Den Familiennamen erben wir, den Vornamen diktieren uns unsere Eltern. Als es darum ging, wie wir für die Dauer unseres Lebens heissen, hatten wir kein Mitspracherecht. Unser Name wurde uns aufgedrängt. Ihn zu ändern, ist schwierig, aber seit dem 1. Januar 2013 ist dies zumindest einfacher geworden.
Das Parlament hat die Tür zu einem neuen Namen einen weiteren Spalt weit geöffnet, als es beschloss, dass zukünftig nicht mehr «wichtige», sondern nur noch «achtenswerte» Gründe für eine Namensänderung nötig sind. Durch die neu entstandene Lücke versuchen auch einige zu schlüpfen, an die beim Gesetzesentwurf gar nicht gedacht wurde. So die Familie Radosavljević* aus dem Kanton Schwyz.
Das Ehepaar mit zwei Kindern reichte im Juli 2013 beim kantonalen Departement des Innern den Antrag ein, ihren Namen zu ändern – ihn «einzuschweizern». Die vierköpfige Familie wollte künftig nicht mehr Radosavljević heissen, sondern Huber. Zudem beantragte der Ehemann auch die Änderung seines Vornamens. Sprich: Aus Milovan Radosavljević sollte Robert Huber werden. Mit diesem Schritt wollte die Familie nach der Einbürgerung im Jahr zuvor den nächsten Schritt machen – ihre Integration «abrunden».
Hat die Gesetzesänderung die Erfolgschancen für Familien wie die Radosavljevics erhöht? Die zuständigen Stellen der Kantone Bern und Baselland bejahen die Frage.
Sabine Menge, Leiterin Aufsicht Zivilstandswesen des Kantons Baselland: «Die Änderungen von ausländischen Familiennamen aufgrund von empfundenen Diskriminierungen werden vermehrt bewilligt.» Vielfach stehe dabei aber nur eine Vereinfachung des Namens im Raum, präzisiert Sabine Menge. So werden etwa einzelne Buchstaben weggelassen. «Zu einer Helvetisierung des Namens kommt es nur in ganz seltenen Fällen.»
Ein solcher Antrag wurde im Kanton Appenzell Innerrhoden 2013 bewilligt, dabei ging es aber um eine Vornamensänderung. Ein kürzlich eingebürgerter Mann mit türkischem Namen wollte neu Alex heissen. Ein Sonderfall, sagt der zuständige Mitarbeiter der Ratskanzlei. Die Hürde bei der Helvetisierung des Familiennamens liege höher.
Die Familie Radosavljević bestätigte gegenüber der «Aargauer Zeitung» ihren Antrag zur Namensänderung, wollte aber weiter keine Stellung nehmen. Die Begründung der Familie wird aber auch im Verwaltungsentscheid des Kantons Schwyz festgehalten. Die entsprechende Verfügung liegt der Zeitung vor.
Darin wird der Wille der Familie zur Namensänderung unter anderem damit begründet, dass ihr Geschäft unter dem ausländischen Namen leide. Viele ihrer Schweizer Kunden würden sich damit schwer tun, ihren Namen auszusprechen und ihn sich zu merken. Zudem habe auch die 5-jährige Tochter Mühe, ihn richtig auszusprechen. Die Befürchtung der Eltern: In einem Notfall werde sie Mühe haben, den Namen richtig zu buchstabieren. Auch generell sei der Verkehr mit Behörden und Institutionen mühsam. Oft müsse ihr Name buchstabiert werden und die Kontaktpersonen seien jeweils ob der richtigen Schreibweise verunsichert.
Das Anliegen brachte Ständerätin Anita Fetz bereits 2006 aufs politische Parkett. Sie forderte in einem Postulat den Bundesrat dazu auf, zu prüfen, «ob und wie ausländische Namen bei Einbürgerungen auf freiwilliger Basis entweder über den Lautklang einer Amts- oder Landessprache angeglichen oder über den Bedeutungsgehalt des Namens ‹helvetisiert› werden könnten».
