Das Bundesgericht hat das Obergericht das Kantons Zürich für den Ausschluss akkreditierter Journalisten von einer Verhandlung zu einem Tötungsdelikt mit deutlichen Worten zurecht gewiesen. Einstimmig haben die Richter die Beschwerde von vier Medienvertretern gutgeheissen.
Im besagten Prozess wurde die Ehefrau des Opfers und Mutter der beiden Kinder wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von 16 Jahren verurteilt. Ihr Liebhaber muss 13 Jahre hinter Gitter. Die Frau soll den Geliebten dazu gebracht haben, ihren Mann bei einem Abendspaziergang zu attackieren.
Gegen die entsprechenden Präsidialverfügungen vom November 2015 und Februar 2016 waren Journalisten des SRF Regionaljournals, der «Neue Zürcher Zeitung», des «Tages-Anzeiger» und der Schweizerischen Depeschenagentur (sda) ans Bundesgericht gelangt.
Dieses hat am Mittwoch in einer öffentlichen Beratung klar festgehalten, dass das Zürcher Obergericht mit seinem Vorgehen den Grundsatz der Justizöffentlichkeit sowie die Medien- und Informationsfreiheit verletzt habe.
Als «Kabinettsjustiz im klassischen Sinn» hat einer der Bundesrichter das Vorgehen des Zürcher Obergerichts bezeichnet. Und der Präsident der Ersten öffentlich-rechtlichen Abteilung sagte klar, es könne nicht angehen, dass eine Berufsgruppe die Arbeit einer anderen sabotiere.
Das Obergericht begründete den Ausschluss der Öffentlichkeit und der akkreditierten Medien damit, dass das Opfer und seine beiden Kinder durch eine neuerliche Berichterstattung retraumatisiert werden könnten.
Es gelte, den labilen Zustand des Mannes nicht zu erschüttern und eine unbeschwerte Entwicklung der Kinder sicherzustellen. Ihre Interessen seien höher zu gewichten als die Teilnahme der Öffentlichkeit an der Verhandlung.
Das Obergericht informierte die Öffentlichkeit Ende Oktober 2016 nach der Verhandlung über seinen Entscheid. Das diesbezügliche Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
In ihren Äusserungen unterstrichen die Bundesrichter die grundsätzliche Bedeutung der Medien als Wächter über die Justiz. Sie hätten eine Brückenfunktion zwischen Justiz und Öffentlichkeit.
Selbst mit der Berichterstattung über Prozesse erhalte die Öffentlichkeit nur einen sehr eingeschränkten Einblick in ein Strafverfahren. Alles was zuvor ablaufe, finde zum überwiegenden Teil hinter verschlossenen Türen statt.
Im Vergleich zu anderen, öffentlich zugänglichen Prozessen, haben die Bundesrichter keine Gründe finden können, warum der Ausschluss der Öffentlichkeit in diesem Fall angebracht gewesen wäre.
Das Obergericht wird den akkreditierten Journalisten nun das begründete Urteil zugänglich machen müssen. Von einer Orientierung der Medien zum Hergang der Berufungsverhandlung vom Oktober vergangenen Jahres sieht das Bundesgericht ab.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Zürcher Gerichte die Medien versuchen zurück zu binden. So hatte ein Einzelrichter im Zusammenhang mit dem Verfahren zum Kristallnacht-Tweet den Gerichtsberichterstattern unter Androhung einer Busse verboten, Namen, Alter, die Adresse des Internetblogs und weitere Angaben zu publizieren.
Zwei der betroffenen Journalisten zogen den Fall bis vor das Bundesgericht und erhielten Recht. Die Lausanner Richter entschieden, dass die gesetzliche Grundlage für die entsprechende Anweisung fehle.
Zu einem weiteren, ähnlich gelagerten Fall kam es vor dem Zürcher Bezirksgericht. Im Rahmen der Verhandlung gegen einen Topmanager, der Prostituierte sexuell genötigt hatte, verbot das Gericht die Publikation von Hinweisen, die eine Identifizierung des Mannes ermöglicht hätten. (whr/sda)