Der Mann, der im Dezember 2015 in Zürich-Wiedikon mit einem Fleischermesser Stadtpolizisten bedroht hat, ist vom Vorwurf der versuchten schweren Körperverletzung freigesprochen worden. Dem Zürcher Bezirksgericht war die Anklage in diesem Punkt zu ungenau. Noch unklar ist, ob es ein Verfahren gegen die Polizisten gibt, die 13 Mal auf den Mann geschossen hatten.
Er habe keine Erinnerung mehr an jenen Sonntagmorgen, sagte der Äthiopier am Freitag vor dem Bezirksgericht Zürich. An das Küchenmesser erinnerte er sich: Seine Frau habe ihm zuvor den Auftrag gegen, eines zu kaufen. Dieses habe er im Rucksack gehabt. «Doch ob ich es in den Händen hielt, weiss ich nicht.»
Der heute 43-Jährige machte eine «geistige Beeinträchtigung» geltend. Bei ihm ist unter anderem eine schizophrene Psychose diagnostiziert worden. «Wenn ich krank bin, dann weiss ich nicht, was ich tue.» Eine begonnene Therapie, die er sehr schätze, helfe ihm nun.
Dass der Mann zum Tatzeitpunkt deshalb schuldunfähig war, blieb an der Verhandlung unbestritten. Auch das Bezirksgericht kam am Ende zu diesem Schluss und sah von einer Strafe ab. Es ordnete – wie dies auch die Staatsanwaltschaft beantragt hatte – eine ambulante Therapie an.
Am 27. Dezember 2015 um 6 Uhr früh war zwei Streifenwagenbesatzungen in Zürich-Wiedikon ein Mann aufgefallen, der mit einem Messer in der Hand herumlief. Als die insgesamt fünf Polizisten ihn stoppen wollten, fuchtelte dieser mit dem Messer herum und rief laut Anklageschrift mehrmals aggressiv «kill me, kill me».
Der 43-Jährige ging danach auf einzelne Polizisten zu. Einer schoss zweimal auf ihn, ein anderer elfmal. Sechsmal wurde der Mann getroffen. Die Stadtpolizei sprach damals von einer «absoluten Notwehrsituation».
Die Staatsanwaltschaft sah wegen des Angriffs mit dem Messer objektiv die beiden Tatbestände der versuchten schweren Körperverletzung sowie der Gewalt und Drohung gegen Beamte als erfüllt an. Während die Drohung unbestritten blieb, hielt das Zürcher Bezirksgericht die Anklage bezüglich der Körperverletzung im entscheidenden Punkt für zu wenig gehaltvoll.
So werde darin nicht umschrieben, wie der Beschuldigte das Messer hielt oder wie er zugestochen haben soll, sagte die Einzelrichterin. Es bleibe unklar, wie er die Gefährdung bewirkt haben soll.
Die Richterin wies zudem darauf hin, dass der Mann von anderen Passanten, die ihn zuvor angetroffen hätten, als «skurril, aber nicht bedrohlich» bezeichnet worden sei. Und er habe den Polizisten «kill me!» und nicht «I kill you» zugerufen. Damit sei insgesamt nicht mit genügender Sicherheit erwiesen, dass der Beschuldigte den Vorsatz hatte, einen Polizisten zu verletzten.
Ob gegen die beiden Polizisten, welche die 13 Schüsse auf den Äthiopier abgegeben hatten, allenfalls wegen versuchter Tötung Anklage erhoben wird, steht noch nicht fest. Das Staatsanwaltschaft hat das entsprechende Verfahren, das bei jeder Schussabgabe eines Polizisten mit Verletzungsfolge automatisch eröffnet wird, noch nicht abgeschlossen.
Der Äthiopier meinte vor Gericht, dass er das Opfer sei. Er sei krank gewesen, man hätte ihn schützen müssen. Er habe von den Schüssen Verletzungen davongetragen, die bleibend seien. Er könne nicht lange sitzen, nicht lange stehen und nicht lange schlafen.
(sda)
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"Der Äthiopier meinte vor Gericht, dass er das Opfer sei. Er sei krank gewesen, man hätte ihn schützen müssen."