Zenagebriel Haile, warum haben alle Eritreer so schöne
Handys?
Ihr könnt mich Zena nennen. Ich glaube nicht, dass alle Eritreer,
oder alle Flüchtlinge schöne moderne Handys haben. Falls jemand eins hat, muss es ein Geschenk von Verwandten und Bekannten sein.
Nicht gestohlen?
Nein, nein überhaupt nicht.
Gibt es in Eritrea denn überhaupt schon Handys? Ich dachte immer, ihr seid so arm da.
Jaja, natürlich gibt es welche, die sich ein
Handy leisten können. Natürlich längst nicht so viele wie in der Schweiz.
Mit der Sozialhilfe könnt ihr euch aber tolle Handys kaufen und überhaupt in Saus und Braus leben. Asylbewerber bekommen ja, wenn sie hier einen
Antrag stellen, viel Geld, mindestens 2000 bis 3000 Franken pro
Monat, oder?
Nein, nicht so viel.
Wie viel dann?
Genau weiss ich es gar nicht, wenn man es
durchrechnet, reicht es wohl genau für den Lebensunterhalt. Ich
würde sagen, so 200, 300 Franken pro Monat.
Sie wollen mich doch verarschen. Wie
können Sie sich dann so schöne Kleider leisten?
Ich arbeite (lacht).
Sie arbeiten?
Ja, im Pflegebereich.
Haben Sie kein schlechtes Gewissen,
wenn Sie einem Schweizer den Job wegnehmen?
(Überlegt lange)
Nein. Warum denn?
Na, weil jetzt ist ein Schweizer
arbeitslos, weil Sie hierher kommen, und ihm den Job wegnehmen! Wenn
Sie nicht hierher gekommen wären, könnte ein Schweizer mehr jetzt im
Pflegebereich arbeiten.
Wenn er die Arbeit
wirklich hätte machen wollen, dann hätte er die Stelle ja
übernehmen können, dann wäre er jetzt dort und nicht ich.
Sie wollen uns weismachen, dass Sie
jetzt hier sind und arbeiten. Dabei weiss doch jedes Kind, dass die
Kriminalitätsrate rapide gestiegen ist, seit die Eritreer hier sind.
Sie wollen mir also sagen, dass Sie noch nie kriminell waren?!
Ich kann Ihnen
garantiert sagen, dass nicht alle Eritreer kriminell sind. Man soll
nie verallgemeinern. Es kann sein, dass Einzelpersonen etwas falsch
machen. (Anmerkung der Redaktion: Die Kriminalitätsrate sinkt in der Schweiz seit einigen Jahren)
Vergewaltigen Sie eigentlich Frauen? Es ist ja erwiesen, dass Leute aus Afrika ein gestörtes Verhältnis zur
Sexualität haben. Dann vergewaltigen sie hier Frauen, weil sie keinen
Respekt vor ihnen haben.
Nur weil
irgendwann einmal jemand etwas gesagt hat, ist es noch nicht
bewiesen. Das ist ein Witz.
Ausserdem habe ich
auch schon einmal einen Schweizer gesehen, der zum Beispiel seine
Frau geschlagen hat. Ich denke deshalb aber nicht, dass alle
Schweizer ihre Frauen schlagen.
Aber, Sie würden ihre Frau
beschneiden, oder?
Nein, warum denn?
Na, das macht man doch in Afrika!
Afrika ist ein
Kontinent. Ich komme aus Eritrea. Ich weiss nicht, wie es in anderen afrikanischen Ländern ist, aber ich kann Ihnen sagen, dass
es in Eritrea nicht so ist.
Sie glauben ja
an Allah, wollen uns ihren Glauben aufzwingen. Wann glauben Sie, haben Sie es geschafft,
die Schweiz mit Minaretten zu überschwemmen?
Wer hat Ihnen
gesagt, dass in Eritrea alle muslimisch sind?
Die Schweiz
wird ja überrannt von Islamisten, bald gibt es ja keine Christen
mehr. Sie wollen ja das Abendland schleichend islamisieren. So steht es ja schon im Koran?
Zuerst muss ich dir
sagen, Allah ist eigentlich Gott, das ist nur ein sprachlicher
Unterschied. Zweitens bin ich kein Muslim, sondern Christ,
römisch-katholisch.
Ah, so wie ich?
(lacht) Ich weiss
nicht, bist du römisch-katholisch?
Ja, also, ich war es einmal. Dann
bin ich aus der Kirche ausgetreten. Aber zurück zu Ihnen: Sie sind wirklich Christ?
