Die Debatte um die Sozialhilfe und ihre Kosten ist lanciert. Auch dank der SVP, die mit dem Thema zusätzlich zur Europafrage Wahlkampf betreiben wird. Das Basiswissen, um in die Debatte einzusteigen finden Sie in den folgenden 8 Charts.
Die Annahme, dass ein immer grösserer Teil der in der Schweiz lebenden Menschen wegen Aussortierung aus dem Arbeitsmarkt, Aussteuerung aus der Arbeitslosenkasse oder Aberkennung von IV-Leistungen in der Sozialhilfe landen, ist falsch. Seit 2005 bewegt sich die Sozialhilfe-Quote mit jährlich marginalen Abweichungen bei drei Prozent der Gesamtbevölkerung.
In den vergangenen vier Jahren hat die absolute Zahl der Sozialhilfebezüger um rund 30'000 Unterstützte zugenommen. Seit 2005 ist die Zahl der Sozialhilfebezüger um rund 5,4 Prozent gewachsen. Das Wachstum der ständigen Wohnbevölkerung lag im gleichen Zeitraum bei 7,7 Prozent. Die absolute Zahl der Sozialhilfebezüger nimmt also zu, kann aber mit dem Bevölkerungswachstum nicht mithalten.
Am ehesten wird von Sozialhilfe abhängig, wer zwischen 0 und 35 Jahre alt ist. Diese Altersgruppe stellt 58,3 Prozent aller Sozialhilfebezüger. Ihr Anteil sinkt jedoch kontinuierlich, das gleiche Bild zeigt sich bei allen anderen Altersgruppen. Einen steigenden Anteil am Sozialhilfekuchen verzeichnen die beiden Altersgruppen 46-55 Jahre und 56-64 Jahre (rote und blaue Linie, +5,7 Prozentpunkte seit 2005).
Seit 2005 sind die Nettokosten für die Sozialhilfe von 1,77 Milliarden Franken auf 2,37 Milliarden Franken gestiegen. Das entspricht einem Anstieg um 33,7 Prozent. Die Zahl der Sozialhilfeempfänger ist im gleichen Zeitraum aber nur um 5,4 Prozent gewachsen. Als Gründe für den überproportionalen Kostenanstieg nennen Fachleute verschiedene Faktoren: 1. Steigende Mieten 2. Mehr teure Langzeitbezüger im Verhältnis zu Bezügern von situationsbedingten Leistungen 3. Fälle, die aus den mit Leistungskürzungen verbundenen Revisionen bei Invalidenversicherung und Arbeitslosenversicherung in die Sozialhilfe kommen 4. Höhere Scheidungs- und Trennungsraten 5. Kürzung von kantonalen Bedarfsleistungen wie Prämienverbilligungen und ähnliches.
Die Nettokosten pro Empfänger haben seit 2005 um rund 2000 Franken oder 26,9 Prozent zugenommen. Die Unterschiede in den einzelnen Kantonen sind jedoch frappant. In Schaffhausen sind die Kosten pro Empfänger um fast 70 Prozent gestiegen, im Kanton Glarus sind die Kosten pro Empfänger um fast 33 Prozent gesunken.
Der Anteil der sozialhilfebeziehenden Wohnbevölkerung mit Schweizer Pass steigt nach Jahren des Rückgangs wieder an (rote und grüne Linie), wogegen die Sozialhilfequote bei der ausländischen Wohnbevölkerung seit 2005 leicht gesunken ist. 2005 waren 6,6 Prozent der ausländischen Wohnbevölkerung Sozialhilfeempfänger. 2012 waren es noch 6,3 Prozent. Bei der Schweizer Wohnbevölkerung lag die Quote der Sozialhilfeempänger sowohl 2009 als auch 2012 bei 2,2 Prozent.
Im Chart sehen Sie die Top 5 der sozialhilfebeziehenden Nationalitäten (exklusive Schweizer Wohnbevölkerung, 2012). Den Löwenanteil machen Sozialhilfebezüger aus Serbien, Montenegro und dem Kosovo aus, die einen stabilen Anteil an der Gruppe der Sozialhilfebezüger ausmacht (jeweils höchstens +/- 3 Prozent gg. Vorjahr). Eine abnehmende Tendenz zeigt sich insgesamt bei den türkischen Sozialhilfebezügern, deren Anzahl seit 2006 um rund 7 Prozent zurückgegangen ist. Italienische und portugiesische Sozialhilfebezüger machen einen zunehmend grösseren Anteil aus. Am auffälligsten ist die Zunahme von Sozialhilfeempfängern mit deutschem Pass. Die Anzahl der deutschen Sozialhilfebezüger ist zwischen 2006 und 2012 um 80,5 Prozent gestiegen und damit weit stärker gewachsen als die deutsche Wohnbevölkerung in der Schweiz. Diese verzeichnete zwischen 2006 und 2012 einen Zuwachs von lediglich 48 Prozent.
Die Nettoausgaben für die Sozialhilfe geteilt durch die Anzahl Einwohner steigt seit 2009 steil an. Nach diesem relativ «harten» Verteilschlüssel, der Kostenwachstum in Relation zum Bevölkerungswachstum berücksichtigt, haben die Sozialhilfekosten um 28,8 Prozent zugenommen.
Der Vergleich der Nettokosten für die Sozialhilfe (roter Balken) mit den Budgetposten des Bundes zeigt: Die Sozialhilfekosten der Gemeinden waren 2012 kleiner als der kleinste Posten im Bundesbudget von 2014.
Sämtliche verwendeten Daten stammen aus der Sozialhilfestatistik des Bundesamtes für Statistik und sind hier einzusehen. Hinweise in der Kommentarfunktion auf allfällige Fehler bei der Übertragung oder Interpretation der Daten sind willkommen.
Die Sozialhilfe erhält Rückzahlungen für Ausgaben zum Beispiel von der IV, Unfallversicherung, Ergänzungsleistungen usw usw .
Also die Ausgaben sind nicht gleich Ausgaben.
Die Rückzahlungen erfolgen teils x Jahre später. Beispielsweise jemand bezieht Sozialhilfe und beantragt gleichzeitig IV-Rente. Die IV lässt sich 5 Jahre Zeit (Normalfall) und zahlt nach 5 Jahren eine Rente.
Die 5 Jahre (rückwirkend) gehen an die Sozialhilfe (wg. Abtretungsgebot).
Diesen Anstieg nur mit den Rentenbezügen zu argumentieren ist etwas platt für mich.