Es ist eng auf dem Zürcher Wohnungsmarkt, besonders für Geringverdiener und auch für Menschen, die in der Stadt nicht gut vernetzt sind. Von deren Not profitieren Vermieter sowie Betrüger seit Jahren. Die Tricks sind vielfältig, die Maschen zwar meist bekannt, aber doch immer wieder erfolgreich. Und: dass Betrüger auffliegen und bestraft werden, ist äusserst selten.
Zwei junge Männer hat es jetzt allerdings erwischt. G.I.* und G.C.*, beide 30 Jahre alt, beide aus Rumänien, beide ohne festen Wohnsitz in der Schweiz, sitzen in je einer Zelle in den Gefängnissen Horgen und Regensdorf. Die Staatsanwaltschaft 2 beschuldigt sie des gewerbsmässigen Betrugs. Die Staatsanwaltschaft 2 ist jene Staatsanwaltschaft, die zuständig ist für Cybercrime-Fälle – von denen dieser einer ist.
Der betrügerische Plan, den die beiden im Sommer 2015 ausführen, ist ausgeklügelt: Gemäss Anklageschrift reisen I. und C. damals mehrmals in die Schweiz und mieten sich unter falschen Namen Hotelzimmer. Ramada, Alexander, St.Gotthard, Senator; von hier aus veröffentlichen sie insgesamt 219 gefälschte Wohnungsinserate bei den Anbietern Homegate, Anibis, Immoscout24, Tutti und Newhome. Die beiden kaufen sich dazu SIM-Karten unter neun falschen Identitäten und erstellen eigene Mail-Adressen.
Teilweise kopieren sie echte Wohnungsinserate, verändern die Angaben zur Vermieterschaft und passen den Mietzins leicht nach unten an. So heisst es in der Anklageschrift. «Damit das Angebot für die Wohnungssuchenden interessanter wurde».
Die Plattformen prüfen die Inserate zwar, 154 können auch als betrügerisch entlarvt werden, doch 65 Inserate fallen durch das Kontrollraster der Anbieter.
2249 Interessenten melden sich. Diesen tischen die Betrüger eine ausgefeilte Story per Mail auf: Sie geben an, eine «animal farm for children» in Schweden oder Finnland zu besitzen. Die Wohnung sei vor ein paar Jahren für den Sohn gekauft worden, der habe aber nun sein Studium in Zürich beendet. Nun sollten sich auch die Interessenten vorstellen, schliesslich suche man einen ehrlichen Mieter.
Der Plan, wenn er denn aufgegangen wäre, hätte den beiden Rumänen viel Geld beschwert: 5'318'885 Franken berechnet die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift – das sind durchschnittlich 2365 Franken pro Interessent.
I. und C. hätten all diese Personen im Glauben lassen wollen, sie seien die Ausgewählten, heisst es in der Anklage. Dann hätten sie diese dazu bewegen wollen, eine Monatsmiete und ein Depot von durchschnittlich 2365 Franken zu bezahlen. Nach zweimaligem Interesse hätten die Betrüger eine Booking Invoice geschickt, die optisch täuschend echt an Airbnb erinnerte – über Airbnb nämlich würde die Wohnungsbesichtigung und Schlüsselübergabe organisiert werden, behaupteten die beiden. Auch dafür hätten die beiden eine Erklärung gehabt: Sie seien bereits ein Mal in die Schweiz gereist, der Mieter sei aber nicht erschienen. Deshalb wollten sie sich das jetzt ersparen und hätten Airbnb mit der Übermittlung beauftragt.
Tatsächlich hatten die Betrüger, um ihre Story den Wohnungssuchenden unterzujubeln, Domains gekauft. Sie verschickten den Interessenten Links auf airbnb.com/trust. Der Slogan: «Wir kümmern uns ums Geld, damit du es nicht tun musst.» Für die Wohnungsbesichtigung müsse eine Anzahlung erstattet werden, die vollumfänglich zurückbezahlt werde, falls kein Interesse mehr bestünde.
Ob den richtigen Riecher oder keine Geduld: Bereits nach dem ersten Kontakt hatten 2000 Interessenten vom Angebot abgelassen, 127 weiteren Personen wurde die Sache nach der Booking Invoice zu heikel. Diesen Interessenten hatten die beiden noch weismachen wollen, sie müssten eine Anzahlung leisten. Schaden: 300'355 Franken.
I. und C. verloren weitere Opfer, versuchten, den 52 verbliebenen Interessenten aufzuschwatzen, sie seien nun die Mieter und müssten bezahlen. Tatsächlich funktionierte der Schwindel – zumindest bei ein paar wenigen.
Der Aufwand, die möglichen Opfer von ihrer Zahlungspflicht zu überzeugen, war enorm: C. und I. erstellten insgesamt 77 fiktive Mail-Adressen, registrierten Domainnamen und antworteten über die Fake-Airbnb-Seiten per eigens installiertem Chat-Fenster jedem einzelnen Interessenten auf Fragen.
Hätte der Plan funktioniert, hätten C. und I. einen Monatslohn von circa 900'000 Franken gehabt, berechnet die Staatsanwaltschaft. Letztlich war die Ausbeute gemessen am Aufwand aber mager: 11 interessierten sich bis am Schluss für die Wohnung und überwiesen den geforderten Betrag. Der Schaden, der dabei entstand, belief sich auf 23'350 Franken.
Ein einigermassen geringer Schaden – da sich das schweizerische Strafrecht an der Schuld, nicht am tatsächlichen Schaden orientiert, da also nicht das Ergebnis einer Tat, sondern die Absicht des Täters im Zentrum steht, droht den beiden eine hohe Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren. Heute wird am Zürcher Bezirksgericht das Urteil gegen C. und I. eröffnet.
*Namen der Redaktion bekannt. Es gilt die Unschuldsvermutung.