Vor 20 Jahren liessen sich in der Schweiz rund 60 Prozent aller Brautpaare in der Kirche trauen. Heute sind es gerade noch 20 Prozent. Auf eine traditionsreiche Hochzeit in Weiss wollen aber auch viele der anderen Heiratswilligen nicht verzichten. Viele solcher Paare entscheiden sich nun für konfessionslose Trauungen. Das heisst: Zeremonien wie in der Kirche, aber ohne Gott und Pfarrer.
Nathalie Oderbolz hat sich vor einigen Monaten für eine solche Trauung entschieden. Sie sagt: «Hochzeiten in der Kirche sind wunderschön. Für mich und meinen Partner hätte es sich aber falsch angefühlt, in der Kirche zu heiraten, da Gott in unserem Leben keine grosse Rolle spielt.»
Ihre Märchenhochzeit in Weiss habe sie dank einer konfessionslosen Zeremonie trotzdem erleben können, so Oderbolz. «Unsere Hochzeit war so auch ohne Kirchengang festlich, traditionell und mit dem persönlichen und romantischen Touch, der auf dem Standesamt fehlte.»
Mit ihrem Wunsch nach Tradition ohne Religion ist Nathalie Oderbolz nicht alleine. Die Nachfrage nach Zeremoniemeistern für konfessionslose Hochzeiten ist derzeit gross, wie mehrere Anbieter bestätigen. Im Internet findet man mit ein paar Klicks eine ganze Palette von Ritualbegleitern. Es bieten unter anderem ehemaligen Pfarrer ihre Dienste an, sowie Sozialtherapeuten oder Esoteriker.
«Das formelle ‹Ja› auf dem Standesamt kann den romantischen Weg zum Altar für viele Paare nicht ersetzen», sagt Zeremoniemeisterin Marylin Rebelo von «A Lovely Day». Sie spricht von einem regelrechten Boom der ‹freien› Trauungen. «Ich selbst habe seit Januar bereits 40 solche Zeremonien durchgeführt.»
Zeremoniemeister wie Rebelo sind im Gegensatz zu Heiratsplanern spezialisiert auf die verschiedensten Heiratstraditionen, leiten die ganze Zeremonie und halten auch eine oder mehrere Reden. Sie sind auch für den Ringtausch zuständig.
Die ausserkirchlichen Rituale, die sie führen, fänden oft in einem ähnlichem Rahmen statt wie in der Kirche, so Rebelo. Mit einem Ring, der getauscht wird, mit dem Vater, der die Braut zum Bräutigam führt, und mit einem weissen Brautkleid. «Viele Menschen glauben weniger an Gott als früher, legen aber immer noch grossen Wert auf die hiesigen Traditionen und möchten diese auch an ihrem grossen Tag mit einfliessen lassen.» Oft werde für die Zeremonie ein Ort im Freien gewählt oder ganz klassisch ein Festsaal.
Die kirchliche Hochzeit ist nach wie vor nur einem Teil der Bevölkerung vorbehalten. So entscheiden sich laut Rebelo auch viele Paare mit verschiedenen Konfessionen, Geschiedene oder auch Homosexuelle für die weltliche Trauung entscheiden. «Diese Leute dürften ja – selbst wenn sie es wollten – gar nicht in der Kirche heiraten.» Die freie Zeremonie ersetzt jedoch keine standesamtliche Heirat. Sie ist rein rechtlich nicht verbindlich und wird von der offiziellen Kirche nicht anerkannt.
Auch die Migros Klubschule springt nun auf den Trend auf. Ab Herbst wird in Genf zum ersten Mal ein Lehrgang angeboten, in dem Interessierte zu «officiants laics» (zu deutsch in etwa: laizistischer Zeremoniemeister) ausgebildet werden. Es handelt sich um ein Pilotprojekt. Ob es bald auch in der Deutschschweiz ein ähnliches Angebot geben wird, ist noch unklar.