Gerhard Pfister, Chef der CVP, teilt aus: «Linke wollen keine Handbreit den Nazis geben. Richtig so. Aber bei islamistischen Idioten schweigen Linke. Peinlich.»
Linke wollen keine Handbreit den Nazis geben. Richtig so. Aber bei islamistischen Idioten schweigen Linke. Peinlich. https://t.co/EOWqHGCtLX
— Gerhard Pfister (@gerhardpfister) 4. Juni 2017
Nur wenige Stunden, nachdem in London drei Attentäter sieben Menschen getötet und Dutzende verletzt haben, provoziert der Zuger auf Twitter einen Streit über den Umgang mit islamistischem Terror. Christian Levrat, Präsident der SP, steigt höchstpersönlich darauf ein. «Unwürdig» sei der Vorwurf Pfisters. Dieser solle «sich schämen».
Doch der denkt nicht daran: «Mach mal halb lang», pariert er die empörten Tweets des Sozialdemokraten. Und doppelt gleich nach: «Ist einfach peinlich wie SP den faschistischen Islamismus tabuisiert.» Was folgt, ist ein heftiger Schlagabtausch mit Beteiligung zahlreicher User. Dabei muss Pfister viel Kritik einstecken: Er schlage politisches Kapital aus dem Tod von Menschen, schlachte den Terroranschlag in populistischer Manier aus, so das Echo.
Herr Pfister, es sind Menschen umgebracht worden. Aus dieser Situation politisches Kapital schlagen zu wollen, ist verwerflich. #CVP
— Salva Leutenegger (@salegen) 5. Juni 2017
Auf Anfrage weist Pfister diese Vorwürfe zurück. Es sei nötig, dass diese Debatte jetzt in aller Härte geführt werde: «Wir müssen darüber sprechen, wie wir unsere Werte und unseren Rechtsstaat gegen islamistischen Extremismus verteidigen können – auch in der Schweiz.» Die Linke verweigere jedoch die Diskussion regelmässig, wenn es darum gehe, die Integrationsbestimmungen zu verschärfen oder den Moscheen genauer auf die Finger zu schauen. «Ich finde es überhaupt nicht pietätlos, das Thema auf den Tisch zu bringen.»
Christian Levrat kontert im Gespräch mit watson: «Pfister verhält sich wie ein Mini-Trump. Er betreibt inakzeptable Polemik in einer Zeit, in der linke Staatschefs und Stadtpräsidenten in ganz Europa mit aller Härte gegen den Terrorismus vorgehen.» So habe der Sozialist François Hollande etwa französische Truppen nach Mali und Syrien geschickt, um die Islamisten zu bekämpfen.
Levrat hält fest, die SP verurteile Terrorismus in aller Form. Dass Pfister behaupte, die Sozialdemokraten böten keine Hand für konkrete Lösungen, sei «zum Verzweifeln»: «Ohne uns hätte es in der Schweiz etwa kein Integrationsgesetz gegeben.»
Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Linken den Vorwurf gefallen lassen müssen, in religiösen Belangen auf einem Auge blind zu sein.
So schrieb der französische «Le Monde»-Journalist Jean Birnbaum nach den Anschlägen von Charlie Hebdo, Nizza und Bataclan ein Buch mit dem Titel «Un silence religieux». «Indem sie referieren, dass der jihadistische Terror nichts mit dem Islam zu tun habe, haben die höchsten Instanzen des Staates und die Intellektuellen nicht nur eine gefährliche Leugnung orchestriert, sondern auch ein Schweigen über die religiöse Dimension der Ereignisse autorisiert und organisiert», so seine These.
Viel Beachtung fand auch ein Essay, das der in Deutschland lebende israelisch-arabische Psychologe Ahmad Mansour – selber Muslim – vergangenes Jahr in der Tageszeitung TAZ veröffentlichte. Ausgerechnet die Linke verhindere, dass sich gemässigte Muslime gegen radikale Glaubensbrüder zur Wehr setzen können, so die Kernaussage seines Artikels. Angeblich progressive, «kultursensible» Linke deckten Muslime mit Sympathie und Solidarität ein – und machten sie so zu ihren «Kuscheltieren».
Dabei gehe die Kritik an der Religion als Herrschaftsinstrument – sonst Teil des linken Fundaments – komplett vergessen, so Mansour. «Unter anderen Vorzeichen tut das links-grüne Lager dasselbe wie die Salafisten, Wahhabisten und übrigen islamischen Fundamentalisten, die wir kritisieren. Sie wollen kritische Muslime mundtot machen.»