Bei ihrer Rede im Ständerat sagte sie damals: «Stellen Sie sich vor, Ihr Name wäre Papahandurama oder Randschahabugama oder Malgumurughun. Sie müssten Ihren Namen x-mal buchstabieren – jedes Mal, wenn Sie irgendeinen Behördengang machen, wenn Sie irgendetwas beantworten müssen.» Weiter habe sie auch an Jugendliche gedacht, die aufgrund ihres Namens auf dem Lehrstellen- und Arbeitsmarkt diskriminiert werden.
Tatsächlich zeigen Schweizer Studien, dass ausländische Namen sich nachteilig bei Job- oder Wohnungssuche auswirken können. In einer Studie wurde 2006 festgestellt, dass vor allem junge Männer mit einem Namen aus dem Balkan bei Bewerbungen diskriminiert werden. Dennoch: Das Postulat von Fetz hatte im Ständerat keine Chance. Es wurde mit 23 zu 6 Stimmen klar abgelehnt.
Doch warum wollen die Radosavljević ausgerechnet Huber heissen? Die Familie begründet dies mit ihren serbischen Vorfahren, die viel Land besassen. Früher wurden jene Bauern als Huber bezeichnet, die eine ganze Hube (mittelalterliche Masseinheit, auch Hufe genannt) Ackerland besassen. Als Alternativen zu Huber schlugen sie dem Regierungsrat Vetsch oder Grossmann vor, die beide Nähe zu ihrem jetzigen Namen hätten.
Für Sabine Menge ein wichtiger Punkt: «Wir befürworten, dass ein neuer Name einen Bezug zum alten hat», sagt die Leiterin Aufsicht Zivilstandswesen Kanton Baselland. Dies mache die Umstellung für den Antragssteller und dessen soziales Umfeld viel einfacher. Denn die Erfahrung in der Praxis habe gezeigt: «Der Wechsel des Namens fällt vielfach schwerer als gedacht.» Sprich: Wer leichtfertig versucht, den Namen zu ändern, könnte es hinterher bereuen.
Eine Absage hingegen kassierte die Familie Radosavljević. Der Schwyzer Regierungsrat hielt zwar fest, dass es nicht von der Hand zu weisen sei, dass Träger von Familiennamen mit der Endung «-ić» im schweizerischen Alltag Schwierigkeiten begegnen können. Doch würde die Familie Radosavljević nicht solch ernsthafte Nachteile geltend machen.
«Allein die Schwierigkeit, den Namen auf Anhieb richtig aussprechen zu können oder nicht sofort richtig zur Kenntnis zu nehmen, ist kein Anlass für eine Namensänderung», schreibt der Regierungsrat weiter in der Verfügung. Zudem befürchtet die Behörde, Tür und Tor für ähnliche Fälle zu öffnen. «Würde im konkreten Fall eine Namensänderung bewilligt, so müsste eine solche auch in anderen Fällen bewilligt werden.»
Dass plötzlich alle Marković, Petrić oder Sarić ihren Namen ändern möchten, wird im Kanton Baselland nicht befürchtet. Derzeit werden im Jahr meist weniger als zehn solcher Fälle bearbeitet. Zudem hätte es den Ansturm schon längst gegeben, ist Sabine Menge überzeugt. Sie betont: «Die Namensänderung ist auch mit achtenswerten Gründen noch lange kein Wunschkonzert.» Das sieht auch Ronald Wunderli, Abteilungsleiter Zivilstandswesen im Kanton Zürich, so. Er schreibt: «Die dargelegten Gründe müssen nachvollziehbar, einsichtig und von bestimmter Intensität und somit nicht belanglos sein.» Der blosse Wille genüge nicht.
Der Familie Radosavljević gelang es nicht, den Regierungsrat im Kanton Schwyz mit ihren Gründen zu überzeugen. Das Ehepaar mit den beiden Kinder hat sich daraufhin entschieden, den Entscheid nicht juristisch anzufechten. Somit steht fest: Es wird im Kanton Schwyz keine weiteren Hubers geben.
* Name von der Redaktion geändert.