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Literatur

Thomas Meyer: Schriftsteller fordert Solidarität mit Flüchtlingen

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bild: thomasmeyer

«Wolkenbruch»-Autor Meyer geht mit Wutrede zum Flüchtlingsdrama auf Facebook viral: «Es interessiert nur noch das neue iPhone»

27.10.2015, 09:0527.10.2015, 11:02
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Allein im Oktober sind aus Syrien 120'000 Menschen vor den Fassbomben Assads und den Schlächtereien des IS geflohen: Der Flüchtlingsstrom, der Europa diesen Sommer im Atem gehalten hat, ist nach wie vor ungebrochen. 

Während die einen mit Angst und Abschottung reagieren, fordern die anderen eine engagierte Flüchtlingspolitik. Der Schweizer Schriftsteller Thomas Meyer («Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse») hat dieser Tage auf Facebook ein Manifest veröffentlicht, das nicht nur mit persönlichen Schilderungen aufrüttelt, sondern sowohl Politik als auch die Zivilgesellschaft zum Handeln auffordert.

Meyer war selber vor Ort in Kroatien und hat mit privaten Schweizer Flüchtlingsinitiativen den Tausenden Menschen geholfen, die die Reise durch Osteuropa wagten.  

«Ich habe zehntausend frierende, hungrige, durstige, verwirrte, verstörte und verzweifelte Menschen gesehen, die nicht wussten, wo sie waren und wo sie hingingen, weil es ihnen niemand gesagt hatte. Die emotionale Belastung war immens, viele Anblicke – und Blicke aus den Augen der Flüchtlinge – waren brutal.»
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Gleichzeitig beklagt Meyer die Gefühlskälte in westeuropäischen Ländern die sich beispielhaft im überwältigenden Wahlerfolg der rechten Parteien geäussert hat. Für Meyer muss sich die Schweiz auf ihre Wurzeln besinnen – auf die jahrhundertealte Tradition der humanitären Hilfe und der guten Dienste – um ihre Seele nicht zu verlieren.

«Aber ist Ignoranz nicht der ideale Name für unsere Epoche?»
Thomas Meyer

Die Ernüchterung, die den Text durchzieht, ist nicht zu überlesen. Meyer fühlt sich angesichts der Lage in Europa «gespalten». Die Staaten haben versagt, die Politik haben versagt und die Menschen – ein Grossteil von ihnen – haben versagt.

«Ich finde den Aufruf für eine humanitär agierende Schweiz gut. Was heisst gut finden? Er ist dringend nötig. Was in der Begründung steht, ist nichts anderes als logisch. Aber während ich sie lese, erklingt in mir ein stummes bitteres Lachen. Ich weiss genau, dass das alles nichts bringt. Weil es letztlich schlicht zuwenig Leute interessiert und die entscheidenden schon gar nicht.»

Meyer bezieht sich in diesem Absatz auf die Aktion «Für eine humanitäre Schweiz», auf deren Facebook-Seite sein Post auch veröffentlicht wurde. Die Aktion will den Bundesrat mittels einer Petition zu einer engagierteren Flüchtlingspolitik auffordern. Bis jetzt hat die Aktion 2900 Unterstützer, davon 1888 aus der Schweiz. Es ist zu erwarten, dass es nach Meyers furiosem Manifest einige mehr sein werden. 

«Es ist Herbst, und ich bin tief gespalten.»
Thomas Meyer

Zwei Wochen nach Lukas Bärfuss' Text in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung rüttelt wieder ein Schweizer Schriftsteller die Öffentlichkeit auf. Die Reaktionen auf Meyers Text dürften weniger kontrovers ausfallen. (wst)

(wst)

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