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Eritreer ist überzeugt: Die Schweiz zahlt seinen Landsleuten zu grosszügig Sozialgelder

Eritreer ist überzeugt: Die Schweiz zahlt seinen Landsleuten zu grosszügig Sozialgelder

«Gestrandet im Paradies»: Ein Beitrag der «Rundschau» befasst sich mit den von der Sozialhilfe abhängigen Flüchtlingen aus Eritrea. Isolation statt Integration entpuppt sich als Hauptproblematik. Doch es gibt auch Beispiele geglückter Integration, wie Johannes Measho beweist.
30.03.2017, 15:1830.03.2017, 15:44
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Ausschnitt aus dem «Rundschau»-Beitrag «Gestrandet im Paradies».Video: kaltura.com

Die Mehrzahl der Eritreer in der Schweiz lebt in zwei Welten. Das zeigt ein Beitrag der «Rundschau» von SRF. Die meisten sind arbeitslos, leben von der Sozialhilfe. Oft bleiben die Eritreer unter sich, unterhalten sich in ihrer Landessprache – die Integration bleibt in vielen Fällen weitgehend auf der Strecke. «Ich fühle mich wie ein Bettler. Der Eine ist auf der Strasse, der Andere geht zum Staat», sagt Seare Debesay, der selbst Sozialhilfe bezieht. In der eritreischen Gemeinschaft ist er mit seiner Band «Royal Band» ein Star – 350'000 Mal wurde ihr erfolgreichstes Lied auf Youtube bereits angeklickt. In der Schweiz ist er ohne Arbeit, bewegt er sich am Rand der Gesellschaft.

Mit dem Lied «Shrboki» feiert «Royal Band» auf Youtube einen grossen Erfolg

Video: © Youtube/Amen Entertainment

Doch es gibt auch Gegenbeispiele wie jenes von Johannes Measho. Alleine unter Schweizer Studenten sitzt er in einer Vorlesung an der Fachhochschule für Technik in Windisch. Er studiert Elektro- und Informationstechnik. Der Vater von zwei Kindern ist mit einer Schweizerin verheiratet. Vor zehn Jahren musste er sein Physikstudium in Eritrea abbrechen, wurde zum Asylbewerber in der Schweiz.

Measho ist überzeugt, dass die Schweiz seinen Landsleuten zu grosszügig Sozialgelder bezahlt. Das Herumsitzen mache kaputt, es brauche mehr Druck. Er sieht Schwächen im Schweizer Sozialsystem und sagt: «Sie werden ihre Arbeitsethik verlieren und sie werden sicher nicht integriert, sondern isoliert bleiben und für ewig Sozialgelder bekommen.»

Flüchtlinge mit Sozialhilfe in der Schweiz:

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Johannes Measho war ehrgeizig und ging seinen Weg, der nicht einfach war: «Ich musste Ausdauer haben, die Sprache lernen, die Kultur kennenlernen. Um an der Fachhochschule für Technik studieren zu können, habe ich extrem viel gearbeitet.» Auf dem Nachhauseweg kommt Measho am Bahnhof Aarau vorbei, wo viele junge Eritreer herumhängen und in kleinen Gruppen bis spät in die Nacht versammelt sind. «Die Leute haben keine Arbeit, es ist für sie auch keine Freude, hier zu sein», verurteilt der Fachhochschulstudent seine Landsleute dennoch nicht.

«Was will ich 24 Stunden daheim machen?», sagt der eine junge Eritreer am Bahnhof Aarau. «Die meisten sind empfindlich und gereizt. Viele haben auf der Flucht schreckliche Dinge erlebt. Deshalb gibt es wegen kleinen Dingen Schlägereien», erklärt ein anderer Eritreer. Der Bahnhof ist auch wegen des freien Internetzugangs ein Treffpunkt geworden. Von hier aus können die Eritreer mit ihren Familien zuhause kommunizieren.

«Viele Eritreer sind isoliert, haben nur mit Landsleuten Kontakt.»
Rahel Davit

Rahel Davit kam vor sieben Jahren als Asylbewerberin in die Schweiz. Heute spricht sie perfekt Dialekt und macht im Pflegezentrum Entlisberg eine Ausbildung zur Fachfrau Gesundheit. Auch sie sagt: «Viele Eritreer sind isoliert, haben nur mit Landsleuten Kontakt. Ich hatte in der Schule niemanden, um meine Muttersprache zu sprechen. Bei meinen Pflegeeltern sprach ich ausschliesslich Deutsch.»

Die «Royal Band» von Seare Debesay arbeitet derzeit am nächsten Hit. Mit einem neuen Videoclip will die Band an den aktuellen Erfolg anknüpfen. Debesay besucht einen Französischkurs und möchte gerne nach einer Ausbildung in fünf Jahren auf eigenen Beinen stehen. Damit ihm gelingt, was vielen Eritreern bisher nicht gelungen ist: Für sich selbst aufzukommen. (yas)

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88 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Corahund
30.03.2017 15:54registriert März 2014
Integration passiert nur über Bildung und Beschäftigung.
Es gäbe wahrlich genug zu tun. Als Gegenleistung für die
Sozialhilfe und alles Drum und Dran müssten die Migranten Arbeiten im Dienste des Staates verrichten.
Beispiele: Littering entfernen, Autobahnränder vom Müll befreien, Laubrechen, Böche putzen, Rasenmähen etc. etc.. Dann müsste man sie zwingen, intensiv Deutsch Kurse zu besuchen. Bei denen, die ihre Herkunft verschleiern und sich nicht kooperativ zeigen, müssen die Handydaten ausgewertet werden. (wer zahlt eigentlich die Handyrechnungen?) Hier besteht einfach Handlungsbedarf
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citizen of de uold
30.03.2017 18:19registriert März 2017
Deshalb sitzen also eritreer an Zürcher HB , wegen WiFi, ich habe am Wochenende dort 120 Eritreer gezählt.
Migration ist kein neues Phänomen und das wahre ist , durch Massmigration profitiert KEIN Land, weder kulturell noch wirtschaftlich. Die Länder wo Migranten herkommen sind grösstenteils keine Kriegsgebiete, also geht's um Jobs.
Hier kriegen 99% Migranten nie einen guten Job, wenn sie älter werden, keiner will sie einstellen. Ihr Herkunftsland verliert dadurch Arbeitskräfte.
In der Schweiz, wenig ausgebildete Menschen müssen mit Migranten konkurrieren, also Migranten Nehmen Jobs weg.
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dorfne
30.03.2017 17:45registriert Februar 2017
Was versprechen denn die Schlepper diesen Menschen? Mit welchen Erwartungen kommen sie zu uns? Sie können die Sprache nicht, haben meist keine Ausbildung, auch sind sie sich unsere Hektik und unser Arbeitstempo nicht gewohnt. Da spreche ich auch aus eigener Erfahrung. Sie leben von Sozialhilfe, haben hier mehr als sie zu hause hatten und machen uns jetzt Vorwürfe? So kommt es zumindest bei mir an. Das Beste was sie tun können: ihre Landsleute davon abhalten zu uns zu kommen.
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