Ich bin Christ,
römisch-katholisch. Ich bin ein sehr gläubiger Mensch. Viele Flüchtlinge aus Eritrea sind Christen, ich kenne die Statistik
nicht, aber wahrscheinlich sind etwa 80 Prozent christlich und 20
Prozent muslimisch. Aber selbst wenn wir muslimisch wären, wäre es
nicht die Idee, die Schweiz zu islamisieren. Eritreer kommen deshalb in die Schweiz, weil wir die schlechteste aller Regierungen haben.
Nur deswegen. Es wäre viel, viel besser, wenn ich in meinem Land
friedlich leben könnte. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal
in der Schweiz leben würde.
Sie müssen ja extrem
reich sein, damit Sie die Reise in die Schweiz finanzieren konnten.
Wie viel haben Sie bezahlt?
Ich
bin nicht reich, ich
bin arm. Reich bin ich nur in dem Sinne, dass ich gesund bin. Ich
hatte kein Geld in Eritrea, aber ich hatte viele Freunde und
Verwandte, die mir Geld geliehen hatten.
Sind
Sie mit dem Boot übers Mittelmeer in die Schweiz gekommen?
Ja.
Wie viel
hat die Reise gekostet?
Etwa 7000 Franken.
Und auf dem Boot, auf
dem Mittelmeer: War da schönes Wetter?
Sehr
sehr schön ... Nein, es war furchtbar. Wir waren 78 Stunden unterwegs
und wir standen kurz vor dem Tod. Wir waren mit einem kleinen Boot
unterwegs, das normalerweise Platz für 10 Personen bietet. Wir aber
waren 27 Personen auf dem Schiff. Wir hatten einen Motorschaden, die Wellen trieben uns zurück Richtung Libyen. Wir waren kurz vor dem Ertrinken. Es war eine Flucht, und ich glaube
nicht, dass Flucht jemals etwas schönes ist.
Wie könnt ihr es euch eigentlich leisten, alle paar Monate wieder in die Heimat zu fliegen und dort
eure Verwandten zu besuchen?
(lacht) Das ist
für mich neu. Da weisst du mehr als ich, obwohl du Schweizer bist. Aber ich muss
ehrlich sagen, in der Schweiz gibt es zwei Gruppen von
Eritreern. Diejenigen, die gegen die Diktatur sind – so wie ich –
und dann gibt es die anderen – wenige – die den Diktator, Isayas Afewerki, unterstützen, indem sie zwei Prozent ihres Lohns abgeben.
Es kann sein, dass Einzelpersonen nach Eritrea gehen, um ihre Familien zu
besuchen. Aber nur einmal in sechs Jahren oder so. Die sagen, unserem
Land gehe es gut, die unterstützen eine Diktatur, die mordet. Das
Regime in Eritrea hat viele Leute umgebracht.
Die Leute bezahlen zwei Prozent ihres Lohns, weil sie nach Eritrea gehen möchten. Nur so erhalten sie Papiere. Für mich sind das auch indirekt Mörder. Als Eritreer, als Christ und als Mensch sind sie indirekt Mörder. Jetzt muss ich mal konkret werden: Es gibt sehr sehr viele, die gegen das Regime sind, die politische Flüchtlinge sind, die niemals mehr ihr Heimatland sehen werden. Für mich wäre es eine gute Lösung – auch als Schweizer – wenn diese anderen Leute einfach ihre Papiere zurück geben und nach Eritrea zurückkehren würden. Aber: Nur weil zwei drei Personen dorthin gehen, machen das nicht alle Eritreer.
Das heisst, du brauchst also das
ganze Geld, dass du bekommst, für Urlaub hier? Weil, Eritreer sind
ja meistens ziemlich faul und machen gern und viel Urlaub.
Ich will und kann
nicht verallgemeinern. Ich will einfach sagen, dass ich dankbar bin
für die Schweiz, dass ich hier Hilfe bekommen haben. Das habe ich in
Eritrea vermisst, dort wurde ich geschlagen und gedemütigt. Hier
habe ich Hilfe bekommen und Hilfe habe ich auch benötigt. Ich habe
auch etwas zurückgegeben, ich habe eine Ausbildung gemacht, habe
Deutsch gelernt. Jetzt arbeite ich hier. Das Geld, das ich verdiene,
brauche ich nicht für Ferien, sondern für den Lebensunterhalt.
Sie haben Deutsch gelernt, haben
eine Ausbildung gemacht, das hat ja sicher alles ziemlich lange
gedauert, oder? Wie man weiss, haben Eritreer (wie alle Afrikaner) ja genetisch bedingt
einen tieferen IQ als Europäer. Das ist wissenschaftlich erwiesen.
