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Christoph Blocher

«Köppel würde im Parlament verarmen» 

Christoph Blocher hat keine Lust mehr auf Parlamentsarbeit
Christoph Blocher hat keine Lust mehr auf ParlamentsarbeitBild: KEYSTONE
Interview mit Christoph Blocher

«Köppel würde im Parlament verarmen» 

Christoph Blocher über die nächste Europa-Abstimmung, seine möglichen Nachfolger und seine mögliche Rückkehr in den Nationalrat
11.05.2014, 09:4711.05.2014, 09:51
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Ein Artikel von Schweiz am Sonntag
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patrik müller, schweiz am sonntag
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Herr Blocher, Ihr plötzlicher Rücktritt nach 27 Jahren im Nationalrat wirkt überstürzt. Gibt es noch einen tie feren Grund als bloss «Zeitverschwendung»?
Christoph Blocher:
Entschieden habe ich mich schon im Dezember, nach der Hälfte der Amtsdauer. Ich wollte zuerst auf Ende März zurücktreten. Aber Toni Brunner bat mich, noch zuzuwarten, weil wir im April die Erneuerungswahlen im SVP-Präsidium hatten, und er befürchtete eine zu grosse Unruhe. Also wartete ich bis Mai. Ich merkte im Abstimmungskampf zur Masseneinwan derungsinitiative, dass es richtig ist, sich auf die wichtigste Frage zu konzentrieren: die Unabhängigkeit der Schweiz in Europa.

Das war doch schon immer Ihr Kampf. Fehlen Ihnen die Kräfte?
Nein, gar nicht. Ich bin kerngesund. Aber der parlamentarische Kleinkrieg wird immer aufwendiger, obwohl ich stets viel geschwänzt habe. Ich wollte Milizparlamentarier bleiben, aber effektiv wird man heute, wenn man alles mitmacht, zum Berufspolitiker. Das will ich nicht! Ich will zum Beispiel mein unternehmerisches Engagement bei der «Basler Zeitung» weiterführen. Und im Mai eröffnen wir die Musikinsel Rheinau, ein grosses Projekt, darunter ein Hotel mit 113 Betten – für mich und meine Tochter etwas Neues, wir müssen zuerst lernen, wie man ein Hotel führt. 

Der Nationalratsrücktritt ist kein Abgang auf Raten von Christoph Blocher?
Im Gegenteil. Ein Sprung nach vorn!

«Ein grosser Teil der Parlamentsarbeit ist Leerlauf»
Blocher hat keine Lust mehr

FDP-Präsident Philipp Müller kritisiert Ihre Rücktrittsbegründung als respektlos gegenüber den Parlamentariern, welche die nötige Knochenarbeit leisten.
Die Begründung der Zeitverschwendung gilt für mich, nicht generell. Wenn das für Philipp Müller nicht gilt, umso besser. Und für mich rückt ja wieder ein SVP-Politiker nach – dann gibts wieder einen, der die Knochenarbeit macht. Aber ich bleibe dabei: Ein grosser Teil der Parlamentsarbeit ist Leerlauf, und in all den Jahren wurde der immer grösser. Deshalb braucht es unbedingt eine Parlamentsreform, auch diese muss man wohl von ausserhalb anstossen. Am einfachsten geht es über eine Salärkürzung. Die ist unabdingbar! Ein Parlamentarier darf nur zu einem Drittel Politiker sein, zu zwei Dritteln muss er im Berufsleben stehen.

Für Sie rückt Thomas Matter nach. Ältere Zürcher SVPler wie Toni Bortoluzzi (67) stehen parteiintern unter Druck, jüngeren Politikern Platz zu machen. Braucht es frischen Wind? 
Meinetwegen muss niemand gehen! Es heisst immer: die Jungen, die Jungen! Als wäre Jungsein eine Qualität. Gehen muss einer, wenn er nichts mehr bringt. Die Älteren in unserer Fraktion, auch Toni Bortoluzzi, fallen mir oft sogar positiv auf. Sie setzen sich voll ein.

Inwiefern verschärfen Sie nun Ihre Opposition ausserhalb des Parlaments gegenüber der bundesrätlichen Europapolitik? 
Ich werde den Kampf eindeutig intensivieren und konsequenter führen.

