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Schweiz: Ein Obwaldner über seine Zeit in Zürich

Als Obwaldner in Zürich ist es nicht immer so toll.
Als Obwaldner in Zürich ist es nicht immer so toll.
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Ä Obwaldner i dä grossä Stadt: «Sali Ziiri, miär miend redä»

Ich bi ufem Land uifgwachsä. Det, wo jedä de ander kennd. S'letschtä Jahr hani aber i dä grossä Stadt, z'Ziiri gschaffed. Es isch ä Liäbesgschicht entstandä mid Hechänä und Tiefänä.
26.02.2017, 14:0526.11.2021, 07:58
Janick Wetterwald
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Hallo Zürich, wir müssen reden.

Früher, da warst du immer die ferne Stadt. Doch dann wurde unsere Beziehung plötzlich sehr intensiv. Im März 2016 begann ich bei watson zu arbeiten. «What's on?» fragten mich damals meine heimatlichen Kollegen in Obwalden. «Ich gehe die grosse Welt entdecken», antwortete ich oft mit einem Augenzwinkern.

Titel und Lead
Der Titel und der Lead sind in Obwaldner-Dialekt geschrieben. Weil ich nett bin, habe ich darauf verzichtet, den ganzen Text in diesem «Chuderwälsch» zu schreiben. Na gut, ehrlich gesagt, spreche ich nicht wirklich so, weil meine Eltern aus dem Kanton Luzern stammen. Ich habe aber bisher mein ganzes Leben in Obwalden gewohnt und bezeichne mich darum auch als ein Obwaldner.

Also, los! Ich nehme die gar nicht mal so lange ewig lange Zugfahrt von Alpnach an die Hardbrücke in Angriff. 90 Minuten später komme ich an. Irgendwo zwischen einem Wolkenkratzer und einer riesigen Baustelle fühle ich mich bei dir wie das Porzellan im Laden, in dem sich der Elefant rumtreibt. Sauber geputzt und hübsch, aber auch klein und zerbrechlich.

Da bin ich ganz klein zwischen Baustelle und «Prime Tower».
Da bin ich ganz klein zwischen Baustelle und «Prime Tower».

Das bist du jetzt also. Ich bin froh, erinnere ich mich dank meinem Vorstellungsgespräch noch an den Weg zum watson-Büro. Es sieht nach einem ganz normalen Büro aus. Viele Computer, Zeitungen, Notizblätter und nette Menschen. Deine Menschen hier sehen zwar oft etwas tätowierter, etwas hipstiger, etwas zürimässig aus – aber sie sind nett. Zumindest so lange, bis sie herausfinden wo du wohnst.

«Hoi, du bisch doch de neui Sport-Praktikant oder?»
«Ja genau.»
«Freut mich. Vo wo chunnsch dänn?»
«Ich wohne z'Alpnach, im Kanton Obwalde. Kennsch?»
«Ja, heds det scho flüssend Wasser? Bisch du än Buur?»
«Ehm, ja. Ehm, nei.»

Solche Sprüche begleiteten mich das ganze Jahr über. Der Running Gag: «Ah du bist aus Nidwalden? Ist doch das gleiche oder? Hihi ...» Das prasselt an mir ab, genau wie all die Anschuldigungen als Verräter der Nidwaldner anno 1798.

Na, und?Video: streamable

Aber zurück zu unserer Liebe, Zürich. Die ersten Monate waren ganz aufregend. Alles war neu, und weil auch das eigentlich blöde, wie die Baustellen, der stressige Bahnhof oder die 5 Franken mehr für einen Kebab neu waren, war es eben doch nicht so blöd. Doch irgendwann wird aus neu Alltag, und dann fing ich an, mich über deine Macken zu ärgern. Während in Alpnach am Morgen nur harmonisches Kuhgebimmel und das Rauschen des Dorfbachs zu hören ist, fährt bei dir schon um 6 Uhr früh der ewiglange Güterzug zur Mühle durch die Strassen bei der Hardbrücke und quietscht ohrenbetäubend.

Wenn ich am Wochenende arbeiten musste, dann sah es bei der Hardbrücke aus, wie wenn ein Wirbelsturm die Inhalte aller Abfalleimer auf die Strassen gefegt hätte. Die Spuren der nächtlichen Party waren unübersehbar.

