«Weil auch ich nach einer Partynacht nicht wirklich gut aussehe» – mit diesem Spruch wirbt Männermodel Kevin (30) aus Zürich für eine L'Oréal Paris Make-up-Foundation. Die Schweizer Geschäftsstelle der Kosmetikfirma hat ihn als eines ihrer 14 Aushängeschilder für ihre neue Kampagne verpflichtet.
Auch in England und Deutschland versucht das Unternehmen mit Male Models, die männliche Kundschaft für sich zu gewinnen. Sabrina Pesenti von L'Oréal Schweiz: «Die Grenzen zwischen den Geschlechtern verwischen sich immer mehr. Und heutzutage benutzen auch viele Männer Foundation. Einen Mann in unseren Werbespot einzubringen, erschien uns deshalb als angebracht.»
Mit dieser Einstellung ist L'Oréal nicht alleine. Der US-Konzern Maybelline engagierte Anfang Jahr einen männlichen Beauty-Blogger für eine Mascara-Kampagne. Und auch das US-Beautylabel «Covergirl» hat einen männlichen Markenbotschaftler unter Vertrag. Schminkende Männer stellen für die Kosmetikbranche natürlich zusätzliche Kunden dar. Dazu will Pesenti nur sagen: «Wir werden die Entwicklungen in diesem Bereich sicher nah beobachten.»
Auch der Visagistin Anja Reding von Diwa Cosmetics in Bern fällt auf, dass die Kosmetikbranche in ihrer Werbung vermehrt auf Männer zielt. Mit Erfolg: «Zu uns kommen Teenies, Handwerker oder Businessmänner.» Oft gefragt sei Make-up um Akne oder Augenringe zu kaschieren oder Puder gegen glänzende Haut.
Make-up bei Männern? Tatsächlich: Eine Studie des Portals Hushhush.com ergab, dass 50 Prozent der britischen Männer regelmässig Make-up auftragen. Jeder Fünfte sogar täglich.
Dass auch Männer zu Pinsel und Co. greifen, falle nicht auf, erklärt Reding, da ihr Make-up oft sehr natürlich ausfalle und sie aus Scham nicht darüber sprechen. Die Visagistin meint aber, dass sich das legen wird: «Ich gehe davon aus, dass es in zehn Jahren ganz normal sein wird, dass sich ein Mann schminkt.»
Anderer Meinung ist Wirtschaftspsychologe Christian Fichter: «Werbung kann nur an Bedürfnisse appellieren, die schon vorhanden sind – sie kann keine neuen kreieren. Und Männer wünschen sich einfach kein Make-up.» Diesen Markt würden die Kosmetik-Brands somit auch in Zukunft nicht durchdringen.
Fichter: «Männer konsumieren oft so, dass sie ihren Status, ihre Macht demonstrieren können. Bei Frauen liegt die Attraktivität, die Jugend und somit die Gebärfähigkeit im Zentrum». Dass Beauty-Produkte besser bei Frauen ankommen, sei folglich evolutionär bedingt.
Fichter geht davon aus, dass sich auch in Zukunft nicht mehr als ein Prozent der Männer schminken wird. Für die Gesellschaft hält er die Werbung mit Männermodels aber für begrüssenswert: «So wird denjenigen Männern, die sich schminken möchten, gezeigt: ‹hey, es ist völlig okay wenn du dein Bibeli abdeckst›.»