Schweiz
Deutschland

Sonderzug an den G20-Gipfel: Warum Gewalt für einige Demonstranten dazu gehört

epa06066489 Police fight with a protestor during a blockade of a water gun in the Schanzenviertel quarter prior the upcoming G20 summit in Hamburg, northern Germany, 04 July 2017. The G20 Summit (or G ...
Erste kleinere Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und den Demonstranten gab es bereits am Dienstagabend.Bild: FOCKE STRANGMANN/EPA/KEYSTONE

Sonderzug an den G20-Gipfel: Warum Gewalt für einige Schweizer Demonstranten dazu gehört

Drei junge Männer geben es offen zu. Kommt es am G20-Gipfel zu keinen Ausschreitungen mit der Polizei, ist die Reise ein Misserfolg. 33 von den 210 Schweizer Demonstranten durften aber erst gar nicht in den Sonderzug nach Hamburg einsteigen. Die Reportage vom Badischen Bahnhof in Basel.
06.07.2017, 00:5706.07.2017, 06:26
Mehr «Schweiz»

Während seine Freunde johlend und singend mit dem Zug in Richtung Hamburg fahren, sitzt er hier, auf der Steintreppe vor dem Badischen Bahnhof. «Ich bin eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung», sagt der Mann lakonisch, der weder seinen Namen, sein Alter, noch seinen Wohnkanton im Artikel lesen will. Er zeigt mit der rechten Hand auf die drei zweiseitig bedruckten A4-Blätter, die lose neben seinen Füssen liegen. 

Im Schreiben steht es schwarz auf weiss, er ist eine potenzielle Gefahr. Es ist der Bescheid der deutschen Bundespolizei, der ihm die Einreise nach Deutschland und somit die Fahrt mit dem Sonderzug an den G20-Gipfel in Hamburg verwehrt.

Darin heisst es:

«Ihr Aufenthalt im Bundesgebiet würde eine gegenwärtige, schwerwiegende Gefährdung eines Grundinteresses der Gesellschaft begründen oder die öffentliche Sicherheit gefährden.»
Dem Schweizer wird von der Bundespolizei die Einreise nach Deutschland verweigert.
Dem Schweizer wird von der Bundespolizei die Einreise nach Deutschland verweigert.bild: Fabio Vonarburg

In Hamburg wollte er an den Demonstrationen teilnehmen, wie rund 100'000 andere gegen die Mächtigen dieser Welt demonstrieren, gegen die Trumps, Putins und Merkels, gegen die Mächtigen auf diesem Planeten. Ein Zeichen setzen gegen die weltweite Ungerechtigkeit. Nun sitzt er hier, auf der Bahnhofstreppe. Und weiss nicht, was er jetzt die nächsten Tage tun soll. Er ist nicht alleine.

Insgesamt 33 Personen hat die deutsche Bundespolizei ein solches Schreiben in die Hand gedrückt und ihnen den Einstieg in der Zug verwehrt. Sie dürfen bis zum Ende des Gipfels nicht nach Deutschland einreisen. Die Gründe sind unterschiedlich:

Gegen einen Mann lag ein Haftbefehl vor, bei anderen wurde im Gepäck Schutzausstattungen wie Gasmasken, Mundschutze und Schutzbrillen sichergestellt und der Mann auf der Bahnhofstreppe war wegen einer früheren Demonstration kein Unbekannter bei der Polizei. Die restlichen 177 Personen durften nach der Grenzkontrolle in den Zug einsteigen.

Carolin Dittrich, Sprecherin der deutschen Bundespolizei, betont, dass jede Person sorgfältig geprüft wurde. «Wir wollten niemandem die Einreise verweigern, wenn dies nicht gerechtfertigt ist.» Dies sei auch einer der Gründe, warum sich die Kontrollen so lange hinzogen und der Zug letztlich erst mit vier Stunden Verspätung losfahren konnte. Spulen wir zurück.

Eine Stunde vor der offiziellen Abfahrt des Zuges sind die meisten Reisenden am Badischen Bahnhof in Basel bereits eingetroffen und stehen zum ersten Mal ihrem «Feind» der nächsten Tagen gegenüber – der Polizei, dem Staat. Rund 150 Beamte der Bundespolizei sind vor Ort, zudem ist auch die Kantonspolizei Basel-Stadt und die Grenzwache im Einsatz. Von einer Feindseligkeit ist aber nichts zu spüren, auch die Polizei betont das kooperative Verhalten der Reisenden. Noch ist man auf neutralem Boden, noch ist man nicht in Hamburg.

Die Hamburg-Reisenden müssen vor dem Badischen Bahnhof warten.
Die Hamburg-Reisenden müssen vor dem Badischen Bahnhof warten.bild: Fabio Vonarburg

Auch Medienvertreter sind zahlreich vor dem Badischen Bahnhof erschienen. Mit diesen sprechen wollen aber nur eine Handvoll der Demonstranten. Die meisten ziehen es vor, zu schweigen. Drei junge Männer, alle zwischen 18 und 20 Jahre alt, reden aber bereitwillig über die kommenden Tage in Hamburg. So lange ihre Namen nicht genannt werden.

