Weisst du, was eine «Blatta orientalis» ist? Und worum es sich bei «Excrementum caninum» handelt? Beide kommen als Inhaltsstoffe in gewissen homöopathischen Heilmitteln vor. Hinter dem ersten Begriff verbirgt sich die Gemeine Küchenschabe, hinter dem zweiten nichts anderes als Hundekot.
Geht es nach der deutschen CDU, der Partei von Bundeskanzlerin Angela Merkel, soll sich dies den Konsumenten in Deutschland künftig auf den ersten Blick erschliessen. Die Partei verlangt eine «klare und verständliche Kennzeichnung homöopathischer Mittel», wie sie in Pressemitteilung schreibt, die sie Anfang Woche veröffentlicht hat.
Konsumenten erwarteten heute in allen Lebensbereichen verständliche Informationen – vom Frühstück bis zum Mietvertrag, lässt sich die Konsumentenschutz-Verantwortliche der CDU-Bundestagsfraktion, Mechthild Heil, zitieren. Dass homöopathische Mittel heute oft nur auf Latein angeschrieben seien, sei «nicht zeitgemäss», so die Politikerin, die sich bereits früher öffentlich an den «abenteuerlichen» Inhaltsstoffen solcher Produkte gestört hat.
Auch in der Schweiz müssen die Inhaltsstoffe homöopathischer Produkte lediglich mit den Namen angeschrieben sein, die in der homöopathischen oder anthroposophischen Fachliteratur gebräuchlich sind. Vorschriften für Übersetzungen ins Deutsche gebe es nicht, sagt Lukas Jaggi, Sprecher des Schweizerischen Heilmittelinstituts Swissmedic, auf Anfrage.
Immunologe Beda Stadler ist einer der profiliertesten Kritiker der Komplementärmedizin in der Schweiz. Er sagt: «Neben Hundekot ist beispielsweise auch Rattengift ein beliebtes Mittelchen in der Homöopathie.» Die sei insofern kein Problem, als dass die meisten Präparate so weit verdünnt seien, «dass kein Molekül von der Ausgangssubstanz mehr erhalten ist».
Dennoch würde Stadler eine schärfere Deklarationspflicht auch in der Schweiz befürworten: «Wenn auf einem Fläschchen mit Globuli ‹Excrementum caninum› draufsteht, weiss vielleicht ein gebildeter Lateiner, dass es sich um Hundescheissdreck handelt. Es wäre jedoch wichtig, dass jeder Normalbürger versteht, was er da zu sich nimmt.» Wären die Konsumenten darüber im Bild, «wäre der Homöopathie-Hype in Kürze tot», ist er überzeugt.
Beatrice Soldat-Braun, Co-Präsidentin des Homöopathie-Verbands Schweiz, widerspricht vehement: «Würden homöopathische Heilmittel auf Deutsch angeschrieben, stiftete dies nur Verwirrung», argumentiert sie. Im homöopathischen Arzneimittelbuch seien die Inhaltsstoffe in lateinischer Sprache aufgeführt. Würde plötzlich mit Übersetzungen gearbeitet, könnte dies in den Apotheken und Drogerien zu Missverständnissen führen.
Auf die «abenteuerlichen» Inhaltsstoffe angesprochen, winkt Soldat-Braun ab: «Ich kenne über hundert Homöopathen in der Schweiz. Keiner davon hat je Hundekot verschrieben.» Meist werde mit Pflanzen oder Mineralien gearbeitet. «Dem Konsumenten nützt es nichts, wenn er ‹Sturmhut› liest. Er weiss dann genauso wenig, dass es sich um eine der giftigsten Pflanzen der Schweiz handelt, wie wenn er den lateinischen Namen ‹Aconitum› vor sich hat.»
Der Einsatz solch giftiger Pflanzen sei sicher, sagt die Homöopathin mit Praxis im Ausserrhodischen Teufen weiter. «Alle gefährlichen Stoffe sind so weit verdünnt, dass sie völlig unbedenklich sind.» Auf die Kritik der Gegner, dass dadurch auch die Wirkung verfliege, erwidert sie: «Wir erleben in der Praxis, dass homöopathische Mittel Beschwerden lindern können. Das ist die Hauptsache.»
Fakt ist: Die alternative Medizin geniesst in der Schweizer Bevölkerung heute grossen Rückhalt. 2009 stimmten zwei Drittel der Stimmbürger einer Verfassungsbestimmung zu, die zum Ziel hatte, die Komplementärmedizin besser ins Gesundheitssystem zu integrieren. Eine Folge davon ist, dass solche Behandlungen seit 2012 von der obligatorischen Krankenkasse übernommen werden. Erst vor Monatsfrist hat der Bundesrat diese Regelung unbefristet verlängert.
Im Vergleich zu klassischen Arzneimitteln durchlaufen komplementärmedizinische Präparate in der Regel ein vereinfachtes Zulassungsverfahren. In den meisten Fällen sei es also nicht nötig, klinische Studien oder Tierstudien einzureichen, erläutert Swissmedic-Sprecher Jaggi.
In der Liste der in der Schweiz zugelassenen homöopathischen und anthroposophischen Arzneimittel befinden sich über zehn Präparate, die aus der Gemeinen Küchenschabe («Blatta orientalis») oder der Amerikanischen Grossschabe («Blatta americana») hergestellt sind. Auch das von Stadler erwähnte Rattengift («Arsenicum album») befindet sich auf der Liste. Heilmittel aus Hundekot sucht man in den zugelassenen Globuli und Tropfen hingegen vergeblich.