Dieser Mann hat keine Angst vor starken Worten: «Dumm nur, dass der Bundesrat für die Schweiz am Pokertisch sitzt, ohne pokern zu können. Er fällt auf jeden Bluff herein.» So steht es in einem Gastbeitrag in der «Basler Zeitung» vom Montag. Verfasst hat ihn Gerhard Pfister, 52-jähriger CVP-Nationalrat aus dem Kanton Zug und mit seinen prononciert wirtschaftsfreundlichen und wertkonservativen Positionen der Rechtsausleger in seiner Fraktion.
Pfisters Kritik am Bundesrat zielt auf dessen Strategie bei der Umsetzung des Volksentscheids vom 9. Februar 2014 zur SVP-Zuwanderungsinitiative. Die Drohgebärden der Europäischen Union, wonach die Personenfreizügigkeit nicht verhandelbar sei, liessen Bundesräte und Staatssekretäre «erzittern und windelweich werden», schimpft Pfister. Dabei bluffe die EU nur, ist der Zuger Nationalrat überzeugt. Er fordert, dass die Schweiz von sich aus eine Schutzklausel beschliesst, basierend auf dem Konzept des Ex-Chefdiplomaten Michael Ambühl.
Das Risiko, dass die EU als Gegenmassnahme die bilateralen Verträge aufkündigt, müsse man in Kauf nehmen, sagt Gerhard Pfister auf Anfrage von watson: «Wir müssen der EU klar machen, dass ein Volksentscheid vorliegt, den wir umsetzen müssen.» Er glaubt, dass die Schweiz gute Karten hat: «Eine Schutzklausel ist mit den Bilateralen kompatibel, denn sie wird in der EU selber angewendet, sogar gestützt durch den Europäischen Gerichtshof.»
Konkret verweist Pfister auf Österreich und Belgien, die den Zugang zum Medizinstudium für Bürgerinnen und Bürger aus anderen EU-Ländern einschränken. «Offenbar ist es möglich, das Diskriminierungsverbot beim Personenverkehr zu verletzen.» Allerdings handelt es sich bei diesem Beispiel um einen Teilbereich der Personenfreizügigkeit, während die Schweizer Schutzklausel für die allgemeine Zuwanderung gelten würde. In diesem Punkt signalisiert der CVP-Nationalrat eine gewisse Flexibilität: «Es ist zu früh, jetzt über Details zu reden.»
Die Strategie einer einseitigen Schutzklausel ist nicht ohne Risiko, doch Pfister ist überzeugt, dass die EU in ihrer derzeitigen Verfassung «die autonomen Entscheide der Schweiz» hinnehmen wird. «Der Bundesrat verhandelt nicht, das ist die grössere Risikostrategie», kritisiert Pfister im Gespräch mit watson. Wer Griechenland entgegen aller Vernunft im Euro-Raum lasse, werde sich einem vernünftigen, pragmatischen Schweizer Entscheid kaum widersetzen.
Der zweite Text, den Gerhard Pfister massgeblich mitverfasst hat, zielt auf das derzeit brisanteste innenpolitische Thema, die Asylpolitik. In einem am Wochenende veröffentlichten Papier verlangt die CVP unter anderem ein Bargeld-Verbot, damit Asylsuchende kein Schweizer Sozialhilfegeld in die Heimat schicken können. Ausserdem sollen sie verpflichtet werden, eine Lehre zu absolvieren oder eine Arbeit anzunehmen. Einen Lohn sollen sie nicht erhalten, vielmehr soll dieser in einen «Fonds fürs Flüchtlingswesen» fliessen.
Kritiker sprechen von Zwangsarbeit, doch Pfister widerspricht: «Es handelt sich um Beschäftigungsprogramme. Die Asylbewerber werden entschädigt, nicht mit Bargeld, sondern mit Dienstleistungen.» Vorwürfe, dies sei verfassungswidrig und es gebe nicht genügend Arbeitsplätze, weist er zurück: «Es gibt genügend Projekte. Allenfalls muss man einmal auf einen Mitarbeiter aus Europa verzichten und stattdessen solche Leute einsetzen.» Es gehe darum, vorab junge Männer zu einer sinnvollen Beschäftigung anzuhalten: «Das ist menschenwürdiger, als sie an Bahnhöfen herumhängen zu lassen.»
Es lässt sich nicht leugnen, dass sich die Schweiz im Wahlkampf-Modus befindet. Ebenso wenig bestreitet Gerhard Pfister, dass seine Vorstösse auch wahltaktisch motiviert sind – der Zuger Nationalrat war 2011 Wahlkampfleiter der CVP. Europa- und Asylpolitik würden den Wahlkampf prägen: «Die Parteien sind gefordert, darüber zu diskutieren.» Für die CVP gilt dies erst recht, ihr drohen einmal mehr Verluste. «Über Erfolg und Misserfolg entscheiden werden Mobilisierungsfähigkeit und Themenkompetenz», ist Pfister überzeugt.
Ob die Rechnung aufgeht, wird sich am 18. Oktober zeigen. Gerhard Pfister könnte bald noch stärker gefordert sein. Er gilt laut der «Schweiz am Sonntag» als Kronfavorit für die Nachfolge von Parteipräsident Christophe Darbellay, der nächstes Jahr zurücktreten wird, weil er wegen der Amtszeitbeschränkung seiner Walliser Kantonalpartei nicht mehr für den Nationalrat kandidieren darf.