Die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau wehrt sich gegen Kritik an der Verfahrensdauer im Falle des Vierfachmörders von Rupperswil, Thomas N. Auch wenn dies in der Öffentlichkeit anders wahrgenommen werde, sei eine Anklageerhebung 16 Monate nach der Verhaftung aus ihrer Sicht sehr speditiv, betont Fiona Strebel, Sprecherin der federführenden Staatsanwaltschaft. Am Donnerstag ist bekannt geworden, dass Thomas N. angeklagt wurde und zwar wegen
Strebel führt aus: «Alleine die Abwicklung der psychiatrischen Begutachtung und der Parteirechte dauert jeweils rund 12 Monate, und das liegt nicht an den Strafverfolgungsbehörden, sondern an unserer Strafprozessordnung.» Diese schreibe unter anderem zahlreiche aufwendige Formalitäten vor und räume den Parteien auch umfangreiche Beschwerdemöglichkeiten gegen Verfügungen der Staatsanwaltschaft ein.
Sind mit der Anklage alle Rechtsmittel vom Tisch? «Nein», sagt Strebel, «es ist eine Beschwerde des Beschuldigten vor Obergericht hängig.» Die Staatsanwaltschaft habe einen Antrag des Beschuldigten abgelehnt, diesen Entscheid habe Thomas N. angefochten.
«Zum Inhalt des Antrags kann ich mich nicht äussern, die Beschwerde betrifft aber einen Aspekt, der das Verfahren nicht verzögert», stellt die Sprecherin klar. Deshalb habe sich die Staatsanwaltschaft entschieden, an ihrem Fahrplan festzuhalten und trotzdem jetzt Anklage zu erheben.
Die Pflichtverteidigerin von Thomas N., Rechtsanwältin Renate Senn, teilt mit, sie nehme die Anklageerhebung zur Kenntnis. Auch wenn das Interesse der Öffentlichkeit am Fall gross sei, «werden seitens der Verteidigung und des Beschuldigten vor der Gerichtsverhandlung keine Stellungnahmen und Erklärungen abgegeben», hält Senn auf Anfrage fest. Sie will sich erst beim Plädoyer an der Gerichtsverhandlung zur Anklage und zum Verfahren äussern.
Wann die Gerichtsverhandlung stattfindet, ist noch nicht klar.
Der nicht vorbestrafte Angeklagte Thomas N., der in der Nähe des Tatorts in Rupperswil wohnte, hatte sich am frühen Morgen des 21. Dezember 2015 Zutritt zum Haus der Familie verschafft und die vier anwesenden Personen in seine Gewalt gebracht.
Er bedrohte den 13-jährigen Sohn und zwang die Frau, ihren 19-jährigen Sohn und dessen 21-jährige Freundin zu fesseln und zu knebeln. Auch der jüngere Sohn wurde danach gefesselt.
Dann verlangte der Täter von der Frau, dass sie Geld beschafft. An Bankomaten in Rupperswil und Wildegg hob sie rund 1000 Euro und 10'000 Franken ab. Nach der Rückkehr ins Haus wurde auch die Frau gefesselt.
Danach verging sich der Täter am jüngeren Sohn. Zuletzt tötete der Täter seine Geiseln, indem er ihnen die Kehle durchschnitt. Er zündete die Opfer mit Brandbeschleuniger an und verschwand unerkannt aus dem Haus. Die Tötungen und die Brandlegung waren von Anfang an geplant.
Tatwaffe in Abfalleimer geworfenDie Tatwaffe, ein Küchenmesser, konnte nie gefunden werden. Der Beschuldigte gab an, er habe das Messer unmittelbar nach der Tat in Geschenkpapier eingewickelt und in der Stadt Aarau in einem öffentlichen Abfalleimer entsorgt. (sda)
21. Dezember 2015: Thomas N. ermordet in Rupperswil vier Personen.
24. Dezember 2015: Polizei fahndet mit Flugblättern.
8. Januar 2016: Trauerfeier für die Opfer.
18. Februar 2016: Medienkonferenz der Polizei, Behörden setzen eine Belohnung von 100'000 Franken aus.
April 2016: Dreharbeiten für Aktenzeichen XY, gesucht wird der Täter.
12. Mai 2016: Thomas N. wird im Starbucks in Aarau verhaftet.
13. Mai 2016: Staatsanwaltschaft, Polizei und Regierung informieren über die Verhaftung und die bisherigen Erkenntnisse.
16. Mai 2016: Renate Senn wird als Pflichtverteidigerin von Thomas N. eingesetzt.
Täter in U-Haft im Zentralgefängnis Lenzburg, Kanton gibt Zehntausende Franken für Suizidprävention aus.
Februar 2017: Thomas N. wird in Strafanstalt Pöschwies in Regensdorf ZH verlegt.
11. Mai 2017: Zwei psychiatrische Gutachten liegen vor.
7. September 2017: Die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau erhebt Anklage gegen Thomas N., unter anderem wegen vierfachen Mordes und Pornografie.
Unbekannt: Wann es zum Prozess am Bezirksgericht Lenzburg gegen Thomas N. kommt, ist noch nicht bekannt.
(aargauerzeitung.ch)