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Vor jeder Aufzeichnung der «Arena» bläut die Aufnahmeleiterin den TV-ungeübten Gästen ein, dass sie nicht in der Nase bohren, nicht gähnen und nicht die Augen schliessen sollen, weil das bei der Ausstrahlung schlecht aussieht.
Gestern verlangte es dem einen oder anderen eingeladenen nichtsteuerzahlenden Gymnasiasten einiges an Konzentration ab, um die Tipps zu beherzigen, denn darum ging's:
Die Schweiz muss also den multinationalen Firmen die im Ausland erwirtschafteten Gewinne gleich hoch besteuern, wie im Inland erwirtschaftete, weil EU und OECD das so wollen. Das Problem: Es werden international tätige Firmen abwandern und es wird Steuerausfälle geben.
Ob überhaupt und allenfalls wie diese Steuerausfälle von einer geschätzten Milliarde zu kompensieren seien, das war die grosse Streitfrage der gestrigen Sendung, in der SVP-Nationalrat Thomas Matter, FDP-Ständerat Ruedi Noser, CVP-Ständerat Pirmin Bischof und SP-Nationalrätin Jacqueline Badran debattierten.
Den ersten denkwürdigen Auftritt – und jetzt kommt ein Clip zum Aufbewahren – hatte Thomas Matter, der in komplett SVP-untypischer Manier, aber im Brustton der Überzeugung über die grosse internationale Vernetzung der Schweiz und ihre Abhängigkeit vom Ausland dozierte:
Damit immerhin waren alle Debattanten einverstanden: Sollten die Unternehmenssteuern der Schweiz nicht nach den Wünschen der OECD und der EU ausgestaltet werden, dann könnten diese bereits ab 2018 ihre Grenzen für die Einfuhr schweizerischer Produkte schliessen.
Machen muss man es also. Blieben für die «Arena» bloss zwei Kernfragen:
1. Mit welchen Goodies soll die Abwanderung der Unternehmen verhindert werden?
2. Wie gross werden die Steuerausfälle dennoch sein?
Die Frage der Kompensationen für die internationalen Unternehmen war rasch beantwortet. Steuerreduktionen auf Gewinne aus Patenten und Steuerabzüge für Aufwendungen in Forschung und Entwicklung, wie sie bereits im Gesetzesentwurf, der derzeit im Parlament ist, stehen. Diese beiden Massnahmen zielen relativ direkt auf den IT-, den Pharma- und den Technologie-Sektor ab.
Schwieriger zu beantworten war die zweite Frage, nämlich die nach den Steuerausfällen. Zwar gaben sich sowohl Noser als auch Bischoff redlich Mühe so zu tun, als wisse man das und könne deshalb von etwa einer Milliarde ausgehen, aber dem widersprach Experte und Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann. Oder besser: Er putzte die anwesenden Koryphäen der Steuerpolitik regelrecht herunter:
Statt sich in Demut zu üben und Straumanns Standpauke zu akzeptieren, fingen die düpierten National- und Ständeräte damit an, sich gegenseitig mit Detailwissen aus dem Steuergesetz einzudecken. Am wildesten trieben es dabei die Ökonomin Badran und Banker Matter. Im Unterschied zur normalen Rollenverteilung gab SP-Badran in Ermangelung einer klaren Diskussionslinie irgendwann einfach die etwas simple Geschröpfter-Mittelstand-Parole aus, während Matter seine Glaubwürdigkeit unterstrich, indem er konziliant den differenzierten Fachmann gab. Auch wenn er dabei gelegentlich übers Ziel hinausschoss:
Moderator Jonas Projer liess jeweils immer dann, wenn es ihm wieder zu viel wurde, ein wenig Gotthardtunnel-Bilder und Musik laufen, um seine Gäste wieder auf den Boden zu holen und das Publikum aufzuwecken.
Die Frage, ob überhaupt abschätzbar ist, wie hoch die Steuerausfälle sind, diskutierten die vier Gäste zwar intensiv, mussten sich aber darauf einigen, dass es eigentlich nicht möglich ist, weil man nicht weiss, welche Effekte und Dynamiken veränderte Steuerregime auslösen. So habe der ehemalige Finanzminister Stich die Benzinsteuer angehoben und ausgerechnet, wie viel der Bund damit mehr einnehme. Am Schluss sei es dann aber trotz höherer Steuer weniger gewesen als vorher, weil die Ausländer nicht mehr in der Schweiz getankt hätten, führte Matter aus.
Badran, ansonsten eine angriffige Erzlinke, hielt sich lange zurück. Sie echauffierte sich einzig über die anhaltenden und erfolgreichen Bestrebungen der Shareholder, ihre Renditebesteuerungen so klein wie möglich zu halten und den Mittelstand derweil austrocknen zu lassen. Im Rahmen eines «Big Picture»-Vortrags rechnete sie Banker Matter und Unternehmer Noser vor, von wie vielen Steuererleichterungen diese in den letzten 20 Jahren profitiert haben.
Diese Einwände Badrans wusste Noser danach mit einer kenntnisreichen Aufzählung von Steuererleichterungen für den Mittelstand wieder zu entkräften. Und weil es schon die ganze Sendung hindurch so ging und Fachwissen auf Gegenfachwissen prallte, war der geneigte, aber unbedarfte Zuschauer nach der Sendung eigentlich vor allem eines: So klug als wie zuvor.