Markus Hungerbühler (CVP) will Zürcher Stadtrat werden. Dass er homosexuell ist, ist in der Partei kein Geheimnis: Er leitet die LGBTI-Fachgruppe der Partei, vor einigen Jahren liess er sich für ein Wahlplakat gemeinsam mit seinem Lebenspartner ablichten. Im Nationalrats-Wahlkampf 2015 schaltete er gar ein Inserat in einem Gay-Magazin, in dem er mit den schwulenfeindlichen Aussagen des Churer Bischofs abrechnete.
Inzwischen gab es im Hause Hungerbühler Familienzuwachs: Im Nominationsverfahren für die Stadtratswahlen habe der Politiker sein Töchterchen erwähnt, schreibt 20 Minuten. Es wurde von einer Leihmutter in den USA ausgetragen, Hungerbühlers Lebenspartner ist der biologische Vater des inzwischen sechswöchigen Mädchens.
Die Regenbogenfamilie stösst in der CVP-Basis teilweise auf Skepsis, wie es im Artikel heisst: Hinter vorgehaltener Hand kritisierten Parteimitglieder, eine Leihmutterschaft lasse sich mit dem C im Parteinamen, dem Christlichen, nur schwer vereinbaren. Das Streben nach dem eigenen Glück «stehe im krassen Gegensatz zur Menschenwürde».
Hungerbühler räumt ein, er habe am Rande mitbekommen, dass einige Personen Mühe mit seinen Familienverhältnissen hätten. Die meisten Parteikollegen hätten jedoch kein Problem mit der Leihmutterschaft, sondern «freuen sich mit uns». «Ich habe kein Geheimnis um unsere Tochter gemacht, sondern die Partei offen informiert», bekräftigt Hungerbühler im Gespräch mit watson.
Leihmutterschaft ist in der Schweiz verboten, in den USA und einer Reihe von weiteren Ländern ist sie jedoch legal. Darum reisen zahlreiche Schweizer Paare jedes Jahr ins Ausland, um ihren Kinderwunsch dort zu erfüllen. Experten gehen von einer mindestens zweistelligen Zahl an Paaren aus. Der Bundesrat schrieb in einem Bericht zum Thema, die Dunkelziffer sei hoch.
Immer wieder gab es darum Bestrebungen, das Verbot der Leihmutterschaft im Inland zu lockern oder aufzuheben. Unter anderem sprach sich auch die nationale Ethikkommission 2013 dafür aus. «Ich finde es wichtig, dass diese Frage von der Politik und der Gesellschaft diskutiert wird», sagt Hungerbühler dazu.
Rechtlich stellt sich die Frage, wie mit einem Kind, das bei zwei Vätern aufwächst, umgegangen wird. Bereits beschäftigten mehrere Fälle die Schweizer Richter, in denen sich Männerpaare gemeinsam als Eltern ihres Leihmutter-Babys eintragen lassen wollten. Die Haltung des Bundesgerichts dazu ist jedoch klar: Nur der genetische Vater dürfe offiziell als Elternteil ins Personenstandsregister eingetragen werden, beschieden die Lausanner Richter 2015 zwei homosexuellen Paaren aus der Ostschweiz und dem Aargau.
Bislang gibt es auch im Hause Hungerbühler erst einen offiziellen Elternteil. «Mein Partner ist der leibliche Vater unserer Tochter – ich hingegen bin juristisch noch inexistent», so der CVP-Mann. Hoffnung gibt ihm eine Revision des Adoptionsrechts, die nächstes Jahr in Kraft tritt. Künftig ist es Homosexuellen, die in eingetragenen Parterschaften leben, möglich, ihr Stiefkind zu adoptieren.
Geht es nach Hungerbühler, soll die Politik künftig noch einen Schritt weitergehen und Schwulen auch die Volladoption, also die Adoption fremder Kinder, erlauben. «Es wäre richtig, auch in diesem Punkt heterosexuelle und homosexuelle Paare gleichzustellen», findet er.
Vor negativen Reaktionen aus seiner Partei fürchtet er sich nicht. «Als die eingetragenen Partnerschaften 2005 erlaubt wurden, gab es in der CVP auch noch kritische Stimmen, obwohl die Mutterpartei die Ja-Parole vertrat. Inzwischen ist das kein Thema mehr.» Er sei zuversichtlich, dass dem gesellschaftliche Wandel auch in diesen Fragen künftig Rechnung getragen werde – innerhalb und ausserhalb seiner Partei.