Fast zehn Jahre ist es her. Hautnah musste Claudia Pfleger 2008 miterleben, wie das Leben ihrer Tochter Céline innerhalb von Sekunden zerstört wurde.
In der Sendung «TalkTäglich» auf Tele Züri erinnert sie sich: «Am Morgen habe ich Céline geweckt, wie sonst auch immer. Sie wollte das so. Ich lief mit ihr ins Badezimmer, sie nahm ihre Zahnspange heraus. Dann sagte sie, sie fühle sich komisch, sie habe einen Muskelkater.»
Damals wusste Mutter Claudia nicht, dass sich eine Lungenembolie so anfühlt. «Ich konnte nur noch wenige Worte mit ihr wechseln. Plötzlich wurde sie ganz weiss und klappte bewusstlos zusammen. Sie hatte leicht starre Augen. Ich wusste sofort, dass es etwas Schlimmes sein musste.»
Die Mutter reagierte, rief den Notarzt. Im ersten Moment habe sie die Situation gar nicht begreifen können. Auch heute könne sie kaum fassen, was damals passiert ist. «Das waren die letzten Worte, die ich bis heute von meiner Tochter gehört habe.»
Die Diagnose: Beidseitige schwere Lungenembolie mit Herzstillstand. Diese führte zu einem Sauerstoffmangel, der eine schwere Hirnschädigung zur Folge hatte. Die junge Frau ist heute spastisch gelähmt und schwer invalid. Schnell war die Ursache gefunden. «Mehrere Ärzte bestätigten, dass nur die Antibabypille Schuld daran sein kann», erzählt Pfleger.
Die Familie verklagte die Firma Bayer auf Schadenersatz von 5,3 Millionen Franken und eine Genugtuung von 400'000 Franken, zog die Klage bis vor Bundesgericht. Doch der Pharmariese gewann.
Doch auch heute ist Claudia Pfleger überzeugt: «Ich bin mir sicher, dass man das hätte verhindern können, wenn ich das Wissen von heute damals schon gehabt hätte», erklärt Pfleger. Bereits vor 2008 gab es in den USA ähnliche Fälle, von denen man in Europa nichts gewusst hatte. Obwohl man nur selten davon hört, «bedeutet das nicht, dass es keine mehr gibt.»
Heute lebt die mittlerweile 27-jährige Céline in einem Heim für körperbehinderte Menschen in Schaffhausen. «Mir war es wichtig, dass sie in die Nähe ihrer Familie kommt, dorthin, wo sie aufgewachsen ist», erklärt Pfleger.
Körperlich sei sie auf dem Stand eines Kleinkindes, ihr Verstand arbeite jedoch weitgehend normal: «Sie ist gefangen im eigenen Körper.» Sie könne sich nicht mitteilen, sehe schlecht.
«Es war lange der Wunsch der Familie, dass sie wieder sprechen kann», erzählt Pfleger. Céline mache zwar Fortschritte, aber nicht in diese Richtung. Die Chance, dass sie jemals wieder sprechen kann, sei minimal.
«Es war hart, das zu akzeptieren.» Dennoch ist Claudia Pfleger unglaublich stolz auf ihre Tochter. «Sie meistert die Situation gut und hat gelernt, damit zu leben. Obwohl, sie hatte ja keine Wahl.»
In einem Buch hat Célines Mutter die ganze Geschichte aufgeschrieben. Damit möchte sie Eltern und Jugendliche auf die Risiken aufmerksam machen, sie sensibilisieren und dazu animieren, Nebenwirkungen und Risiken genau abzuklären. «Man sollte sich die Pillen wirklich genau anschauen und auch über Alternativen nachdenken.»
In Italien sei beispielsweise ein Test obligatorisch, der Frauen zeigt, ob sie emboliegefährdet sind. Wieso sich das in der Schweiz nicht durchgesetzt hat, ist für Pfleger unverständlich.
Vor Gericht ist der Fall abgeschlossen, aber für die Familie wird er es nie sein. «Die älteste Tochter heiratet bald. Aber für Céline wird das nie möglich sein, denn sie ist in den Zustand eines Kleinkindes zurückversetzt.» Dennoch gibt es für die Familie auch schöne Momente. «Die Solidarität für Céline war riesig und dafür sind wir unglaublich dankbar.»