und dessen wahnwitziges Brief-Buch «Fertig Robidog!» sinnvoll zu umreissen. Darum bitte ich euch innigst, lest einfach das, was darunter kommt. 
19.11.2015, 14:2820.11.2015, 08:16
Mehr «Schweiz»

Günter Struchen schreibt «primär humorvolle bis ordentlich bescheuerte» Briefe. An Christoph Blocher zum Beispiel, mit der Bitte, er solle ihm ein Schnäggli zeichnen. Er hat's gemacht. Christophe Darbellay schlägt er vor, sich doch endlich zum König krönen zu lassen. Er hat's nicht gemacht. Struchen schreibt Institutionen und Behörden mit den sonderbarsten Bitten an, und beklagt sich bei Camille Bloch, dass im letzten Drittel seines verspeisten Ragusas null Haselnüsse drin waren. 

Der Brief an Chris von Rohr.
Der Brief an Chris von Rohr.
bild: fertig robidog!

Er hat auf viele seiner Briefe Antworten gekriegt. Aus dem Ganzen hat Struchen jetzt ein Buch gemacht, das da heisst: «Fertig Robidog! Der Hund, der nicht mehr wollte, dass man seinen Gagu aufwischt». Das klingt nach Revolution. Nun. Es ist Revolution. Und gemäss dessen Illustrator Jerzovskaja ist es die hochwertigste Scheisshauslektüre, die der Planet seit der Geburt Roger Köppels zu Gesicht bekommen hat. Damit hat er so recht, rechter kann man überhaupt nicht haben. 

Günter Struchen – «Fertig Robidog!»
Das neue Buch von Flavio Carrera alias Günter Struchen versammelt die 128 besten Briefwechsel aus fünf Jahren sinnwidriger Korrespondenz mit der Kinderkrippe Zipfelmütze Zürich, dem Amt für Denkmalschutz in Bern, der Pferdeversicherungs-Genossenschaft Wigoltingen, der Pilzkontrolle Thun, der Verwaltungspolizei von Hinterpfupfikon, und und und. Das äussere Erscheinungsbild des Buches ist ebenso beachtlich wie sein Inhalt: «Die Materialien sind hochkarätig, die Gestaltung harmonisch, der Siebdruck auf dem Cover vom Feinsten, das Papier wohlduftend.» Letzteres stimmt allerdings nicht. Nur alte Bücher riechen gut. Dafür ist es wirklich sehr lustig.  
«Fertig Robidog!» kommt heute bei Schlafwandler.ch heraus und kostet  23.90 Fr. Die Buchtaufe findet ebenfalls heute statt und zwar im Mundwerk in Thun, an der Oberen Hauptgasse 49.

Wer ist Günter Struchen? Und wenn ja, wie viele? 

In der Vermittlungsposition, in der man sich als Medium befindet, ist man verpflichtet, die Wahrheit zu sagen. Auch wenn es mich in diesem Falle sehr schade dünkt, weil es ein bisschen eine Phantasie-Mörderei ist. Aber gut. Ich werde meiner Pflicht natürlich nachkommen, und euch verraten, dass es Günter Struchen gar nicht richtig gibt. Dafür existiert sein Schöpfer. Er heisst Flavio Carrera, ist 28 Jahre alt und hat irgendetwas mit Philosophie zu tun. Die Schweizer Armee hat ihn für untauglich befunden. Die Ärztin hat ihm eine Glockenkurve unter die Nase gehalten und ihm gesagt, sein IQ befände sich am linken Rand, knapp über dem vom Bonobo. Er war also zu blöd fürs Militär. 

Waldszene mit Günter Strucher.
bild: jan stoller

Und wahrscheinlich weil so ganz ohne Militär schon etwas im Leben fehlen muss, hat Flavio irgendwann den Günter Struchen erfunden. Ein an der Realität zerbrochener, eidgenössisch diplomierter Meeresbiologe. Er hat sich nämlich das Dasein als solcher derart vorgestellt: Stundenlanges Herumschwimmen mit Delfinen und Wasserschildkröten auf den Galapagos-Inseln. In Tat und Wahrheit hat er die Sterilität von Bachforellenmännchen in den Gebirgsflüssen des Berner Oberlandes untersucht. Und selbst das nur für zwei Monate. Weil Herr Struchen gar keine Bachforellenmännchen gesehen hat.

Die sehr blinde Bewerbung bei Burger Maschinenbau.
Die sehr blinde Bewerbung bei Burger Maschinenbau.
bild: fertig robidog!

