David (32) wollte in Hamburg gegen den G20-Gipfel demonstrieren. Doch als er am Mittwoch den Extrazug aus Basel nehmen wollte, liess ihn die deutsche Bundespolizei nicht einsteigen, sondern händigte ihm ein vierseitiges Schreiben aus. Darin heisst es: «Ihr Aufenthalt im Bundesgebiet würde eine gegenwärtige, schwerwiegende Gefährdung eines Grundinteresses der Gesellschaft begründen oder die öffentliche Gesundheit gefährden.»
Der Aktivist der «Bewegung für den Sozialismus» musste in Basel bleiben und fühlte sich in seinen Grundrechten beschnitten. «Ich bin nicht vorbestraft, habe mich noch nie vermummt und auch noch nie einen Stein geschmissen», sagt er.
Zum Verhängnis wurde David, dass er im Jahr 2010 in der Nähe einer unbewilligten Demonstration verhaftet worden war. Bei der Kundgebung war ein Polizeifahrzeug beschädigt worden. Ein Verfahren wegen Landfriedensbruchs und Sachbeschädigung wurde eingestellt, weil er sich lediglich in der Nähe befunden habe und es keine Indizien für eine Teilnahme gab. Es kam gar nicht zum Prozess. David wurde auch in anderen Zusammenhängen nie verurteilt.
Im Rahmen einer Anhörung vor Ort erklärte David den Beamten den Sachverhalt und macht sie auf die Einstellung des Verfahrens aufmerksam. Es nützte nichts. Mittlerweile hat das Verwaltungsgericht in Stuttgart bestätigt, dass die deutschen Beamten an der Schweizer Grenze mit den Linksaktivisten zu streng waren. Von den 33 Personen, welchen die Einreise verweigert wurde, wehrten sich drei gegen das Verdikt. Alle drei Verfügungen wurden vom Gericht wieder aufgehoben.
Die Einreiseverbote ergingen auch aufgrund von Polizei-Informationen aus der Schweiz. In der Sendung «Club» des Schweizer Fernsehens war die Präsidentin des Polizeibeamtenverbandes, Johanna Bundi Ryser, auf die verweigerten Einreisen und den Informationsfluss nach Deutschland angesprochen worden. Sie sagte, es gehöre zum polizeilichen Austausch, Personen, die einschlägig vorbestraft seien, der deutschen Polizei zu melden. Der Fall von David zeigt nun aber: Die Deutschen hatten nicht nur über verurteilte Gewalttäter Informationen, sondern auch über solche, gegen die lediglich einmal ein Verdacht vorlag.
Auch weitere Einreiseverbote, welche dieser Zeitung vorliegen, enthalten Informationen über Vorfälle im Umfeld linker Proteste, die zu keiner Verurteilung führten. In polizeilichen Datenbanken wird meist nicht erfasst, ob ein Verdacht später von einem Gericht bestätigt wurde. Welchen Weg die Informationen über Schweizer Aktivisten gingen, ist unklar. Cora Thiele, Sprecherin der deutschen Bundespolizei, sagt auf Anfrage: «Für die Erkenntnisgewinnung wurden die Personalien in den polizeilichen Informationssystemen (Deutschland und Schweiz) überprüft.»
Konnten die deutschen Behörden also sämtliche Passagiere des Extrazuges in Schweizer Polizeidatenbanken abfragen? Dem widerspricht Lulzana Musliu, Sprecherin des Bundesamts für Polizei Fedpol. Lediglich in zwölf Fällen habe das Fedpol rund um den G20 entsprechende Amtshilfe geleistet. Das Fedpol sei zwar während der Grenzkontrollen mit einem mobilen Büro in Basel vor Ort gewesen, «um die internationale Polizeizusammenarbeit sicherzustellen». Zu keinem Zeitpunkt hätten deutsche Beamte aber direkten Zugriff auf Schweizer Polizeidaten gehabt.
Die Zahl von zwölf Amtshilfen steht der Zahl von 33 verweigerten Einreisen entgegen. Woher kamen die Informationen über die restlichen Personen? Fedpol-Sprecherin Musliu weist darauf hin, dass Informationen, die zu einer verweigerten Einreise führen, nicht zwingend aus der Schweiz stammen müssen. «Jeder Staat kann Einreisen aufgrund seiner gesetzlichen Grundlage verweigern und muss dies gegenüber dem Herkunftsland nicht begründen.»
Die Sprecherin der Deutschen Bundespolizei Thiele sagt, es hätten neben den Informationen aus der Schweiz noch andere Faktoren eine Rolle gespielt: etwa persönlichen Angaben und das Verhalten der kontrollierten Personen.