Der Mann ist ein Medienaktivist. Gegen aussen ist er irrsinnig nett. Klar, er redet ja auch Berndeutsch. Doch innendrin hat er seit Jahren eine Wut. Der Mann heisst Guy Krneta. Normalerweise ist er Schriftsteller, Theater-Autor, Spoken-Word-Artist. Als Medienaktivist hat er 2010 «Rettet Basel!» gegründet, die Initiative für eine SVP-unabhängige Tageszeitung in Basel. «Rettet Basel!» ist der giftige Dorn in der Seite von BaZ-Chef Markus Somm und BaZ-Besitzer Christoph Blocher.
Krnetas Partner, der Regisseur Sebastian Nübling, ist sowieso immer wütend. Er hat quasi wütend vor ein paar Jahren die Theaterszene betreten. Allerdings sind nur seine Inszenierungen wütend, Stücke über Fussballhooligans, Flüchtlinge, Jugendgewalt, er selbst: der netteste Kerl der Gegenwart. Und schliesslich ist da die Frau: Muriel Gerstner, eine der aufregendsten Bühnenbildnerinnen Europas und Konzepterin. Zu dritt entwickeln sie gerade im Schiffbau «In Formation», einen Theaterabend über den Medienwandel.
Schon einmal hat 2016 jemand gerufen: «Let’s get in formation!» Das war jedoch kein Theater, das war Beyoncé, die in ihrem Song «Formation» zum organisierten Widerstand von schwarzen Frauen aufrief. Und natürlich auch dazu, sich Information anzueignen und dadurch Kraft zu gewinnen.
Auf Gerstners Probebühne liegen Emoji-Masken herum und leuchtende Like-Finger. Die Zuschauer sitzen wie im Fussballstadion, bloss steht in der Mitte des Spielfelds ein Sitzungstisch. Dort werden die Schauspieler den Medienwandel performen und besprechen. Werden sich um das Sterben von Print, um die Verwandlung des Lesers in den User kümmern und um diesen verrückten medialen Kurzschluss zwischen einem Donald Trump und seinen Wählern, der die vierte Gewalt hinfällig macht.
«Was neu ist, ist diese direkte Kommunikation zwischen der Politik und den einzelnen Wählern», sagt Nübling, «Trump macht einen Umweg um den ganzen Journalismus herum und trifft uns auf Augenhöhe auf Twitter und YouTube. Das ist pseudodemokratisch und pseudofamiliär.» Nübling interessiert auch das «Thrillermässige»: «Was geschieht, wenn ein Medienhaus durch ökonomische Zwänge anfällig wird für Übernahmen?»
Gerstner will, dass an ihrem runden Tisch geklärt wird, «wie man sich das Rüstzeug sichert, um unsere Form von Staat zu verhandeln». Wie man nach dem medialen Kollaps der amerikanischen Präsidentschaftswahl wieder zu einem Vokabular findet. «Einfach nur Fakten mehr oder weniger analytisch auf einen Nenner zu bringen, wie Clinton das tut, reicht offenbar nicht mehr, das ist nichts mehr wert.»
«In Formation» hat ein klares Ziel: «Die Zeit der Beschaulichkeit ist vorbei», sagt Nübling, «wir wollen die Leute auffordern, aktiv zu werden. Wir sagen: Ey, wenn ihr irgendwo irgendwas gut Recherchiertes lesen möchtet, müsst ihr dafür bezahlen und zwar von euch aus. Wartet nicht, bis es jemand für euch tut.» Am liebsten würden sie jeden Abend Geld sammeln. Zum Beispiel für den Recherchierfond der WoZ.
Für ihr Medientheater benutzen Krneta, Nübling und Gerstner zwei Textgrundlagen. Zum einen sind das Spoken-Word-Szenen, die Krneta aus seinem Recherchematerial über Basler und Zürcher Medien geformt hat. Dinge wie Abokündigungen oder Chefredaktorsansprachen sind dabei. Texte mit Rhythmus, Druck und Tempo, wie sie Nübling schon immer gern verwendet hat.
Und ein bisschen Romantik natürlich. Schliesslich ist Krneta ein alter Print-Junkie: «Ich war süchtig nach der Frankfurter Allgemeinen! Ich konnte nicht mehr leben ohne die Zeitung. Ich schnitt Artikel aus, ich sammelte sie.»
Zum andern ist das ein Expertengespräch zwischen Miriam Meckel, Elisabeth Bronfen, Constantin Seibt und Dirk Baecker. Also zwischen drei Profs und einem Journalisten. Meckel lehrt Kommunikationsmanagement in St. Gallen. Sie ist das Gegenteil einer Mediennostalgikerin. Sie war eine der ersten Digitaleuphorikerinnen und eins der ersten Opfer von digitalem Burnout. Bronfen ist Anglistin und begleitete auf SRF die grosse amerikanische Wahlnacht, Seibt schreibt bald nicht mehr im «Tages-Anzeiger» und versucht sich als Revolutionär, Baecker ist Soziologe.
Die vier wurden zwei Stunden lang auf der Probebühne «eingesperrt» und was sie gesagt haben wird im Stück als Metatext verwendet. Unter den Zuschauern wird jeden Abend ein anderer Fachmensch für Medienfragen sitzen. Das Publikum darf sich einmischen und mitreden und sich auch mal mit an den medienanalytischen Stammtisch im Zentrum setzen.
Der Schiffbau, wo «In Formation» am 17. Dezember Premiere hat, befindet sich im Bermuda-Dreieck der kleinen Radikalen: Die «WochenZeitung» (total links), watson (links) und die «Weltwoche» (rechtsextrem) sind in der direkten Nachbarschaft des Schiffbaus. Weiter weg: Die grossen Verlagsschiffe, die Tamedia, die NZZ, Ringier. Etwas dezentraler: Das Radiostudio der SRG. Am Stadtrand: Das Schweizer Fernsehen. Zürich ist eine Medienstadt. «In Formation» könnte in Zürich zünden. Wird in Zürich zünden und darüber hinaus.
Hier gehts zu den Spieldaten und den Fachgästen von «In Formation».
Das Problem schön umschifft, Frau Meier! ;-)
......muuahahah
Haalt, ruuhig, pcp's, nicht durchdrehen, ich hab selbstverständlich bernie die daumen gedrückt.