Darum schreibt Herr Struchen jetzt professionell Briefe. Die Frage nach dem Warum ist allerdings schwierig zu beantworten, weil er lügt wie gedruckt. In Interviews und auch ganz allgemein. Herr Struchen hat darum jedem Fragenden eine andere Version aufgetischt. Als Experiment, wie er sagt, das folgender Problematik auf den Grund zu gehen versucht: Wie viel Widerspruch erträgt die Gesellschaft? 

Der Brief an die SBB.
Der Brief an die SBB.
bild: fertig robidog!

Wer jetzt denkt, dass da in Herr Struchens Kindheit etwas falsch gelaufen sein muss, dem muss man sagen: Im Grossen und Ganzen war er ein glückliches Kind. Er sprach mit Bäumen, vorzugsweise mit Linden, und streichelte sanft deren Rinde. Es gab sogar eine Zeit, in der er sich immer wieder überraschend umdrehte, weil er die Welt beim Nicht-Existieren erwischen wollte. Das gelang Klein-Struchen zwar nicht, aber dafür hat er den besten Schärischnitt der ganzen Primarschule Urnäsch gemacht. Obwohl hier nicht ganz sicher ist, ob dieser Erfolg nicht eher auf das Konto von Flavio Carrera geht. Aber die beiden sind sowieso schon lange miteinander verschmolzen. 

Er tippt und tippt und verdient dabei rein gar nichts: Günter Struchen.
Er tippt und tippt und verdient dabei rein gar nichts: Günter Struchen.
bild: schlafwandler.ch

Die Schlafwandler-Agentur macht hauptsächlich Verluste – und ist sehr stolz drauf 

«Fertig Robidog!» kommt bei Schlafwandler.ch heraus. Die Agentur kümmert sich um den Verkauf der Struchen-Schriftstücke und Modeaccesoires. «Des Weiteren begleicht sie jährlich die schwindelerregenden Defizite der Struchn Fäschn Ungerhosi & Mode X Ce Soirs GmbH», steht auf der Homepage. 

Gewinne will Schalfwandler.ch ganz bewusst nicht machen, weil sie nicht nach den gemeinen Regeln der Marktwirtschaft tanzen mag. 

«Täte Schlafwandler.ch einmal Gewinn erzielen, würden wir uns umgehend ordentlich hintersinnen und teurere Bücher produzieren. Oder eine neue Kafimaschine anschaffen. Oder eine Märklineisenbahn.»

Der Vorteil für die Leser bestehe nun darin, dass den Schlafwandler-Typen das Preis-Leistungs-Verhältnis hochkantig egal ist. Sie wollen nämlich einfach nur sauglatte Bücher unter die Menschen bringen. Und das tun sie. 

Und zum Schluss: Der Brief an die Brauerei Eichhof.
Und zum Schluss: Der Brief an die Brauerei Eichhof.
bild: fertig robidog

Mehr Bücher und Menschen, die du ums Verrecken kennen musst:

Alle Storys anzeigen

Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!

  • watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
  • Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
  • Blick: 3 von 5 Sternchen
  • 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen

Du willst nur das Beste? Voilà:

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
15 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
sapperlord
19.11.2015 14:59registriert September 2015
Perfektes Weihnachtsgeschenk!
370
Melden
Zum Kommentar
avatar
hektor7
19.11.2015 15:21registriert August 2014
...
«Herr Blocher, zeichnen Sie mir ein Schnäggli?» Das neue Buch von Struchen ist da – randvoll mit bescheuerten Briefen
...
330
Melden
Zum Kommentar
avatar
Can
19.11.2015 14:46registriert Januar 2014
Sie losen Sie einmal, es ist eben so: Ich will diesen Günther heiraten. Und alle antwortenden guten Seelen dazu!
230
Melden
Zum Kommentar
15
Er ist Secondo, Hauptmann und Filmemacher – und würde sofort für die Schweiz sterben
Luka Popadić ist Filmemacher und Offizier in der Schweizer Armee. Er würde sein Leben für die Schweiz geben. Aber er prangert auch ihre Missstände – die er als serbischer Secondo sieht – an. In seinem neuen Film behandelt er genau diesen Zwiespalt.

«Echte Schweizer» – so heisst Luka Popadićs Dokumentarfilm, der nächste Woche in die Schweizer Kinos kommt. Acht Jahre gingen die Arbeiten für den Film. Darin setzt er sich mit der Frage auseinander, was es bedeutet, ein «echter Schweizer» zu sein – und im Kontext der Schweizer Armee.

Zur Story