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B'n'B-Abzocker: Verwaltung will all die Jahre nichts mitgekriegt haben

Kann die Liegenschaftenverwaltung Zürich jahrelang nichts von Ruebs B'n'B gewusst haben? 
Kann die Liegenschaftenverwaltung Zürich jahrelang nichts von Ruebs B'n'B gewusst haben? Bild: watson
Zürcher Stadtwohnungen

B'n'B-Abzocker: Verwaltung will all die Jahre nichts mitgekriegt haben

Der Stadtzürcher Liegenschaftenverwaltung ist der frechste Herbergsvater Zürichs, der seit zwölf Jahren Profit aus seiner gemeinnützigen Stadtwohnung schlägt, erst seit einem halben Jahr bekannt. Sie habe keine Veranlassung, ihre Mieterschaft zu überwachen, meint sie.
16.07.2014, 10:5616.07.2014, 17:00
Rafaela Roth
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Franz Rueb betreibt an bester Lage in Zürich in einer städtischen Familienwohnung ein Bed and Breakfast (B'n'B). Der Mieter machte nie ein Geheimnis aus seinem kleinen Hotelbetrieb. Jahrelang warb er im Internet dafür, gegenüber watson gab er freimütig über seine Tätigkeit Auskunft, 2013 veröffentlichte er ein Buch über sein B'n'B und erwähnte es vor fünf Jahren auch gegenüber der «MittellandZeitung». Im Klartext: Das halbe Quartier wusste Bescheid. 

Eine Rezension über Ruebs Biografie von 2009. 
Eine Rezension über Ruebs Biografie von 2009. Bild: franzrueb.ch
Schon damals stand da: «... und führt in der Stadt Zürich ein B&B.»
Schon damals stand da: «... und führt in der Stadt Zürich ein B&B.»Bild: franzrueb.ch

Nur die Liegenschaftenverwaltung hat nach eigenen Angaben nichts vom florierenden B'n'B in ihrem Gebäude gewusst. Die Einkommen der Mieter und das Einhalten der Belegungsvorschriften kontrolliert sie nur bei den subventionierten Wohnungen. Nicht aber bei 4869 Wohnungen zur sogenannten Kostenmiete, die deshalb so günstig sind, weil sie der Spekulation entzogen werden. 

«Eine für Wohnzwecke vermietete Stadtwohnung gewerblich zu nutzen, ist nicht zulässig. Von dieser preiswerten Unterkunft könnte eine vierköpfige Familie profitieren.»
Gemeinderat Walter Angst vom Mieterverband

Liegenschaftenverwaltung sucht B'n'B-Betreiber in ihren Häusern nicht aktiv

Seit 2007 prüft die Liegenschaftenverwaltung zwar bei Mietvertragsabschluss, dass in den städtischen Wohnungen immer so viele Personen wie es Zimmer hat minus eins leben, und dass das Einkommen das Vierfache des Bruttomietzinses nicht übersteigt. Während der Mietdauer kontrolliert das jedoch niemand mehr.

Die drei Säulen des gemeinnützigen Wohnungsbaus in Zürich
- Direkt subventionierte städtische Wohnungen unterstehen strengen Vergabekriterien und Belegungsvorschriften. Diese werden periodisch überprüft (2289 Wohnungen).
- Stadtwohnungen, die zur Kostenmiete vergeben werden unterliegen ebenfalls Vergabekriterien und Belegungsvorschriften. Diese werden aber nur bei Mietantritt kontrolliert. (4869)
- Genossenschaften und Stiftungen, die insofern staatlich gestützt sind als dass sie z. B. Baurecht zu Vorzugskonditionen erhalten, legen selber Vergabekriterien und Belegungsvorschriften fest (38'000).

Deshalb habe man auch im Fall von Rueb all die Jahre nichts gemerkt. Auf Anfrage von watson heisst es bei der Liegenschaftenverwaltung, man habe erst seit einem halben Jahr Kenntnis von Ruebs Herberge und sei in Verhandlungen mit dem Mieter. «Wir suchen das Gespräch, wenn wir Hinweise aus der Nachbarschaft erhalten. Es erstaunt uns, dass wir in diesem Fall nicht schon früher einen Tipp erhalten haben. Deshalb glauben wir nicht, dass dieses B'n'B intensiv bewirtschaftet wurde», sagt Jürg Keller, Vizedirektor der Liegenschaftenverwaltung Zürich.

Liegenschaftenverwaltung: «Rueb ist ein Einzelfall»

Dem widerspricht Rueb, der in der Zwischenzeit weiter Touristen in seiner Stadtwohnung empfing, gleich selbst. Er sei «ständig ausgebucht», sagt er gegenüber watson. Die Liegenschaftenverwaltung fasst ihn derweil mit Samthandschuhen an. Sie forderte den unliebsamen Mieter lediglich schriftlich dazu auf, einen Umzug in eine kleinere Wohnung zu erwägen. «Rueb ist ein Einzelfall», sagt der Liegenschaften-Verantwortliche Markus Feer: «Wir versuchen nun die Angelegenheit auf eine gute Art schnell genug zu erledigen.»

Liegenschaftenverwaltung der Stadt Zürich an der Morgartenstrasse.
Liegenschaftenverwaltung der Stadt Zürich an der Morgartenstrasse.Bild: watson/rar
Der frechste Herbergsvater Zürichs
Vor 28 Jahren bezog Publizist und Autor Franz Rueb mit seiner dreiköpfigen Familie eine Fünfeinhalb-Zimmerwohnung in einer städtischen Liegenschaft. 1992 trennten sich Rueb und seine Frau, zwei Jahre später zog der Sohn nach Berlin. Die Zimmer wurden leer, das Geld etwas knapp. So beschloss Lebenskünstler Rueb, sich zehn Jahre später vom Publizisten zum selbsternannten Herbergsvater zu wandeln und verköstigte fortan Gäste aus aller Welt. Versteuert hat er seine Einkünfte über die zwölf Jahre mutmasslich nie.

Das bringt selbst Gemeinderat Walter Angst vom Mieterinnen- und Mieterverband Zürich auf die Palme. «Das geht so nicht. Eine für Wohnzwecke vermietete Stadtwohnung gewerblich zu nutzen, ist nicht zulässig. Von dieser preiswerten Unterkunft könnte eine vierköpfige Familie profitieren», sagt Angst und fordert von der Stadt, ihren Mietern genauer auf die Finger zu gucken: «Weil sich die Wohnungsnot in den letzten Jahren massiv verschärft hat, muss die Stadt genauer hinschauen. Sie sollte sich überlegen, die Belegung – ähnlich wie einige Genossenschaften – auch während der Mietdauer zu kontrollieren.» 

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Dem Vizedirektor der Liegenschaftenverwaltung, Jürg Keller sind nach eigenen Angaben aber die Hände gebunden. «Aufgrund der bisherigen Mietverträge und der aktuellen Vermietungsverordnung haben wir heute keine Veranlassung, aktiv unsere Mieterschaft zu überwachen», sagt Keller. Man reagiere jedoch auf Hinweise.

Damit wird es möglich, dass ganze B'n'B's in Stadtwohnungen florieren. Eine neue Verordnung soll das nun ändern. Der Stadtrat beschäftigt sich mit dem Thema und wird im besten Fall noch in diesem Jahr neue Richtlinien präsentieren. Denn, so Jürg Keller: «Für regelmässige Kontrollen wie bei den subventionierten Wohnungen haben wir heute die Kapazitäten und die Rechtsgrundlage nicht.»

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