Mittagessen im T-Shirt, wunderbare Fernsicht und traumhafte Sonnenuntergänge. Das fantastische Herbstwetter lässt dieser Tage das Herz von Herr und Frau Schweizer höher schlagen. Mancherorts wird bereits wieder der Grill aus dem Keller hervorgeholt, schliesslich soll es auch am Wochenende sonnig und warm werden. Ein Ende der Schönwetter-Periode ist nicht in Sicht – Frühlingsgefühle mitten im November.
Anders sieht die Gemütslage bei Pierre-Frederik Strahm aus. Der 52-Jährige ist praktizierender Psychologe und unterhält eine eigene Praxis in Zürich. «Der November ist eigentlich der umsatzstärkste Monat», erklärt Strahm als wir ihn im Kreis 4 zum Kaffee treffen und rückt nervös seine Halbrand-Brille zurecht. «Regen, Nebel und tiefe Temperaturen lösen bei vielen Menschen Depressionen aus. Dies beschert uns im Herbst normalerweise Traumzahlen. Gerade in Zürich, wo sich der Nebel besonders hartnäckig zeigt, wird uns im November regelrecht die Türe eingerannt», meint Strahm und wischt sich eine Träne aus dem Auge.
Denn dieses Jahr sei alles anders, sagt der dänisch-schweizerische Doppelbürger. «Seit Tagen hat es nicht mehr geregnet. Und nun löst sich im Unterland auch noch der Nebel auf. Die sonst so treue Kundschaft aus der Kunst- und Bankenbranche sagt reihenweise Termine ab. Uns entgehen so jede Menge Einnahmen, wir haben grosse Probleme uns über Wasser zu halten.» Versichert hat sich Strahm gegen das schöne Wetter nicht. Der November sei im Normalfall ein sicherer Wert.
Sorgen macht sich der mehrfach ausgezeichnete Psychologe vor allem um seine 34-jährige Partnerin Ivana. «Normalerweise hilft sie uns im Herbst ein paar Stunden pro Woche aus. Kopieren, Kaffee machen, abstauben. Doch dieses Jahr ist es im Büro so ruhig, dass ich sogar selbst dazu komme, unsere Buddha-Statue aus dem gemeinsamen Bhutan-Urlaub sauber zu machen.» Da es in der Praxis nichts zu tun gebe, müsse Ivana nun die langen Tage alleine zuhause mit ihrem Cocker-Spaniel verbringen. Bereits seien bei ihr erste Anzeichen einer Depression auszumachen.
Man sieht es Strahm an, er leidet unter der aktuellen Situation. Aufgrund der finanziellen Notlage denkt er sogar daran, sein Geschäfts-Auto, einen Porsche Carrera Cabriolet, zu verkaufen. «Doch das wäre bei diesem schönen Wetter ja auch schade.» (cma)
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