Matthias Aebischer, Sie ärgern sich über die SP.
Matthias Aebischer: Nein, nicht ärgern, ich sage: Wir, die SP, haben ein Kommunikationsproblem. Wir kommunizieren viel zu kompliziert. Und die, die wir ansprechen wollen, werden nicht erreicht.
Sie meinen den «Zukunftsparteitag» vom Samstag?
Das ist nur ein Beispiel von vielen. Dort reden 600 Leute über ein 20-Punkte-Programm. Inhaltlich finde ich die 20 Punkte gut, aber bei jedem einzelnen Punkt muss man erklären, was er bedeuten könnte. So etwas gehört nicht an einen Parteitag.
Warum nicht?
Schon der Titel des Positionspapiers vom Samstag: Wirtschaftsdemokratie. Was ist das? Oder Ausdrücke im Papier wie: Regionale Vertragslandwirtschaft. Das versteht kein Mensch. Anstatt dass man sagt, was ist: Den Bauern aus der Region die Produkte abkaufen.
Was gehört denn an einen Parteitag?
An einem Parteitag muss die SP näher zum Volk. Der Parteitag könnte als Volksfest beispielsweise auf dem Bundesplatz stattfinden. Man könnte ihn öffnen für Leute, die nicht in der SP sind. Wie das viele Sektionen Jahr für Jahr tun: Mit Glühwein, mit Marktständen, mit Musik. Mit einem Risotto-Essen. Zudem muss die SP dort mit klaren Worten sagen, für wen und was sie ist.
Welche Inhalte wollen Sie denn am Parteitag kommunizieren?
Die Inhalte liegen auf dem Tisch. Wir haben am 12. Februar eine Abstimmung. Wir kämpfen gegen Milliardengeschenke für die Grosskonzerne. Bezahlt werden diese Milliarden von den Leuten, die täglich zur Arbeit gehen. So einfach kann man das erklären. An den Parteitag gehört auch die Botschaft: Die SP ist die Partei, die für die Arbeiterinnen und Arbeiter ist. Mehr Inhalte braucht es am Parteitag nicht. Programme kann man in Arbeitsgruppen erarbeiten, die für alle offen sind.
Nur: SP als Partei der Arbeiter. Ist das noch zeitgemäss?
Oder meinetwegen Arbeitnehmende. Aber es muss gesagt werden! Ich stelle häufig fest: Viele Leute sind sich nicht bewusst, dass sie ohne SP viele Vorteile nicht hätten, von denen sie heute profitieren: Die ganze Vorsorge, AHV, Pensionskasse: Der Arbeitnehmende muss wissen: Das ist dank der SP entstanden. Dass man ihm nicht so leicht kündigen kann, dass er einen Minimallohn garantiert hat: Das gäbe es ohne Gewerkschaften und SP nicht. Ich stelle oft fest: Vielen, die gegen uns ausrufen, ist das heute gar nicht mehr bewusst.
Ist der Parteitag am Samstag in Ihren Augen nutzlos?
Das nicht. Aber er ist eine verpasste Chance.
Sie sagen implizit, die jetzige Parteispitze kommuniziere falsch.
Ich sage nicht «falsch». Aber meistens schafft sie es nicht, verständlich zu kommunizieren. Manche reden leider lieber gescheit als verständlich.
Kürzlich warf Ihr Präsident Christian Levrat das Wort Klassenkampf in die Debatte. Das ist doch verständlich?
Klassenkampf? Wenn ich da draussen auf der Strasse frage, was das ist, dann weiss das keiner. Tut mir leid. Oder Überwindung des Kapitalismus, das ist auch so ein katastrophaler Ausdruck. Wir haben es nicht ein einziges Mal fertig gebracht, in der Öffentlichkeit auszudeutschen, um was es uns geht.
Die SP soll so simpel kommunizieren wie Trump in den USA?
Das hat doch nichts mit Trump zu tun. Das hat mit Sprache zu tun: Sagen, was man will. Mir kommt immer wieder Tony Blair in den Sinn, der sagte, drei Dinge seien ihm wichtig: Education, education, education. Das war genial.
In der SP tobt im Vorfeld gerade wieder ein Kampf zwischen Leuten wie Daniel Jositsch, für die die SP zu links ist. Und solchen wie Corrado Pardini, der Jositsch und Co. als Rechte abtut. Wo stehen Sie in dieser Debatte?
Ich kann viele Forderungen unterschreiben, die Pardini kürzlich festhielt. Aber Grabenkämpfe bringen die Partei nicht weiter. Zumal alle Analysen zeigen: Die anderen Parteien sind verzettelt. Bei der SP haben in der Grafik alle Positionen auf einem Reissnagel Platz. Wir streiten uns also über die Spannbreite eines Reissnagels. Das ist ja lächerlich.
Alle haben die gleiche Meinung?
Eine ähnliche. Eine grössere Spannbreite der Meinungen wäre nur gut. Wenn man eine 25 Prozent-Partei werden will, und das will ich, dann braucht es das. Sonst bleiben wir eine 20-Prozent-Partei wie heute.
Die SP muss viel mehr - einfach dargelegt - aufzeigen, was Sache ist. Ohne der SP ginge es dem grössten Teil der SVP Wählerschaft ziemlich Elend.
Deshalb schiessen die Bürgerlichen voll auf die SP ein, weil sie genau wissen, was die Schweiz einer starken Sozialdemokratie alles verdankt.
Die SP ist zudem nach wie vor zu sehr konkordant: sie müssten die Bürgerlichen Raubzüge viel direkter und aggressiver benennen um Stimmen zu gewinnen.
verfolgen Sie diesen Weg jetzt unbedingt weiter !
Sie sind der erste Linke in Bern, der erfasst hat, wo es harzt. Ihre Worte unterstütze ich zu 100%. Sehr mutig, dass Sie Ihren Parteikollegen den Spiegel vorhalten.
Bitte bleiben Sie dran, gewinnen Sie noch weitere Kollegen.