«Hoi, Koi!», denke ich. Ich denke beim Anblick von Kois meist was Blödes. Sie gefallen mir einfach nicht. Sie sehen so krank aus. Hautkranke Fische. Die Kois in der Halle 1 des Messegebäudes in Oerlikon baden direkt neben einer Disco. Jedenfalls hängt eine riesige Discokugel von der Decke, Nebel steigt auf, es donnert, Kinder flitzen ungerührt auf einer riesigen Schaukel über einen Teich. Polaroidkameras für Selfies hängen von der Decke.
Es riecht ganz leicht nach Kompost. Ich bin an der Giardina. Das Tram zur Gartenmesse war so voll wie sonst nur zu einem FCZ-Match im Letzigrund.
Besonders schnell führte ich mal als Teenie den Exitus einer Zimmerpflanze herbei, als ich versuchte, ein paar winzig kleine Milben mit Parfum zu töten. Was also mache ich an einer Gartenbaumesse? Vorlesen.
Ich bin jetzt in meiner Freizeit Schriftstellerin. Ein Stand hat mich gefragt, ob ich einen Tag lang lesen würde, immer mal wieder, nur ganz kurz, damit es die potentiellen Kundengespräche nicht stört, aber damit der Titel des Standes «Garten der Poesie» gerechtfertig ist.
Der Stand ist schön. Er hat als einziger diesen gemütlichen Pippi-Langstrumpf-Charme und eine Gartenmauer aus 20'000 Büchern. Dafür hat er prompt den Preis als schönster Showgarten gewonnen. Er war schon im Fernsehen, alle wollen ihn sehen. Mich eher weniger.
Der ganze 2. Stock der Messe ist voller Gartengrills. Alle Männer flippen aus. Am besten gefällt ihnen allerdings ein Mini-Gummiboot für den Biertransport im Jacuzzi. Und der Pool mit dem höhensverstellbaren Boden. Eine Frau tut nichts anderes, als den ganzen Tag lang den Boden per Knopfdruck zu heben und zu senken. Ihre Zuschauer sind fassungslos und gebannt.
Eigentlich möchte ich gern ein lustiges Kapitel lesen, das mit dem Ablegen von Unterwäsche beginnt. Leider sind da sehr, sehr viele Kinder. Ich suche hektisch nach was Angezogenem. Wieso zum Teufel habe ich so viele Sexszenen geschrieben? Und Masturbationsfantasien? Wieso??? Gibt es überhaupt ein einziges Kapitel ohne Sex-Kontext? Wie ist das bloss gekommen? Ich musste schon neulich an einer Lesung mein Programm umstellen, weil meine Eltern kamen. Aaahhhhhh!
Direkt neben «meinem» herzigen Garten ist die Champagnerbar. Bestimmt hülfe jetzt Champager. Hülfe suchend gehe ich rüber und kriege einen Löffel mit Schweizer Kaviar in den Mund geschoben.
Kann man eigentlich Kois zur Kaviar-Produktion abrichten? An einem Stand mit Korblampen ist eine Tänzerin in einen korblampenähnlichen Käfig gesperrt und muss sich verrenken. Daneben: 5000 Paar Gummistiefel und Gartenhandschuhe mit Blümchenprints.
Leider heisst mein Buch nicht «Das Glück trägt Blumen als Gewand» oder «Ich pflücke keine geknickten Blumen» oder «Liebe lässt alle Blumen blühen».
Wieso hab ich kein Märchenbuch mitgenommen? Irgendwas «Schönes», wie meine Mutter sagen würde? Wieso habe ich nicht meine innere Trudi Gerster gechannelt?
Irgendwann ist es Abend. Der letzte Kaviar ist gegessen. Der Standchef schleppt einen Schlauch herbei und spritzt. Schliesslich wachsen hier echte Blumen und Bäume, und echte Spinnen sind während der Lesungen über meine Seiten gekrabbelt.
Ach ja, nach einem Versuch mit einem angezogenen Kapitel hab ich für den Rest des Tages dann doch die Unterwäsche-Passage bevorzugt. Es hat in dieser feuchtfröhlichen Welt der spriessenden Triebe, Bars und Badelandschaften niemanden gestört.
P.S. Dieser Text ist auf Druck von Patrick Toggweiler entstanden. Er macht sehr viel Krafttraining. Deshalb hab ich nicht gewagt, ihm allzu lange zu widersprechen.