Jetzt nerven sie an: Miese Telefondrücker aus dem Ausland. Sie bahnen mit dreisten Lügen Termine für Vermittler an, die Versicherte zu einem Wechsel der Krankenkasse überreden. Diese unerbetene Akquise per Telefon soll die Branchenvereinbarung von Santésuisse unterbinden. Zudem verlangt der Verband darin, dass die Vergütung für die Anwerbung eines Kunden in der Grundversicherung (OKP) nicht mehr als 50 Franken betragen darf.
Die seit Anfang Jahr gültige Vereinbarung ist löchrig wie ein Emmentalerkäse. So erhöhte das Santésuisse-Mitglied Visana exakt auf diesen Termin die Provisionsansätze für Vermittler. Wer der Berner Kassengruppe Grundversicherte zuschaufelt, erhält seither 150 Franken. Die Visana habe die Branchenvereinbarung nicht unterzeichnet, sagt Sprecherin Melanie Schmid: «Daher kann nicht von einer Verletzung einer Vereinbarung gesprochen werden.»
Die Visana hat nicht nur die Entschädigung in der Grundversicherung, sondern auch andere Entschädigungen angehoben. «Da spielt der Markt», sagt dazu Melanie Schmid. Wie er funktioniert, zeigt ein Blick in die Provisionsreglemente von sieben Krankenversicherern, die der «Nordwestschweiz» vorliegen (siehe Box). Freiwillig rückt diese kein Unternehmen heraus.
Wie viel Geld sie für externe, meist selbstständig tätige Vermittler ausgeben, halten die Kassen eben möglichst unter dem Deckel. Gesichert ist nur: 2015 gab die Branche laut Bundesamt für Gesundheit 26.9 Millionen Franken für solche Provisionen in der Grundversicherung aus. Um ein Mehrfaches höher sind die Zahlungen für den Abschluss neuer Zusatzversicherungen (VVG). In diesem dem Privatrecht unterstellten Geschäft dürfen die Anbieter Gewinne erzielen.
Insgesamt schüttet die Branche jährlich Provisionen in der Höhe von 200 bis 300 Millionen Franken an Vermittler aus, sagt Richard Lüdi, einst Vertriebs- und Marketingmanager von Krankenversicherern. Heute betreibt er die Interessengemeinschaft der Schweizer Versicherten («Nordwestschweiz» vom 5. September). Wer sich von ihr beraten lässt, zahlt dafür eine Gebühr von 85 Franken pro halbe Stunde, wenn ein Kassenwechsel zustande kommt. Dafür erhält der Kunde die vom Versicherer bezahlte Abschlussprovision. Dieser Betrag übersteige die Beratungsgebühr, sagt Lüdi.
Nun befürchten Krankenversicherer, dass dies ihre Vertriebskanäle schwächt. Vermittler bangen um ihr lukratives Geschäft. Deren Entschädigungen setzen sich so zusammen:
Stossend ist: Die Visana gewährt Vermittlern die 150 Franken für einen reinen Grundversichungsabschluss nur dann, wenn dieser eine Franchise von mindestens 1000 Franken wählt. Die Groupe Mutuel zahlt keine Entschädigung für die Anwerbung eines Grundversicherten mit einer Standardfranchise von 300 Franken. Bei der CSS gilt dies nur dann nicht, wenn Kunden ein kostensparendes Angebot wählen wie ein Hausarztmodell.
Die Standardfranchise wählen meist kranke Versicherte mit entsprechend höheren Behandlungskosten. Daher sind solche Lösungen diskriminierend. Die Helsana und die Swica verlangen in einem solchen Fall den Abschluss einer Zusatzversicherung. Das ist auch bei der Concordia und der Sympany so, denn sie schütten nur Provisionen für Pakete mit Zusatzversicherungen aus. Im VVG-Geschäft kann Antragstellern die Aufnahme verweigert werden, wenn sie krank sind. Im Gegensatz zur Grundversicherung muss daher eine Gesundheitsdeklaration ausgefüllt werden. Daher versuchen Telefondrücker herauszufinden, ob jemand krank ist. Für sie gibt's keine Provision.
Wer Vermittler dazu anstiftet, Grundversicherten eine höhere Franchise aufzuschwatzen, betreibt Risikoselektion. Dies bestreiten die Krankenversicherer selbstredend. Helsana-Sprecher Stefan Heini sagt: «Betriebswirtschaftlich ist es unsinnig, Produkte, welche mehrheitlich negative Deckungsbeiträge abwerfen, auch noch zu entschädigen.» Die Visana beschönigt: «Höhere, frei wählbare Jahresfranchisen sind beratungsbedürftig und werden deshalb provisioniert.» Keine Stellungnahme gab die Groupe Mutuel ab. Die Vergütung von Partnern sei «ein Geschäftsgeheimnis».
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