Seit seiner Kindheit ist StefanG. (45) Greifvogelfan. Seiner Federsammlung widmete er in seiner Wohnung in einer Solothurner Gemeinde einen eigenen Raum. Von jeder Art wollte er ein Exemplar besitzen. Er eignete sich die Eigenschaft der Objekte seiner Begierde an: Er griff selber zu.
Bei einer Hausdurchsuchung stellte die Polizei 17'250 Federn sicher. Dokumentiert sind Diebstähle in acht naturhistorischen Museen: in Basel, Bern, Neuenburg, Stuttgart, Frankfurt, Wien, München und Berlin. G.verschaffte sich Zugang zu den nichtöffentlichen Sammlungsräumen. Wie die Anklageschrift zeigt, war das leicht möglich. Sicherheitskonzepte bestanden kaum. Die Kuratoren öffneten ihm bereitwillig die Tür, weil sie von seinem Fachwissen beeindruckt waren.
Der Hobbysammler wies die studierten Greifvogel-Experten etwa auf Fehler bei der Artbestimmung hin. So gewann er ihr Vertrauen, und sie liessen ihn unbeaufsichtigt in den Archiven arbeiten, im Glauben, er erstelle eine Dokumentation. Von 167 Arten liess der Sammler Federn mitgehen. Die meisten Präparate zerstörte er dadurch. Es dauerte Jahre, bis das Berliner Museum den Schaden in seinem Keller 2012 als erstes bemerkte und die Kollegen informierte.
Die Basler Staatsanwaltschaft hat die Führung des internationalen Verfahrens übernommen und klagt den Sammler wegen gewerbsmässigen Diebstahls an. Gleichzeitig bringt sie einen Tauschkollegen aus dem Aargau wegen gewerbsmässiger Hehlerei vor Gericht. Die Verhandlung beginnt in drei Wochen. Die Staatsanwältin bezeichnet den wissenschaftlichen Wert der zerstörten Vogelpräparate als «unermesslich». Von einigen Arten existieren nun keine unbeschädigten Exemplare mehr, da G. in allen relevanten Naturkundemuseen zugegriffen hat.
Die Staatsanwältin schätzt den Sachschaden auf sechs Millionen Franken. Christian Meyer ist Direktor des Naturhistorischen Museums von Basel und geht diesen Monat in Pension. Derartige Diebstähle liessen sich nicht vermeiden, sagt er: «Wir vertrauen internationalen Wissenschaftern. Wenn jemand unser Vertrauen erschleicht, kann das passieren.» Er habe 2012 allerdings «einen noch viel krasseren Fall» erlebt.
Damals beging ein Geowissenschafter Diebstähle in ganz Europa. Der Täter war prominent: ein SPD-Politiker aus Darmstadt. Nachdem in seinem Wohnhaus 23000 gestohlene antiquarische Schriften und 1000 Fossilien sichergestellt worden waren, trat er zurück. Bisher nicht bekannt war, dass er auch in Basel zugeschlagen hatte. Hier klaute er fossile Krokodilzähne. Für Meyer endete der Fall glimpflich: «Zum Glück haben wir die Stücke nach der Verurteilung zurückerhalten.»
Das Naturhistorische Museum von Bern hat die Sicherheit inzwischen erhöht. Direktor Christoph Beer sagt: «Zu den wertvollen Objekten haben nur noch ausgewiesene Wissenschafter und Experten Zugang.» Deren fachlicher Ausweis würde vorgängig überprüft. Zudem seien die Sammlungen durch bombensicheren Stahlbeton und Alarmanlagen geschützt. Speziell bewacht werden die Nashornhörner.
Die Polizeibehörde Europol hat die Berner darauf hingewiesen, dass ihre Hörner auf der Liste einer kriminellen Organisation aufgetaucht seien.Ein Gramm Horn ist derzeit teurer als ein Gramm Gold oder Kokain. Der illegale Handel mit Tieren und Pflanzen steht weltweit auf Platz drei der umsatzstärksten Kriminalitätsbranchen. Mehr Geld lässt sich nur mit Drogen und Waffen verdienen.
Mathias Lörtscher vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen überwacht den Handel. Er rechnet in der Schweiz pro Jahr mit rund 200 Schmuggelfällen von geschützten Tierprodukten. Höchstens jeder fünfte werde aufgedeckt. Seine Leute stiessen regelmässig auf Sammler, die ihre Leidenschaft über das Gesetz stellten: «Die Sammelwut hat oft krankhafte Züge.» Die meisten Leute würden aus allen Wolken fallen, wenn sie mit illegalen Produkten am Zoll ertappt würden.
Auch G. reagierte verständnislos, als die Polizei seine einzigartige Sammlung beschlagnahmte. Zu Beginn des Strafverfahrens konnte er sich trotz der schweren Vorwürfe in einem öffentlichen Amt halten. Er blieb mehrere Jahre Bauverwalter einer Solothurner Gemeinde. Inzwischen hat er einen weniger exponierten Job angenommen.
Die Staatsanwaltschaft hat wohl noch ein Hühnchen zu rupfen mit dem Typ. Höhö...
Ich geh mich mal betrinken. Tschüss