US-Präsident Donald Trump liebt die Kohle. Ende März hob er den «Clean Power Plan» seines Vorgängers Barack Obama auf, in Anwesenheit von Grubenarbeitern. Trump will ihre Jobs retten, dabei spricht die Realität in den USA längst gegen den Kohleabbau und für das billigere Fracking-Erdgas – und die erneuerbaren Energien. An der US-Westküste erleben sie einen Boom.
In Kalifornien, dem bevölkerungstärksten Bundesstaat, wurde im letzten Monat ein denkwürdiger Meilenstein registriert. Am 11. März lieferte die Solarenergie während einiger Stunden mehr als die Hälfte des gesamten Stromverbrauchs. Verantwortlich waren thermische und photovoltaische Kraftwerke wie auch Privathaushalte, teilte die unabhängige Energieinformationsbehörde (EIA) mit.
Die Rahmenbedingungen begünstigten diesen «Rekord». Es war ein Samstag, und im milden Frühling wird in Kalifornien weniger Strom benötigt als in anderen Jahreszeiten, weshalb «konventionelle» Kraftwerke weniger gefordert sind. Die Solarstrom-Schwemme sorgte zudem dafür, dass der Marktpreis während dieses «Peaks» in den negativen Bereich gelangte. Lieferanten hätten also theoretisch für die Abnahme ihres Stroms zahlen müssen, statt selber bezahlt zu werden.
Die Entwicklung ist beeindruckend. Noch vor 15 Jahren spielte die Solarenergie in Kalifornien praktisch keine Rolle. Der Staat sorgte durch eine hartnäckige Energiekrise für Schlagzeilen. Unter dem republikanischen Gouverneur Arnold Schwarzenegger begann die Förderung der Sonnenenergie mit Subventionen und Steuererleichterungen.
Und ein Ende ist nicht in Sicht. Bis 2030 soll 50 Prozent des Bedarfs durch «grünen» Strom aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden. Nicht nur an einzelnen Tagen, sondern permanent.
Kann man Kalifornien mit der Schweiz vergleichen, wo am 21. Mai über die Energiestrategie 2050 abgestimmt wird? Auf den ersten Blick sieht man vor allem die Unterschiede. Im «Golden State» scheint an bis zu 300 Tagen pro Jahr die Sonne, während sie in der Schweiz oft durch Wolken sowie im Herbst und Winter durch Nebel verdeckt wird.
In Kalifornien hat es viel Platz, dort entstanden einige der grössten Solarkraftwerke der Welt. Gleichzeitig ist Kalifornien auch die sechstgrösste Volkswirtschaft der Welt und damit in Sachen Stromverbrauch alles andere als ein «Nonvaleur». Im Silicon Valley und in anderen Wirtschaftszentren ist man auf eine gute und verlässliche Stromversorgung angewiesen.
Die Befürworter der Energiestrategie erkennen durchaus eine Vorbildrolle für die Schweiz. «Kalifornien zeigt, dass ein rascher Ausbau der Solarenergie möglich ist und dass hohe Anteile Solarstrom für das Stromsystem kein Problem darstellen», meint Felix Nipkow von der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES). Und kontert damit ein Argument der Gegenseite, wonach der unregelmässig erzeugte Solarstrom die Netze belaste.
Die Photovoltaik habe auch in der Schweiz vor 15 Jahren kaum eine Rolle gespielt, «aber wir sind beim Ausbau verlangsamt unterwegs». Einer der Gründe ist die lange Warteliste für Gelder aus der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV). Dieser Topf soll mit der ES 2050 erheblich stärker gefüllt werden. Die Gegner warnen vor einem «Subventionsregime». Sie kritisieren auch die Solarenergie an sich. Neben der schwankenden Produktion sei das Potenzial in der Schweiz zu gering.
Für Felix Nipkow, den SES-Projektleiter für erneuerbare Energien, ist dies «doppelter Unsinn». Das Potenzial sei im Gegenteil enorm: «Alleine auf Dächern und Fassaden könnten wir die Hälfte des Stromverbrauchs erzeugen – ohne denkmalgeschützte Gebäude und nur dort, wo es sich lohnt.» Die Schweiz müsse aber nur jenen Drittel des Verbrauchs ersetzen, der aus den AKW komme. Neben Photovoltaik könnten Wind- und Wasserkraft, Biomasse oder Geothermie dazu beitragen.
Solarstrom werde auch nicht unregelmässig, sondern immer tagsüber erzeugt, wenn der Verbrauch hoch sei. «Wenn es bewölkt ist, profitiert die Wasserkraft, die flexibel einspringen kann und damit wieder rentabel wird», sagt Nipkow. Die Wasserkraft leide heute, «weil zu viel alte Kohle- und Atomkraftwerke in ganz Europa weiterlaufen und die Preise dauerhaft drücken».
Bei der Speicherung des Solarstroms werden ebenfalls laufend Fortschritte erzielt. Der Tesla-Konzern von Elon Musk verkauft Batterien für Privathaushalte, mit denen der Solarstrom gespeichert werden kann. Bald will Musk zudem Solar-Ziegel anbieten. Das Potenzial ist aus Sicht von SES-Projektleiter Nipkow vorhanden: «Selber erzeugter Strom vom eigenen Dach ist billiger als aus dem Netz bezogener, weil man dafür keine Netzentgelte bezahlen muss.»
Aus Systemsicht sei dies aber nicht notwendig. «Dank der vielen Speicher, die in Form von Stauseen in den Alpen zur Verfügung stehen, müssen wir mit dem Ausbau der Solarenergie nicht auf neue Technologien warten.» Ein Problem, das die Gegner der Energiestrategie besonders hervorheben, muss auch für Nipkow gelöst werden: Wie kann der Solarstrom vom Sommer in den Winter gespeichert werden? In der kalten Jahreszeit ist der Bedarf bekanntlich besonders hoch.
Doch Lösungen sind in Sicht, in Form von sogenannten Power-to-X-Technologien. «Strom kann in Gas oder Wärme umgewandelt werden und so über längere Zeit gespeichert werden.» Im Winter stehe diese Energie zum Beispiel für Mobilität oder Heizung zur Verfügung. «Es gibt in der Schweiz vielversprechende Forschungs- und Pilotprojekte dazu», sagt Felix Nipkow.
Kalifornien und die Schweiz mögen nur bedingt vergleichbar sein. Aber vom rasanten Fortschritt bei der Solarenergie kann sich die Schweiz einiges abschauen.