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Rund 800 Menschen lassen sich jährlich in der Schweiz im Rahmen des sogenannten assistierten Suizids in den Tod begleiten. Das sind etwa ein Prozent aller Toten.
Man mag das erstaunlich viel finden oder erstaunlich wenig. Ganz sicher erstaunlich war die einleitende Diskussionsthese in der gestrigen Arena zur Sterbehilfe. Stark verkürzt, aber immer noch adäquat wiedergegeben, lautete diese folgendermassen: Immer mehr ältere Leute trinken einen Giftcocktail, weil sie spüren, dass die jüngere Bevölkerung nicht 12 Milliarden jährlich für ihre Pflegekosten aufwerfen will.
Dass es absurd ist, zu denken, Leute verabreichten sich tödliche Giftmischungen, weil ihre Enkel und Kinder ihr Erbe nicht ins Pflegeheim investiert sehen wollen, leuchtete allen ein. Nur Felix Gmür, der katholische Basler Bischof, konstatierte durch die ganze Sendung hindurch einen «subtilen Druck» gesellschaftlicher Art, der alte, kranke oder invalide Menschen in den Selbstmord treibe und diagnostizierte in diesen Bevölkerungsgruppen pauschal eine Art «schlechtes Gewissen, noch zu leben».
Mit Gmür diskutierten Exit-Präsidentin Saskia Frei, CVP-Präsident Gerhard Pfister und SP-Ständerat und Rechtsprofessor Daniel Jositsch. Jedenfalls versuchten sie es, aber es war natürlich zwecklos. Gmür verwahrte sich seinem göttlichen Auftrag gehorchend gegen jedes vernünftige Argument und lehnte die Beihilfe zum Selbstmord gemäss katholischer Doktrin genau so kategorisch ab, wie den Suizid an sich.
Exit-Präsidentin Frei, zusammen mit Jositsch im Pro-Sterbehilfe-Lager, hielt ein engagiertes Votum nach dem anderen für den begleiteten Suizid und erklärte, dass Exit weit mehr Menschen vom Suizid abhalte als in den Tod begleite. Ihr härtester Gegner war Psychiater Walter Meili im Studiopublikum, der eindrücklich zu bedenken gab, dass ein Sterbewunsch in den allermeisten Fällen sehr volatil sei und man deshalb als Legitimation für die Sterbehilfe nicht einfach auf das Selbstbestimmungsrecht jedes Einzelnen abstellen kann.
Man müsse also sicherstellen, dass niemandem der Suizid erleichtert werde, nur weil ihm oder ihr der Gedanke missfalle, sich im Altersheim von Fremden «das – entschuldigen Sie den Ausdruck – Fudi putzen lassen zu müssen». Frei möchte das offenbar nicht, wie ihre deutliche Antwort zum Ausdruck bringt.
Während Jositsch sich darauf beschränkte, die derzeit geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen für die Sterbehilfe zu erläutern, beschränkte sich CVP-Präsident Gerhard Pfister seinerseits darauf, die Sterbehilfe in das staatliche Gesundheitssystem integrieren zu wollen. Frei musste sich damit nicht nur in der fundamental-ethischen Frage des Selbstbestimmungsrechts des Todeszeitpunkts wehren, sondern gleichzeitig erklären, dass das medizinische Personal die begleitete Sterbehilfe zwar befürworte, diese aber selbst nicht verantworten wolle, weshalb es die privaten Sterbehilfe-Organisationen brauche.
Es sei ihm einfach nicht wohl, wenn bei derart lockerer staatlicher Regulierung private Vereine das machen, warf Pfister mehrfach ein. Bischof Gmür war bei dem Gedanken nach staatlicher Regelung natürlich überhaupt nicht wohl. Man diskutiere bei der Sterbehilfe nämlich nicht über Sterbebegleitung, sondern darüber, gesetzliche Rahmenbedingungen für die Unterstützung beim Selbstmord zu schaffen und das könne nicht Aufgabe des Staates sein. Mit der begrifflichen Differenzierung hat Gmür natürlich einen Punkt. Gleichzeitig machte sein gesamter Auftritt deutlich, dass man damit aufhören sollte, Evangelikale und dogmatisch-katholische Funktionäre in Diskussionen über Gesetze auf Bundesebene einzuladen.
Und das schon nur, um sie vor sich selber zu schützen, wie die Situation verdeutlicht, in der sich Gmür vom 86-jährigen Felix Merki derart in die Pfanne hauen lassen musste, dass es Szenen-Applaus gab. Man achte während Merkis Frage an Gmür auch auf den Gesichtsausdruck von Exit-Präsidentin Frei im Hintergrund.
Die einzig richtige Antwort, die Gmür auf diese Frage hätte geben können, sofern er sich auch nur ein bisschen um Sympathiepunkte hätte bemühen wollen, wäre «Ja» gewesen, stattdessen sagte er, dass es auf die Art des Suizids überhaupt nicht an komme.
Gmür beteiligte sich je länger je weniger wirklich an der Diskussion und versuchte auch immer weniger, allenfalls jemanden von seinem Standpunkt zu überzeugen. Im Gegenteil, er setzte sein Selbstmord-ist-Selbstmord-ist-Sünde-Mantra noch verstärkt fort.
Für den Basler Bischof Gmür ist also mit anderen Worten jede Art von Sterbehilfe exakt gleich gewalttätig wie unbegleitete Suizidmethoden, wohl weil ein Gewaltakt gegen Gottes Willen. Was bleibt Exit-Präsidentin Frei da noch zu sagen?
Der geneigte Gebührenzahler wünschte sich die stärkere Beachtung laizistischer Grundsätze bei der Auswahl der «Arena»-Gäste, zumal er schon Kirchensteuer bezahlt, um bei Bedarf Predigten zu hören.
Denn der Bischof diskutierte nicht mit den anderen Gästen im Studio, sondern predigte zu seiner religiösen Anhängerschaft. Bloss nicht in der Kirche, wo er hingehört, sondern im Polit-Talk des Schweizer Farbfernsehens.