Arbeitslose reinigen die Sechselaeutenwiese am Dienstag, 25. April 2006 in Zuerich. Ueber 1000 erwerbslose Erwachsene und Jugendliche arbeiten taeglich in einem Arbeitsintegrationsprogramm der Soziale ...
Soooo schlimm ist es jeweils schon nicht, aber fast.Bild: KEYSTONE

Nach dem aufregenden Neuen und dem nervigen Alltag folgte die Gleichgültigkeit. Es kam mir bald vor, als führten wir nur noch eine Zweckehe. Vielleicht solltest du zur Auflockerung auch mal bei mir in Alpnach vorbeikommen, es ist echt schön da. Das sagen sogar Zürcher. Glaubst du nicht?

Eine repräsentative, watson-interne Umfrage mit dem Titel «Du denkst bei Obwalden an ...» hat ergeben:

  • die Panoramastrasse
  • die hübsche Landschaft
  • die Älggi-Alp, geografischer Mittelpunkt der Schweiz
  • den Pilatus
  • Engelberg
  • die wunderschöne Melchsee-Frutt
  • die feinen Würstchen und den feinen Käse
  • die vielen Kühe

Mir fällt sofort auf: All diese Sachen sind insgeheim Dinge, welche die Befragten bei dir vermissen – verständlich. Aber lasst mich der Reihe nach gehen. Der Bildervergleich zeigt, dass man bei dir eine Strasse wie die Panoramastrasse von Giswil hinauf zur Mörlialp vermisst. Die «hübsche Landschaft» wäre damit auch grad bewiesen.

image after
image before
Na gut, der Vergleich ist vielleicht nicht ganz fair. ;)

Kommen wir zum Herzstück der Schweiz. Nein nicht die Hauptstadt, nicht der wichtigste Wirtschaftsstandort, sondern der geografische Mittelpunkt der Schweiz. Bei dir suchen alle ihre Mitte mit Yogakursen oder Pilates, wir in Obwalden müssen nur auf's Älggi pilgern. Apropos Pilates, das heisst bei uns Pilatus – merk dir das, sonst holt dich der Drache.

Neben Drachen haben wir aber auch Engel bei uns. Genauer gesagt in unserer Exklave in mitten des Nidwaldner Hoheitsgebiet, in Engelberg. Das beschauliche Bergdorf wurde in der Umfrage besonders oft genannt. Es scheint als kennen einige die Obwaldner Gemeinde mit Kloster, Skisprung-Schanze und dem Titlis besser als ich selbst – ach, diese Touristen immer!

epa04461186 Sunset behind the Engelberg Alps and the Truebsee lake in Engelberg Canton Obwalden seen from Titlis-Stand Station, Switzerland, 24 October 2014. EPA/URS FLUEELER
Atemberaubend! Der Trübsee eingebetet zwischen den Felsen bei Engelberg.Bild: EPA/KEYSTONE

Dabei haben wir doch auch noch die Melchsee-Frutt, und ja, da gibt es köstliche Spezialitäten für den kleinen und grossen Hunger. Der Geheimtipp ist der Obwalnder Braatchääs, gemacht aus feinster Kuhmilch. Übrigens: Kühe, die gibt's bei uns noch im Überfluss auf saftigen grünen Wiesen zu bestaunen. «Oder bim Alpabzug, kennsch?».

Na gut, alle Rückmeldungen waren dann schon nicht positiv. Ein einsamer Krieger deines Stammes liess mich wissen:

«Die haben eine Scheiss-Internetseite, um ihre Abstimmungsresultate zu veröffentlichen an den Abstimmungstagen. Hilft das?»
Ein einsamer Krieger aus Zürich

Sorry dafür, wird sind eben da noch nicht sooo fortgeschritten, aber ich werde es am Stammtisch im Restaurant Sonne mal in die Runde werfen.

Weisst du, mein gehasstes geliebtes Zürich: Ich mag dich trotz all diesen blöden Dingen, aber Zuhause ist eben Zuhause. Danke für dieses intensive Jahr. Züri, du bist nett, aber eben nicht die ganze Welt. Darum ziehe ich weiter. Tschüss!

#dasischzüri – 100 grossartige Bilder aus Zürich

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#dasischzüri – 100 grossartige Bilder aus Zürich
Zurücklehnen und geniessen: Diese 100 Bilder geben dir einen grossartigen Eindruck von der Stadt Zürich. Die Bilder sind Teil der Radio-24-Kampagne #dasischzüri. Wir haben sie alle in dieser Diashow. Und jetzt: Viel Spass!
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41 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Noeee
26.02.2017 14:34registriert Februar 2017
Än alpnacher bi watson...du bisch mis vorbild 😅
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Nathan_Hale
26.02.2017 15:54registriert November 2016
Der Trübsee liegt im Kanton Nidwalden, imfal!😝
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Luca Brasi
26.02.2017 14:38registriert November 2015
Was? Herr Wetterwald zieht weiter? :'(

Und in Obwalden gibt es Kebab?
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