«Ich verlasse die Politik nicht, im Gegenteil»
Blocher ist nicht weg

Wann stürzen Sie sich in Ihrer neuen Rolle erstmals in die Schlacht? 
Bundespräsident Burkhalter will die Verträge über die institutionellen Bindungen zur EU zu einer «Abstimmung über den bilateralen Weg» machen. Das kann 2016 oder auch früher sein. Da gilt es, den schleichenden EU-Beitritt zu verhindern. Wenn wir diese Abstimmung verlieren, hat die Schweiz keine Handlungsfreiheit mehr. Da braucht es volles Engagement, denn wir werden einer Phalanx gegenüberstehen. Das wird ganz bös.

Mit 5 Millionen gegen die EU
Derzeit sei die «EU No»-Organisation in Gründung. Sie «soll zu einer schlagkräftigen Kampftruppe» mit mindestens 30'000 Mitgliedern ausgebaut werden.
In der Abstimmungsphase rechne er mit vier bis fünf Millionen Franken. «Wenn es notwendig ist und die Spenden nicht genügen, werde ich selbst zahlen, auch wenn es ein Grossteil des Budgets ausmachen sollte», sagte Blocher. (jas/sda)

Und da werden Sie sich auch finanziell engagieren?
Auf jeden Fall. Nochmals: Ich verlasse die Politik nicht, im Gegenteil. 

In der SVP fürchten einige, dass Sie zur «unguided missile» für die Partei werden, also nicht mehr eingebunden werden können. 
Nein, nein. Ich bleibe Vizepräsident der Partei und Mitglied der Fraktion. Ich werde an jeder Fraktionssitzung teilnehmen.

Haben Sie für sich einen Plan, wann Sie sich ganz aus der Politik zurückziehen? 
Nein, ich mache das, was nötig ist, solange ich kann.

Die Weltwoche ist die Zeitung des SVP-Präsidenten
Blocher zu Köppel als seinen Nachfolger

Bauen Sie Nachfolger für Ihre Rolle in der SVP auf? 
In der Politik zieht man keine Nachfolger nach. Die kommen von selbst, ich spüre das: Wir haben gutes Holz!

Weltwoche-Chef Köppel werden politische Ambitionen nachgesagt
Weltwoche-Chef Köppel werden politische Ambitionen nachgesagtBild: KEYSTONE

Der zugkräftigste Nachfolger wäre «Weltwoche»-Verleger Roger Köppel. Einverstanden? 
Der soll ja nicht in die Politik! Das wäre das Dümmste! Dann verplempert er seine Zeit im Parlament, statt mit seiner Zeitung eine wichtige Rolle zu spielen. Köppel würde im Parlament verarmen. Er hat ja auch ausserhalb eine politische Bedeutung. Und würde er Parteipräsident, hiesse es: Die «Weltwoche» ist die Zeitung des SVP-Präsidenten, das wäre nicht gut. Jede Zeitung braucht eine gewisse Breite.

Ihre Tochter Magdalena Martullo führt die Ems-Chemie erfolgreich und äussert sich immer öfter politisch. Steigt sie dereinst in die Politik ein?
Sie wäre eine gute Kraft, sie hat auch das Flair und wirtschaftlichen Sachverstand. Davon gibts im Parlament zu wenig. Aber sie führt ein grosses, internationales Unternehmen, und sie hat eine Familie mit drei kleinen Kindern. Das geht jetzt nicht mit der Politik zusammen. 

«Jetzt bin ich draussen. Ob ich das zu einer anderen Zeit wieder anders beurteile, weiss ich heute nicht»
Christoph Blocher

Sie haben das auch alles parallel gemacht, dazu noch das Militär. 
Sie ist Mutter, das ist nun mal ein Unterschied, auch wenn es altmodisch tönt. Und zu meiner Zeit bei Ems war das Unternehmen noch nicht so international. 

Schliessen Sie eine dereinstige Rückkehr in den Nationalrat aus? 
Jetzt bin ich draussen. Ob ich das zu einer anderen Zeit wieder anders beurteile, weiss ich heute nicht. Das kommt darauf an, ob es eines Tages wieder notwendig wäre.

Und werden Sie Ihre Aktivitäten als Medienunternehmer ausbauen? 
Wenn es Möglichkeiten gibt, ähnlich wie bei der «Basler Zeitung» die Medienvielfalt zu stärken, würde ich das gern tun. Aber nur, wenn eine Zeitung auch rentabel gemacht werden kann. Ich staune, wie man bei der NZZ plötzlich das Loblied auf die Regionalzeitungen singt, nachdem es vor kurzem noch hiess: Das ist nichts mehr. Die Medien situation ist heute besser als auch schon, ich halte es darum nicht mehr für nötig, eine eigene Tageszeitung zu lancieren. Meine Themen bringe ich in den Zeitungen durchaus unter. 

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