«Das Gute ist, die Polizisten haben auch Angst vor uns.»
18-jähriger Demonstrant

Er sei schon eher für den friedlichen Weg, wägt der junge Mann in der blauen Sporthose ab. «Es kommt darauf an, was abgeht.» Am G20-Gipfel zu demonstrieren, sei eine Möglichkeit, um sich gegen das System zu wehren. Was sind andere? «Ladendiebstahl oder schwarz fahren», fällt ihm sein Kollege ins Wort. Und fährt fort, er habe Respekt vor den möglichen Schlachten mit der Polizisten. «Das Gute ist, sie haben auch Angst vor uns.»

An den Demos werden sich die drei ganz in schwarz kleiden. Nicht nur, um sich selber zu schützen, «sondern, dass jene die Aktionen machen, nachher wieder in der Menge untertauchen können.»

Im Internet gibt es mehrere Seiten, die den Demonstranten Tipps für die kommenden Tage geben. So solle man nach der Demo sofort die Kleider wechseln. Eine weitere Empfehlung: Das Smartphone nicht mit an die Veranstaltung nehmen. Wer nicht ein paar Stunden darauf verzichten kann, dem wird geraten, sich ein günstiges zu kaufen – extra für die Demo. Wird man festgenommen, so solle man die Aussage auf jeden Fall verweigern. 

Die drei jungen Männer geben offen zu: Wenn es in Hamburg zu keinen gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Polizei kommt, ist dies ein Misserfolg. «Wenn alles friedlich über die Bühne geht, waren wir zu defensiv.» Um Spass ginge es ihnen nicht primär, sondern darum etwas zu erreichen. «Wenn man eine Veränderung will, muss man dafür einstehen.»

«Der heutige Tag hat wieder einmal gezeigt, kräftemässig haben wir nicht viel zu melden.»
Schweizer Demonstrant, dem die Einreise nach Deutschland verwehrt wurde.

Zurück auf der Steintreppe vor dem Bahnhof. Was er nun tun werde, wisse er noch nicht, sagt der verhinderte G20-Reisende. Möglicherweise werde er gegen den Entscheid gemeinsam mit anderen Betroffenen Rekurs einlegen, es ganz sein lassen oder einfach dennoch nach Deutschland einreisen.

Würde ihn die Polizei dabei erwischen, könnten sie ihn in Gewahrsam nehmen. «Der heutige Tag hat es wieder gezeigt», sinniert der Mann auf der Bahnhofstreppe, «kräftemässig haben wir nicht viel zu melden.»

So machten die Organisatoren Werbung für den Sonderzug

Video des Tages

Video: watson

So wird Trump von Demonstranten in Brüssel «empfangen»

1 / 14
So wird Trump von Demonstranten in Brüssel «empfangen»
Trump und Putin kriegen beide ihren Dreck weg.
quelle: epa/epa / armando babani
Auf Facebook teilenAuf X teilen
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
31 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Stichelei
06.07.2017 07:59registriert Oktober 2015
Der junge Mann hat Recht: Nur mit Gewalt erreicht man etwas. Bei mir z.B., dass ich Leute, die Gewalt bewusst einsetzen in der Schublade Arschloch versorge, mitsamt ihren, wenn vielleicht auch berechtigten, Anliegen.
815
Melden
Zum Kommentar
avatar
Hexentanz
06.07.2017 07:19registriert November 2014
Wenn man für eine Sache demonstriert, tut man seine Meinung Kund. Gute Sache. Aber Gewalttätige als Demonstranten zu Bezeichnen? Naja..

Der 18 Jährige der meint, Polizisten hätten angst vor ihm/Ihnen... Wer sowas sagt ist einfach Gewalttätig und sicherlich nicht ein Anti G20 Demonstrant. Wahrscheinlich weiss er nichtmal, was dort genau Besprochen wird.

Ich reise mit einem Zug in einen befreundeten Nachbarstaat, wo von mir als Ausländer erwartet wird, dass ich mich benehme. Aber nein ich gehe dorthin, um gegen die Polizei zu wüten.

Erbärmliche Menschen.
785
Melden
Zum Kommentar
avatar
who cares?
06.07.2017 08:05registriert November 2014
Ist kein Menschenrecht in ein anderes Land zu gehen um dort zu randalieren.
696
Melden
Zum Kommentar
31
F/A-18-Kampfjets fangen Privatjet im Luftraum über Laufen BL ab

Zwei F/A-18-Kampfjets haben am Freitag über Laufen BL einen Privatjet abgefangen. Sie waren zu einer sogenannten «Hot Mission» ausgerückt, weil es keinen Funkkontakt mehr gab zwischen der Flugsicherung und dem Privatflugzeug.

Zur Story