Ja, sehr lange. 50
Jahre hat es gedauert (lacht). Nein, eben, wir sind wieder bei den
Vorurteilen. Ich könnte ja auch sagen: «Alle Schweizer sind
Rassisten.» Wäre das für dich ok? Wahrscheinlich nicht, und es
stimmt ja auch nicht. Viele Schweizer sind gute Menschen, helfen
anderen Menschen.
Aber zurück zur Bildung: Was erwartest du denn, wenn du eine Diktatur hast? Wir hatten früher einmal ein gutes Bildungssystem, wir hatten Universitäten. Jetzt nicht mehr, weil das Regime kein gebildetes Volk haben will, es will nur das Militär hochrüsten. Selbst wenn du über 60 bist, musst du ins Militär. Wie willst du dich bilden, wenn du keine Möglichkeit dazu hast?
Du kannst mir nicht sagen, Europäer sind gut, Afrikaner sind schlecht. Das ist nicht auf Kontinente bezogen, nicht auf die Hautfarbe, oder auf das Aussehen. Ich gebe ein Beispiel: Du kennst Nelson Mandela, oder?
Ja, der war ja da in Südafrika und
hat uns Weisse bekämpft!
Ja, du willst mir
ja nicht sagen, dass er dumm war, oder?
Der war halt eine Ausnahme!
Nein, der war
keine Ausnahme. Nimm Obama, der stammt ursprünglich auch aus Afrika
– und jetzt ist er Präsident der USA. In Eritrea bist du
einfach im Militär – wenn du kreativ bist und neue Ideen hast, wirst
du verfolgt.
Also, verstehe
ich das richtig: Du bist hierher gekommen, um dich zu bilden, um Geld
zu verdienen und weil du hier bessere Chancen hast. Du bist also ein klassischer Wirtschaftsflüchtling,
und Wirtschaftsflüchtlinge nehmen wir einfach nicht auf! Wir hätten
dich gerne genommen, wenn du verfolgt worden wärst, aber du bist
Wirtschaftsflüchtling, wie die meisten Eritreer!
Das glaubst
du. Ich bin ein politischer Flüchtling. Jeder weiss, was in Eritrea
abläuft, auch wenn ausländische Journalisten kaum ins Land gelassen
werden. Es gibt nichts schlimmeres als Eritrea. Man sagte, Gaddafi
sei schlimm, aber Afewerki ist viel schlimmer. Ich würde sogar
sagen, Afewerki ist schlimmer als Hitler. Man sagt immer, in Libyen
sei es schlimm, aber in Libyen haben die Leute genug zu essen. Das
Brot war so billig dort, für 25 Cent bekommst du zehn Laibe. Es gibt
keine schlechtere politische Situation als in Eritrea, nirgends auf der Welt.
Ich weiss
schon, warum du dir so schöne Kleider kaufen kannst, du schmuggelst
doch sicher Drogen. Hasch, Koks, wann hast du das letzte Mal Drogen
importiert?
Erstens muss man sagen, dass es unterschiedlich
Geschmäcker bei den Kleidern gibt. Was du schön findest, finde ich
vielleicht nicht schön. Und es kann auch sein, dass Kleider, die
schön sind, ganz billig sind.
Du weichst doch
der Frage aus, jetzt sag schon, wann hast du zum letzten Mal Drogen
über die Grenze geschmuggelt?!
Jetzt wart' doch, ich komme ja
dazu. Ich möchte dir nur klar sagen: Du ziehst vielleicht lieber ein
T-Shirt an, ich lieber ein Hemd: Aber wahrscheinlich ist beides
gleich teuer. Aber zurück zu deiner Frage. Ich kenne die Drogen
nicht, habe noch nie irgendwas probiert und schon gar nicht über die Grenze
geschmuggelt. Ich werde es auch nie
probieren.
Ok, ich merke, eigentlich sind wir ja gar nicht so verschieden. Komm, ich lade dich auf ein Bier ein.
Danke für die Einladung, aber ich trinke nur Wasser, ich muss nachher noch arbeiten. Aber ich nehme es nicht persönlich, du weisst es ja einfach nicht besser. Wenn alle Leute diese Vorurteile verbreiten ... Ich nehme es dir jedenfalls nicht übel.
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Es tut einem einfach gut, von so einem Menschen angelächelt zu werden. Im Pflegebereich ist er bestimmt eine wertvolle Bereicherung.