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Die «frechen Griechen» sind kein Vorbild für die Schweiz

Ein nachdenklicher Alexis Tsipras.
Ein nachdenklicher Alexis Tsipras.Bild: ALKIS KONSTANTINIDIS/REUTERS
Syriza in der Sackgasse

Die «frechen Griechen» sind kein Vorbild für die Schweiz

Mit Karacho wollten der neue griechische Regierungschef Alexis Tsipras und sein Finanzminister Giannis Varoufakis Europa aufmischen. Sie sind gescheitert – und das ist bedauerlich.
20.02.2015, 15:4102.03.2015, 09:38
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Beim Bluffen gilt eine eiserne Regel: Die Mitspieler am Pokertisch dürfen nicht wissen, welche Karten man in der Hand hat. Wer sich geschickt anstellt, kann mit einem schlechten Blatt gewinnen. Die Griechen haben im Schuldenspiel mit den anderen 18 Mitgliedsstaaten der Eurozone ebenfalls geblufft. Nur wussten diese genau, dass sie sehr schlechte Karten hatten.

So umschreibt die «Aargauer Zeitung» die «Poker-Partie» zwischen Griechenland und der EU. Nach ihrem Wahlsieg vor vier Wochen war die linksradikale Partei Syriza mit grossen Versprechungen angetreten: Weg mit der Sparpolitik, die viele Griechen verarmen liess. Weg – zumindest teilweise – mit dem gigantischen Schuldenberg von rund 315 Milliarden Euro.

«Ein Rockstar der Politik»

Wie ein Wirbelwind fegten der neue Ministerpräsident Alexis Tsipras und sein hemdsärmeliger Finanzminister Giannis Varoufakis durch Europa. Sie kündigten der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) die Zusammenarbeit auf. Sie suchten Verbündete und gingen auf Kollisionskurs mit «Zuchtmeister» Deutschland, dem grössten Euroland.

Zwei Streithähne: Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem und der griechische Finanzminister Giannis Varoufakis.
Zwei Streithähne: Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem und der griechische Finanzminister Giannis Varoufakis.Bild: FRANCOIS LENOIR/REUTERS

Das forsche Auftreten stiess auch in der Schweiz auf Bewunderung, die mit der EU um Anpassungen bei der Personenfreizügigkeit ringt. Der EU-phobe Chefredaktor der «Basler Zeitung» ging vor dem Lederjacken-Finanzminister regelrecht in die Knie: «Wow. Was für ein Mann. Ein Rockstar der Politik.» Die «NZZ am Sonntag» meinte, die Schweiz solle «mit ein wenig griechischer Frechheit» in die Gespräche mit Brüssel einsteigen. Und SVP-Vordenker Christoph Blocher sagte im Interview mit watson: «Ich gehe davon aus, dass Griechenland in der Auseinandersetzung mit der EU einiges erreichen kann.»

Wenig Verständnis für die Griechen

Blocher hat sich gründlich getäuscht. Eins ums andere Mal liefen Tsipras und Varoufakis auf. Von den vermeintlichen Verbündeten Frankreich und Italien gab es nicht mehr als ein aufmunterndes Schulterklopfen. Deutschland blockte ohnehin ab, und auch in Spanien, Portugal oder den baltischen Ländern, die selber ein hartes Sparregime durchstehen mussten, hält sich das Verständnis für die Nöte der Hellenen in engen Grenzen.

Am Donnerstag gab die griechische Regierung erstmals nach. Sie ersuchte offiziell um eine Verlängerung des Ende Februar auslaufenden Hilfsprogramms um sechs Monate. Zwar versucht Finanzminister Varoufakis weiterhin, die verhassten Spar- und Reformauflagen loszuwerden. Doch beim Treffen der Euro-Finanzminister am Freitag dürfte es allenfalls zu kleineren Zugeständnissen kommen. Mehr können die Griechen mit ihren schlechten Karten nicht erwarten.

Wir trauen euch nicht!

Nicht hilfreich ist auch die Entwicklung in der Heimat. Zwar stösst das forsche Auftreten der Syriza-Truppe auf grosse Zustimmung. Gleichzeitig zahlen die Griechen aber kaum noch Steuern in Erwartung der im Wahlkampf versprochenen Entlastungen. Das verschärft die Haushaltslage massiv. Gleichzeitig heben sie aus Angst vor dem Grexit, dem Austritt aus der Eurozone, im grossen Stil Geld von den Banken ab, stopfen es in die Matratze oder transferieren es ins Ausland.

Die Botschaft an Tsipras und Varoufakis ist eindeutig: Wir finden euch toll. Aber wir trauen euch nicht.

Das griechische Fiasko ist bedauerlich. Mit einem etwas staatsmännischeren Auftreten hätte Alexis Tsipras «Europa auf einen glücklicheren Pfad führen können», schreibt das britische Wirtschaftsmagazin «The Economist». Die Eurozone brauche dringend ein Gegengewicht zur Sparpolitik deutscher Prägung. Mit seinem starken demokratischen Mandat hätte Tsipras dies liefern können. Doch am Ende habe er so ziemlich alle verärgert. «Das ist auch eine beachtliche Leistung», so das resignative Fazit des «Economist».

Kann dies ein Vorbild für die Schweiz sein? Am Ende ist das bedächtige, abwägende Auftreten des Bundesrats gegenüber der EU vielleicht doch der erfolgversprechendere Weg. Denn auch wir haben nicht so gute Trümpfe in der Hand, wir wir uns das gerne einreden.

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