Herr Geiser, wegen Ihnen beginnt der ganze Zuwanderungs-Streit wieder von vorn! Muss das wirklich sein?
Thomas Geiser: Ja, diese Debatte muss zu Ende geführt werden. Es gilt, die Bevölkerung ernst zu nehmen und den Widerspruch zwischen Verfassung und Gesetz aufzulösen.
Moment: Das Parlament hat die Masseneinwanderungs-Initiative ultra-sanft umgesetzt. Der beschlossene Arbeitslosenvorrang gefährdet die Beziehungen zur EU in keinster Weise. Wo orten Sie hier noch eine «Sackgasse»?
Es ist tatsächlich ein politisches Glanzstück, dass das Parlament eine Umsetzung gefunden hat, welche die bilateralen Beziehungen nicht verletzt. Aber Fakt ist: In der Verfassung heisst es weiterhin, dass die Zuwanderung durch Höchstzahlen und Kontingente beschränkt werden muss. Und dass keine völkerrechtlichen Verträge abgeschlossen werden dürfen, die diesen Bestimmungen widersprechen.
Das ist doch reine Verfassungs-Ästhetik. Hat die Schweiz keine dringenderen Probleme zu lösen?
Es geht bei weitem nicht nur um Ästhetik. Wenn die Verfassung neue völkerrechtliche Verträge verbietet, darf die Schweiz streng genommen keine zusätzlichen Freihandelsabkommen mehr abschliessen. Natürlich kann man dann sagen: «Es ist uns Wurst, was in der Verfassung steht – wir machen ohnehin, was uns gefällt.» Das entspricht aber nicht meinem Verständnis von Demokratie.
Mit Ihrer Initiative liefern Sie auch der SVP einen neuen Steilpass: Die Partei will einen Gegenvorschlag vors Volk bringen, der verlangt, dass die Personenfreizügigkeit aufgekündigt wird. Dieser Schuss ginge dann für Sie ziemlich nach hinten los.
Die SVP droht ja schon lange damit, dass sie eine Initiative zur Kündigung der Personenfreizügigkeit lancieren will. Ich glaube nicht, dass sie diesen Mut aufbringt. Sie hat ja auch gar kein Interesse an einer solchen Abstimmung. Es geht ihr nur darum, Stimmung zu machen – und dafür eignet sich ein solcher Gegenvorschlag natürlich prima. Und wenn sie im Parlament damit aufläuft – umso besser für sie. Dann kann sie sich wieder als verhinderte Verteidigerin des Volkswillens inszenieren.
Auch aus dem linken Lager und aus der Mitte gibt es je einen Gegenvorschlag zu RASA. Finden Sie es sinnvoll, auf diesem Weg das Potenzial inländischer Arbeitskräfte zu fördern? Oder Lohndumping zu bekämpfen?
Ich möchte mich inhaltlich nicht zu den einzelnen Gegenvorschlägen äussern. Alles, was Rechtsklarheit schafft, ist aus meiner Sicht gut und sinnvoll. Wir geben der Politik mit unserer Initiative die Chance, das nachzuholen, was sie letztes Mal versäumt hat: Einen gemässigten Gegenvorschlag zur MEI zu lancieren. Je schlanker ein solcher Gegenvorschlag ist, desto mehrheitsfähiger dürfte er sein.
Sind Sie bereit, eine härtere Steuerung der Zuwanderung zu akzeptieren, falls das Volk sowohl die Initiative als auch den Gegenvorschlag ablehnt?
Wie ein solches Verdikt zu interpretieren wäre, käme auf den Verlauf des Abstimmungskampfs an. Das ist heute schwierig vorherzusagen, zumal RASA frühestens nächstes Jahr vors Volk kommt.
Anders gefragt: Wenn ich als Stimmbürgerin der Meinung bin, dass die MEI zu lasch umgesetzt wurde – wie muss ich dann stimmen?
Darum geht es in dieser Abstimmung nicht. Darum geht es uns nicht. Wenn die SVP das Volk dazu hätte befragen wollen, hätte sie das Referendum gegen die MEI-Umsetzung ergreifen müssen. Oder sie kann nun ihre Kündigungsinitiative lancieren, was sie – wie gesagt – kaum wagen wird. Oder wenn, dann wieder mit einem Wischiwaschi-Text, der so schwammig formuliert ist, dass man alles Mögliche hinein interpretieren kann.
Und wenn doch? Würden Sie die Wette eingehen, dass das Stimmvolk einer Kündigung der Personenfreizügigkeit an der Urne eine Absage erteilt?
Ja, diese Wette würde ich eingehen. Über den Einsatz sprechen wir dann ein andermal (lacht).
Als Gesicht und Stimme von RASA verkörpern Sie für viele SVP-Wähler geradezu die Missachtung des Volkswillens. Wie gehen Sie damit um?
Ja, für manche bin ich das personifizierte Böse. Das bekomme ich zu spüren, und das ist natürlich nicht besonders angenehm. Ich erfahre aber auch viel Unterstützung. Gerade kürzlich bat mich jemand, die Initiative um Gottes Willen nicht zurückzuziehen. Schliesslich sind wir es, die dem Volk die Möglichkeit geben, seinen Willen nochmals genauer zu artikulieren.
Glauben Sie tatsächlich, dass die RASA-Initiative an der Urne eine Chance hätte?
Ja, das glaube ich. Man darf nicht vergessen, dass die Annahme Masseneinwanderungs-Initiative – mit nicht einmal 20’000 Stimmen Differenz – am Ende ein Zufallsresultat war. Und dass über 100'000 Personen unsere Initiative unterschrieben haben.