Das ist ungewohnt. Am 5.Juni stimmt die Schweiz über das neue Asylgesetz ab. Die SVP hat den Urnengang per Referendum erzwungen. Doch wie die Partei Anfang Woche mitteilte, verzichtet sie im angelaufenen Abstimmungskampf auf eine Kampagne «im bezahlten Raum».
Offiziell begründet die SVP-Führung den Entscheid damit, dass sie das Geld für die anstehenden Abstimmungen zur EU-Frage aufsparen möchte. Der Verkehrs-Club der Schweiz (VCS) vermutet jedoch, das sei nur die halbe Wahrheit.
VCS-Präsidentin und SP-Nationalrätin Evi Allemann (BE) sagt auf Anfrage, sie gehe davon aus, dass die SVP ihre Millionen im Vorfeld der Juni-Abstimmung voll und ganz auf die Milchkuh-Initiative konzentriere. Diese verlangt, dass die Einnahmen aus der Mineralölsteuer – der Steuer auf Treibstoffen wie Benzin oder Diesel – vollumfänglich der Strassenfinanzierung zugutekommen.
«Die SVP hängt die Milchkuh-Initiative extrem hoch. Verschiedene Parteiexponenten haben ein persönliches Interesse daran, dass sie angenommen wird», sagt Allemann.
Sie spricht von Walter Frey, erfolgreicher Autoimporteur und Mitglied der SVP-Parteileitung. Von SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz, Präsident des Schweizerischen Nutzfahrzeugverbandes Astag, vom Aargauer Transportunternehmer und Nationalrat Ulrich Giezendanner und vom Solothurner Nationalrat Walter Wobmann, der die Interessen der Busunternehmer und Motorradfahrer vertritt. Sie alle sitzen im Komitee der Milchkuh-Initiative.
Gleichzeitig, so Allemann, sei das Interesse der Volkspartei relativ klein, das Asylgesetz tatsächlich zu bodigen. «Die SVP fordert seit Jahren schnellere Asylverfahren – sie kann kaum daran interessiert sein, eine Beschleunigung zu verhindern.» VCS-Geschäftsleitungsmitglied Matthias Müller ergänzt: «Die SVP nutzte das Referendum, um im Wahlkampf 2015 kurzfristig Stimmung zu machen. Für Autoimporteur Frey lohnt es sich aber nicht, Geld gegen das Asylgesetz aufzuwenden, wenn bei der Milchkuh-Initiative so viel auf dem Spiel steht.»
Tatsächlich: Wird die Initiative angenommen, fliessen künftig 1,5 Milliarden Franken zusätzlich aus der Mineralölsteuer in die Finanzierung des Strassennetzes. Gerüchtweise betrage das Budget der Autolobby für die Abstimmung sechs bis acht Millionen Franken, so VCS-Sprecher Müller.
Andreas Burgener, Chef von Auto Schweiz und Kampagnenleiter der Milchkuh-Initiative, dementiert diese Zahl. «Ich wäre froh, wenn wir ein solches Budget hätten. Aber wir sind weit entfernt davon.» Die Kampagne werde von verschiedenen Interessengruppen finanziert: den Strassenbenützern, der Transport- und der Autobranche, aber nicht der SVP.
Die SVP-Nationalräte Giezendanner und Wobmann verneinen ebenfalls,dass ihre Partei zugunsten der Milchkuh-Initiative auf eine Kampagne gegen das Asylgesetz verzichtet. «Es gibt keinen solchen Zusammenhang», sagt Wobmann. Er selber werde zu beiden Vorlagen an Podiumsdiskussionen auftreten.
Giezendanner betont, es sei gar nicht nötig, dass die SVP Geld für die Milchkuh-Initiative aufwende, diese werde von den Verbänden getragen. Er wolle aber nicht in Abrede stellen, dass die Ausgangslage beim Asylreferendum schwierig sei: «Es wird wieder alle gegen einen sein. Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht zu Märtyrern machen, und uns die Frage stellen: Lohnt es sich, so viel zu investieren?»