Schweiz
Migration

Erleichterte Einbürgerung: 9 wichtige Fragen und Antworten

Un homme tient un passeport biometrique Suisse dans le nouveau centre de biometrie au Flon ce vendredi 21 janvier 2011 a Lausanne. Ce centre va recolter les donnees biometriques pour les passeports su ...
Den roten Pass erhalten Ausländer der dritten Generation auch bei einem Ja zur Reform nicht automatisch.Bild: KEYSTONE

Erleichterte Einbürgerung für «Terzos» – die 9 wichtigsten Fragen und Antworten

Die Einbürgerung von Immigranten-Grosskindern soll erleichtert werden. Was du über die Initiative wissen musst.
06.01.2017, 05:2006.01.2017, 13:25
jonas schmid / Aargauer Zeitung
Mehr «Schweiz»

Weshalb diese Bürgerrechtsreform?

Heute gilt für junge Ausländer der dritten Generation dasselbe Einbürgerungsverfahren wie für ihre Eltern und Grosseltern. Dieser Prozess dauert lange und ist mit hohen Kosten verbunden. Ihnen die Einbürgerung zu erleichtern, ist ein politischer Dauerbrenner: Dreimal äusserte sich das Stimmvolk zu dieser Frage, dreimal schickte es die Vorlagen bachab – zuletzt scheiterte 2004 eine Bürgerrechtsvorlage, die wesentlich ambitionierter war: Eine knappe Mehrheit (51,6 Prozent) lehnte die erleichterte Einbürgerung für die zweite und eine automatische Einbürgerung der dritten Generation ab. Die vorliegende Abstimmungsvorlage will nun wenigstens Hürden für die dritte Generation abbauen.

Worum geht es?

Ausländer, deren Grosseltern schon in der Schweiz gelebt haben und deren Eltern in der Schweiz geboren sind, sollen erleichtert eingebürgert werden – aber nicht automatisch. Den roten Pass erhalten sie weiterhin nur auf Antrag. Die Verfahren sollen aber schlanker werden. So entfallen etwa das Vorsprechen vor einer Gemeindekommission oder Versammlung sowie ein Sprachtest. Federführend ist der Bund, die Kantone können sich aber zu jedem Fall äussern. Heute werden die Regeln kantonal unterschiedlich gehandhabt. Genf, Waadt, Jura, Freiburg, Bern oder Zürich haben ihre Regeln bereits gelockert. Eines der Hauptziele der Reform ist die Vereinheitlichung der Verfahren.

Wer profitiert?

Ein Gesuch stellen können nur Personen, die in der Schweiz geboren und nicht älter als 25 Jahre alt sind, sodass der Militärdienst nicht umgangen werden kann. Weitere Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein: Mindestens ein Grosselternteil muss glaubhaft machen, dass er sich in der Schweiz aufgehalten hat. Auch die Eltern müssen zehn Jahre in der Schweiz gelebt haben. Der Einbürgerungskandidat muss zudem über eine Niederlassungsbewilligung (C-Ausweis) verfügen und fünf Jahre zur Schule gegangen sein. Nur wer gut integriert ist, eine Landessprache spricht, die Schweizer Werte anerkennt und die Rechtsordnung respektiert wird leichter eingebürgert. Wer einen Eintrag im Strafregister hat oder von der Sozialhilfe abhängig ist, ist von der erleichterten Einbürgerung ausgenommen.

Wie viele Personen sind betroffen?

Bei einem Ja am 12. Februar könnten insgesamt rund 25'000 junge Ausländer eine erleichterte Einbürgerung beantragen. Zu diesem Schluss kommt eine im Dezember veröffentlichte Studie von Professor Philippe Wanner von der Universität Genf. Dies entspricht rund 2300 Personen pro Jahr. Die meisten sind Italiener, aber auch Jugendliche mit türkischen Wurzeln und aus den Balkan-Staaten könnten profitieren. Erfahrungen aus den Kantonen zeigen jedoch, dass nur ein Bruchteil der Berechtigten tatsächlich ein Gesuch stellen wird.

Soll die Einbürgerung für Ausländer dritter Generation erleichtert werden?

Kennt die Schweiz schon heute für gewisse Personenkategorien erleichterte Einbürgerungsverfahren?

Ein erleichtertes Verfahren besteht schon heute für Ausländerinnen und Ausländer, die einen Schweizer oder eine Schweizerin geheiratet haben. Diese Verfahren sind kürzer als die ordentlichen Einbürgerungen.

Wie tickt die 3. Generation der hier ansässigen Ausländer politisch?

Eine im «Tages-Anzeiger» zitierte Studie des Schweizer Politologen Oliver Strijbis kommt zum Schluss: Die Angehörigen der 3. Generation vertreten die gleichen politischen Einstellungen wie Schweizer ohne ausländische Grosseltern.

Jetzt auf

Wer sind die Befürworter und wie argumentieren sie?

