Es hält sich hartnäckig, das Gerücht, dass die Parteien kurz vor den Bundesratswahlen doch noch einen Sprengkandidaten aus dem Hut zaubern könnten. Der Hauptgrund, keinen der drei Kandidaten zu wählen, welche die SVP zur Wahl vorgeschlagen hat, ist die parteieigene Ausschlussklausel – einmal abgesehen von der fundamentalen Abneigung, die SP und Grüne gegen SVP-Positionen hegen.
Die Klausel, «Lex Widmer-Schlumpf» genannt, besagt, dass jedes SVP-Mitglied aus der Fraktion ausgeschlossen wird, das die Wahl in den Bundesrat gegen den Willen der Partei annimmt. Aktuell wäre dies der Fall, wenn ein SVP-Politiker ausserhalb des Dreier-Tickets gewählt würde.
Dieses Szenario hält SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz für wahrscheinlich: «Wir wissen, dass eine Schlaumeierei am Tun ist», sagt er. Dafür gebe es klare Indizien: «Es werden Vertreter unserer Partei angegangen. Das weiss ich.» Er selbst sei deshalb auch nicht zuversichtlich, dass in einer Woche ein SVP-Wunschkandidat gewählt werde.
Parlamentarier, die das Vorgehen der SVP kritisieren, sagen, wenn die Bundesversammlung einen anderen Kandidaten wähle, sei das weitgehend dem Verhalten der SVP zuzuschreiben. So fordert CVP-Fraktionschef Filippo Lombardi die SVP auf, die Ausschlussklausel aus den Statuten zu streichen, da sie unnötigerweise die Wahlfreiheit des Parlaments einschränke. Andere Ratsmitglieder, die am 9. Dezember den Wahlzettel ausfüllen werden, reden wahlweise von diktatorischen Zuständen oder sektiererischem Vorgehen: Wer nicht zu hundert Prozent hinter der Partei steht, sei ein Verräter und werde kaltgestellt.
Das Gebaren der SVP stösst nicht nur SP und Grünen, sondern auch so manchem Parlamentarier rechts der Mitte sauer auf. Der Ärger hat sich bis weit in CVP- und FDP-Kreise ausgebreitet – bis zu National- und Ständeräten, die theoretisch einen SVP-Bundesrat unterstützen würden. Aber eben: Das Parlament dürfe nicht in Geiselhaft genommen werden, sagt ein FDP-Mitglied.
Die Konsequenz: Entweder wählt die Bundesversammlung Thomas Aeschi, Norman Gobbi oder Guy Parmelin und akzeptiert, dass die SVP dem Parlament Vorschriften aufbürdet. Oder sie wählt einen Wilden und muss in der Folge weitere vier Jahre mit dem Stunk der SVP und ihren Oppositionsdrohungen leben. Die Bereitschaft dazu ist mässig gross. «Parlamentarier, die schon länger dabei sind, haben nach acht Jahren Gezeter um den SVP-Bundesrat genug und wollen, dass endlich Ruhe einkehrt», sagt ein anderes FDP-Mitglied.
Die «Schlaumeierei», die Amstutz befürchtet, gestaltet sich allerdings gar nicht so einfach: Ohne einen Kandidaten, der entweder gegen die eigene Partei (SVP) antritt oder ein anderes Parteibuch mitbringt, kann das Komplott gar nicht klappen.
Nun haben die Mitteparteien wiederholt erklärt, sie wollten keinen eigenen Kandidaten aufbauen. Die SVP-Papabili, darunter Heinz Brand, Hannes Germann und Thomas Hurter, die bei der Nomination von der Partei verschmäht wurden, aber als wählbar gelten, haben versprochen, eine Wahl abzulehnen.
Allerdings mit Vorbehalt. Einer von ihnen sagt, das mit dem Ablehnen sei nicht so einfach: «Wer gewählt wird, will nicht als zweiter Francis Matthey in die Geschichte eingehen.» Er spielt auf den SP-Politiker an, der 1993 anstatt der Parteikollegin Christiane Brunner gewählt wurde und für sie auf das Amt verzichtete. Bundesrätin wurde dann Ruth Dreifuss. Allerdings müsste ein wilder SVP-Kandidat einiges mehr ertragen: Parteiausschluss – und Mobbing auf Lebzeiten.