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Calmy-Rey: Schweiz soll Saudi-Arabien im Iran vertreten

Alt Bundesrätin Micheline Calmy-Rey bei einem Auftritt in Genf im Jahr 2014.
Alt Bundesrätin Micheline Calmy-Rey bei einem Auftritt in Genf im Jahr 2014.
Bild: KEYSTONE

Calmy-Rey schlägt vor: Die Schweiz soll Saudi-Arabien im Iran vertreten

Aus Sicht der früheren Aussenministerin Micheline Calmy-Rey wäre die Schweiz prädestiniert dazu, im Konflikt zwischen Saudi-Arabien und Iran zu helfen. Die Schweiz könnte ein Schutzmachtmandat für die Saudis übernehmen – wie sie es für die USA tut.
10.01.2016, 00:3810.01.2016, 09:30
Henry Habegger / schweiz am Sonntag
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Ein Artikel von Schweiz am Sonntag
Schweiz am Sonntag

Ein Konflikt eskaliert: Heute vor einer Woche hat Saudi-Arabien seine diplomatischen Beziehungen zum Iran abgebrochen. Am Vortag hatten wütende Demonstranten in Irans Hauptstadt Teheran Brandsätze auf die Botschaft der Saudis geworfen und waren auf das Botschaftsgelände vorgedrungen, Teile des Gebäudes wurden angezündet. Auslöser des Botschaftssturms war die Hinrichtung des prominenten schiitischen Geistlichen Nimr al-Nimr durch die Saudis. Er war wegen Anstiftung zu Aufruhr, Volksverhetzung und Vandalismus zum Tod verurteilt worden.

Die Situation ist gespannt, sie kann sich jederzeit dramatisch verschärfen. Für Alt-Bundesrätin Micheline Calmy-Rey (70) ist klar: Die Schweiz sollte jetzt versuchen, die Wogen zwischen den beiden verfeindeten Staaten zu glätten. «Die Krise und der Umstand, dass Saudi-Arabien die diplomatischen Beziehungen zum Iran abgebrochen hat, ist ein typischer Fall für die traditionellen Guten Dienste der Schweiz», sagt sie gegenüber der «Schweiz am Sonntag». Sie rät: «Die Schweiz könnte jetzt anbieten, die diplomatischen und konsularischen Interessen von Saudi-Arabien im Iran zu vertreten. Wie sie das schon für die USA tut.»

Keine Vermittlerrolle

Calmy-Rey, die von 2003 bis Ende 2011 Schweizer Aussenministerin und als solche für ihre engagierte, offensive Diplomatie bekannt war, geht davon aus: «Die Schweiz würde dabei keine Vermittlerrolle übernehmen, aber sie würde die Kommunikationskanäle offen halten, und das ist in solchen Situationen sehr wichtig.»

Die Schweiz wäre bereit, im Konflikt zwischen Iranern und Saudis ihre Guten Dienste anzubieten. Das lässt Aussenminister Didier Burkhalter über seinen Sprecher ausrichten.
Die Schweiz wäre bereit, im Konflikt zwischen Iranern und Saudis ihre Guten Dienste anzubieten. Das lässt Aussenminister Didier Burkhalter über seinen Sprecher ausrichten.
Bild: KEYSTONE

Die Schweiz hat derzeit gemäss EDA-Aufstellung noch vier Schutzmachtmandate inne: Sie vertritt die USA im Iran, den Iran in Ägypten, Russland in Georgien, Georgien in Russland. Letztes Jahr, als die USA und Kuba die diplomatischen Beziehungen wieder aufnahmen, endete das Schweizer Mandat für diese Länder.

Bei ihrem Nachfolger als Aussenminister, FDP-Bundesrat Didier Burkhalter, stösst Calmy-Reys Vorschlag auf offene Ohren. «Wir stehen zur Verfügung», sagt Jean-Marc Crevoisier, Kommunikationschef des Schweizer Aussenministeriums. Er hält fest: «Wir sind bereit, unsere Guten Dienste anzubieten und im Konflikt zu vermitteln oder die Vertretung von konsularischen und diplomatischen Interessen zu übernehmen». Es brauche dazu aber «eine formelle Anfrage der Konfliktparteien», und eine solche liege bisher nicht vor. Der Sprecher betont, dass die Schweiz gute Beziehungen und Kontakte zu beiden Staaten habe, was eine gute Ausgangslage wäre.

Kritik an offziellen Reisen

Das Bild, das Calmy-Rey viel Kritik einbrachte: Die Bundesrätin mit Kopftuch 2008 im Gespräch mit dem damaligen Präsidenten Ahmadinejad.
Das Bild, das Calmy-Rey viel Kritik einbrachte: Die Bundesrätin mit Kopftuch 2008 im Gespräch mit dem damaligen Präsidenten Ahmadinejad.
Bild: AP

Diese guten Beziehungen sind in der Schweiz namentlich bei Mitte-Links aber nicht unumstritten, weil sie auf dem Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen mit Ländern fussen, in denen die Menschenrechtslage desaströs ist. So stösst der bevorstehende Iran-Besuch von Bundespräsident Johann Schneider-Ammann ebenso auf Kritik wie die Reise von Staatssekretär Yves Rossier, die ihn im letzten November nach Saudi-Arabien, Kuwait und in den Iran führte. Doch für eine allfällige Vermittlerrolle der Schweiz sind diese guten Kontakte in alle Lager zweifellos hilfreich.

Micheline Calmy-Rey, die heute Gastprofessorin an der Universität Genf und Mitglied einer UNO-Arbeitsgruppe zur Ebola-Seuche ist, erntete ebenfalls einschlägige Kritik. So 2008, als sie bei einem Besuch beim iranischen Staatschef Mahmud Ahmadinejad ein Kopftuch trug. Sie habe sich den örtlichen Gepflogenheiten angepasst, konterte sie damals.

(trs)

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4 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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saderthansad
10.01.2016 01:01registriert Februar 2014
Gute Idee. Da heute Kurs auf Konflikt gross in Mode ist, finde ich es begrüssenswert, wenn die Schweiz Vermittlungsdienste anbietet.
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