Fürsprecher der Reform sind sämtliche Parteien – mit Ausnahme der SVP. Die Befürworter sagen, die Einwanderer-Grosskinder sind gar keine Ausländer, sondern Einheimische ohne Schweizerpass. Sie haben ihr ganzes Leben in der Schweiz verbracht, sprechen die hiesige Sprache und sind bestens in die Gesellschaft integriert. «Die Schweiz ist ihre Heimat, nur haben sie keinen roten Pass», sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga. Die Vorlage stelle «ein wichtiges Zeichen der Anerkennung» dar, und dies nicht nur für die dritte Generation, sondern auch für deren Eltern und Grosseltern. Die Drittgeneratiönler sollen in der Schweiz mitbestimmen dürfen.

Wer sind die Gegner und was sagen sie?

Einzige Gegnerin auf dem politischen Parkett ist die SVP. Wenige Wochen vor der Abstimmung tritt sie aber noch kaum im Abstimmungskampf in Erscheinung. Einen Vorgeschmack, wie sie argumentieren könnte, liefert der St.Galler SVP-Nationalrat Lukas Reimann: Er vermischt die Einbürgerungsfrage mit dem Terror. Gerade die jungen Ausländer der dritten Generation seien für Extremismus und Islamismus besonders empfänglich, schreibt er in einem Text, den er am Tag nach dem Berliner Terroranschlag veröffentlichte. Bei der dritten Generation müsse man besonders hinschauen, damit «nicht adoptierte Staatskinder mit Terrorismus-Sympathie und Schweizerpass herangezogen werden.»

Nationalrat Lukas Reimann, Praesident Auns, spricht an der Medienkonferenz des Komitees "Nein zum schleichenden EU-Beitritt", in Bern, am Freitag 5. August 2016. Das von SVP-Strategiechef Ch ...
Ist gegen die erleichterte Einbürgerung: SVP-Nationalrat Lukas Reimann.Bild: KEYSTONE

Was passiert bei einem Nein?

Dann bleibt das ordentliche Verfahren bestehen. Weitere Erleichterungen sind seitens des Bundes derzeit nicht geplant.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
25 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Anam.Cara
06.01.2017 07:24registriert November 2015
@Reimann: der Amokläufer in Zug 2001 war ein waschechter Eidgenosse. Sind die Opfer deswegen weniger tot oder seine Tat weniger schlimm? Macht es wirklich einen Unterschied ob ein Attentäter oder ein Terrorist einen CH-Pass hat oder nicht?
Ich finde dieses Argument einigermassen lächerlich.
Es wäre ja auch denkbar, dass sich Drittgeneratiönler ein kleines bisschen besser akzeptiert fühlen, wenn sie eine erleichterte Einbürgerung bekommen. Aber für solche Gedanken braucht es ein wenig Empathie. Da reicht das übliche "Ausländer=böse"-Schema nicht...
6118
Melden
Zum Kommentar
avatar
Qui-Gon
06.01.2017 09:15registriert April 2015
Was der Reimann wieder für einen geistigen Dünnpfiff absondert. Terrorbekämpfung hat doch nichts mit dem Bürgerrecht zu tun.
Diese SVP-Typen wollen einfach möglichst keine Eingebürgerten, weil das eidgenössische Blut rein bleiben soll. Sie haben aber nicht den Mut es zuzugeben. Völkischer Scheissdreck ist das.
5427
Melden
Zum Kommentar
avatar
Scaros_2
06.01.2017 08:53registriert Juni 2015
Wie kann man nur Terror mit einem Pass verlgeichen? Um HImmels willen es ist scheiss egal was für einen Pass man hat wenn man terror praktiziert. Für die SVP klingt es einfach schöner wenn man sagen kann, das der Täter Ausländer war.

Ich persönlich,..........ich lebe mein Leben für mich, hab den Pass und wer ihn noch hat. *schulterzuck*. Ich arbeite in einem globalen Unternehmen und habe mit so vielen Kulturen zu tun. Herkunft, Pass, Nationalität ist wirklich total egal.
2714
Melden
Zum Kommentar
25
75 Prozent der Bevölkerung leben in der Stadt – und 5 weitere spannende Stadt-Fakten
Das Bundesamt für Statistik hat heute die 85. Ausgabe der Publikation «Statistik der Schweizer Städte» des Schweizerischen Städteverbands veröffentlicht. Wir haben die wichtigsten Fakten für dich zusammengefasst.

Laut dem neusten Bericht vom Bundesamt für Statistik über die Statistik der Schweizer Städte wächst die Schweizer Bevölkerung besonders in den Städten stark an. Noch vor hundert Jahren lebte rund ein Drittel der Schweizer Bevölkerung in Städten, heute sind es bereits drei Viertel. Und: Das Bevölkerungswachstum findet vor allem in den urbanen Zentren statt.

Zur Story